Monsignore
Dr. Ewald Huscava
Pfarrvikar der Gemeinde
Donaucitykirche
Die Erprobung Abrahams oder die Bindung Isaaks?
Ägyptische Bilder an Tempelwänden des Neuen Reichs werden als Hinweise auf kanaanäische Kinderopfer im 2. Jahrtausend gewertet; eine Darstellung der siegreichen Palästina-Feldzüge von Pharaonen der 19. Dynastie. In diesem Kontext sind Menschen- bzw. Kinderdarbringungen der kanaanäischen Herrscher dargestellt. Genau vor diesen Kanaanäern warnt das Buch Deuteronomium: Israel soll nicht die Gebräuche anderer Völker übernehmen, „denn [die Kanaaniter] haben, wenn sie ihren Göttern dienten, alle Gräuel begangen, die der HERR hasst. Sie haben sogar ihre Söhne und Töchter im Feuer verbrannt, wenn sie ihren Göttern dienten.“ (Dtn 12,31)
Und trotzdem soll Abraham seinen Sohn opfern? Oliver Achilles weist in seinem Blog Auslegungssache auf ein interessantes Detail hin: Am Anfang der Erzählung steht im Hebräischen der Gottesnamen Elohim. Ab dem Moment, in dem der Engel JHWHs rettend eingreift, wird nur noch das Tetragramm, der Gottesname JHWH, verwendet.
Könnte es sein, dass Abraham das Wesen JHWHs verkannte, als er seinen Sohn töten wollte?
Oder wollte er das gar nicht ?
Schauen wir den Text genauer an (Ich folge hier weitgehend dem Kommentar des Katholischen Bibelwerks von Detlef Hecking):
▪ Im Auftrag Gottes hört Abraham die markante hebräische Wendung lech-lecha, „Geh für dich“ (V. 2). selbe Aufforderung hatte Abraham in Gen 12,1 gehört, als Gott ihn zum Auszug aus seiner Heimat aufforderte. Wenn diese Wendung ausgerechnet jetzt wieder erklingt, kann Abraham darauf vertrauen, dass auch dieser überaus verstörende Auftrag im Einklang mit Gottes Willen verlaufen wird – der bekanntlich darin besteht, Abraham zu einem großen Volk zu machen (Gen 12,2; vgl. 22,17).
▪ Abraham willigt nicht in den Auftrag Gottes ein, sondern macht sich drei Tage lang auf den Weg – schweigend. Erst am dritten Tag erhebt er wieder die Augen (V. 4). Darin kann auch stummer Protest anklingen. Als Abraham zum nächsten Mal aufschaut, sieht er den Widder, der sich im Gestrüpp verfangen hat (V. 13).
▪ Abrahams Antwort auf Isaaks Frage nach dem Opfertier (V. 8) kann nicht nur als Ausweichen verstanden werden, sondern auch als echte Überzeugung, dass nicht sein kann, nicht sein darf. Stattdessen wird sich Gott eben tatsächlich ein (anderes) Opfer aussuchen. So kann Abrahams Handeln bis zum Erheben des Messers geradezu als Herausforderung an Gott verstanden werden, jetzt endlich zu handeln und seinen Auftrag zurückzunehmen.
▪ Dazu passt, dass Abraham seinen Jungknechten ankündigt, dass sie beide – Isaak und er selbst – nach der Gottesverehrung zu ihnen zurückkehren würden (V. 5). Die für das Verständnis so wesentlichen Verse 4,5 und 8 fehlen leider in der (wie so oft gestückelten) Lesung. Um die Geschichte zu verstehen, muss man die Bibel heranziehen, nicht das Lektionar.
Eva R.
Hinweis: Lesungen und Evangelium finden Sie gemeinsamit mit Tagesgebet und Psamlen über den "Schott-Tagesliturgie" Knopf auf https://erzabtei-beuron.de/index.html.