Die Verhinderung von Übergriffen und Gewalt setzt eine Reflexion über den Umgang miteinander in Bezug auf Nähe – Distanz und einen verantwortungsvollen Umgang mit Macht voraus:
Grundlage für die Gestaltung von Beziehungen im haupt- oder ehrenamtlichen Dienst ist ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz und ein professioneller Umgang damit. Die Einschätzung von Nähe und Distanz kann sehr unterschiedlich ausfallen. Gute Körperkontakte beruhen auf Gegenseitigkeit, sind ohne sexuelle Motivation und der jeweiligen Situation angepasst.
Personen, die einen haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche übernehmen, sind dafür mit Macht und Autorität ausgestattet. Es gilt sich dieser Macht bewusst zu sein und verantwortungsvoll und konstruktiv mit ihr umzugehen. Machtmissbrauch ist gegeben, wenn etwa der Eigennutz vor der Aufgabe/dem Dienst steht (z.B. Stärkung der eigenen Macht; finanzielle Bereicherung) oder wenn etwa Abhängigkeiten ausgenützt werden.
Begleitung von Menschen
Die Begleitung von Menschen in seelischer Not in der Beichte oder im seelsorgerlichen Gespräch erfordert Sensibilität, Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, eine stabile und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Nie darf ein Mensch in seelischer Not zur Befriedigung der Bedürfnisse (Macht, Nähe, Zärtlichkeit, Anerkennung) des Begeiters, der Begleiterin benutzt werden!
Wann beginnt Gewalt?
Für einen fachlich fundierten Umgang mit grenzverletzendem Verhalten empfiehlt sich folgende Differenzierung:
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Grenzverletzungen sind ein unabsichtliches Überschreiten der persönlichen psychischen oder körperlichen Grenze einer anderen Person. Grenzverletzungen geschehen ohne sexuelle Motivation, oft aus Unachtsamkeit und sind grundsätzlich korrigierbar (etwa durch eine Entschuldigung). Maßstab der Bewertung eines Verhaltens als grenzverletzend sind nicht nur objektive Faktoren, sondern ebenso das jeweils subjektive Erleben. Um keine „Kultur“ der Grenzverletzungen zu schaffen, ist es notwendig zu intervenieren. Das geschieht, wenn Grenzverletzungen als solche benannt werden, z.B. durch Personen, die das beobachten.
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Gewalttaten sind absichtliche körperliche oder psychische Grenzüberschreitungen. Sie resultieren oft aus persönlichen und/oder fachlichen Defiziten und reichen von Belästigungen über Übergriffe bis hin zu strafrechtlich relevanten Gewalttaten. Körperliche und seelische Gewalt beinhaltet z.B.:Ohrfeigen, Schläge, absichtliches Stoßen, Würgen, Festhalten, Einsperren; Essen, Getränke oder Schlaf entziehen; Mutproben, Verängstigungen, Drohungen, Erpressungen, Verleumdungen, Beschimpfungen, Demütigungen; Verspottung, Stalking usw. Auch die Vernachlässigung einer schutzbedürftigen Person ist eine Gewalttat.
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Sexualisierte Gewalt – oft als sexueller Missbrauch bezeichnet – ist gegeben, wenn eine andere Person als Objekt zur eigenen sexuellen Befriedigung und zur Befriedigung von Machtbedürfnissen benutzt wird. Sexualisierte Gewalt findet meist in vertrauensvollen Beziehungen und fernab der Öffentlichkeit statt. Sie beginnt mit der Verwendung sexualisierter Sprache, setzt sich fort in Berührungen ohne Einverständnis und geht bis hin zur Vergewaltigung.
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Spiritueller Machtmissbrauch wird ausgeübt, wenn mittels religiöser Inhalte oder aufgrund der Position in der Kirche (als geistliche Autorität) Druck ausgeübt oder Angst gemacht wird oder Abhängigkeiten hergestellt und ausgenutzt werden.
Meldepflicht
Alle Personen im ehren- oder hauptamtlichen Dienst sind – laut Rahmenordnung „Die Wahrheit wird euch frei machen“ – verpflichtet, einen Verdacht oder einen beobachteten Übergriff (psychischer, physischer, sexueller oder geistlicher Art) durch kirchliche MitarbeiterInnen oder in einer kirchlichen Einrichtung an die diözesane Ombudsstelle (01- 319 66 45) zu melden.
Die diözesane Ombudsstelle geht jeder Meldung unter Berücksichtigung des Schutzes der mutmaßlich betroffenen Person sorgfältig nach. Die Rechte der mutmaßlich beschuldigten Person werden bei der Klärung des Sachverhaltes gewahrt.