Kommentar zum Dokument über die pastorale Umkehr der Pfarren
Die Kleruskongregation hat als päpstliche Dienststelle, die auch für die Pfarren zuständig ist, am 20. Juli 2020 ein Dokument (Instruktion) veröffentlicht, um den laufenden Strukturprozessen in vielen Diözesen eine missionarische Ausrichtung zu geben und die rechtlichen Rahmenbedingungen zusammenzufassen.
- Das Dokument "Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche" im Wortlaut
- Zusammenschau von Domradio.de über die weltweite Rezeption
Das Dokument – so lese ich im Internet – löst bei wenigen eine Bestätigung ihrer eigenen Interessen aus. Bei sehr vielen hingegen eine Zurückweisung, die sowohl Unkraut als auch Weizen vor der Ernte auszureißen scheint, um im Bild des vergangenen Sonntags zu bleiben.
Nüchtern betrachtet ist der Text eine Zusammenstellung des rechtlichen Rahmens, in dem wir uns auch in der Erzdiözese Wien – mit der Strukturentwicklung und den Ordnungen für die pfarrlichen Gremien – bewegen.
Gleich vorweg: Ich bin froh, stolz und dankbar über die 6.000 Frauen und Männer, die bereit sind, ein Mitglied in den pfarrlichen Gremien zu sein und in unterschiedlichen Feldern Leitungsverantwortung zu tragen, damit die Gemeinden in unseren Pfarren lebendig bleiben.
Missionarische Kirche
Zurück zum Text, der eigentlich vorgibt, eine missionarische Kirche fördern zu wollen. Doch die bloße Einhaltung der bestehenden Normen des Kirchenrechts im Blick auf die Funktion des Pfarrers, die in weiterer Folge nicht unnötig durch Strukturprozesse gestört werden soll, wird dazu aber nicht ausreichen. In den ersten Punkten werden zwar durchaus Reflexionsthemen genannt (z.B. Abkehr von der bloßen Wiederholung der Aktivitäten, Bürokratie, ... vgl. Nr. 16, 17, 21, 23, 34 und 38), die es zu vertiefen lohnt – schade, dass das Dokument hier nicht mehr Impulse gibt.
Einzig konkret ist der Hinweis, dass Messstipendien und Stolgebühren (Gebühren für Taufen, Begräbnisse, etc.) als freiwillige Beiträge der Spender gedacht sind und nicht als Art „Sakramentensteuer“.
Strukturentwicklung
Die pfarrliche Strukturentwicklung in unserer Diözese geht langsam, aber stetig mit Blick auf jeden einzelnen Entwicklungsraum voran und das entspricht den Grundanliegen des Dokuments. Kurzum: Das Dokument stellt die Strukturentwicklung in Rahmen des Diözesanprozesses nicht in Frage.
Zusehends stellt sich aber die Frage, ob nicht die langsamen Prozesse, wie sie im Dokument idealisiert werden, gerade eine missionarische Ausrichtung behindern, wenn sich Personen und Gremien über Jahre nur mit Strukturen beschäftigen. Vielleicht wäre manchmal schneller durchaus besser.
Einen breiten Raum nimmt in dem Dokument auch das Thema Leitung ein. Doch für unsere Diözese sehe ich: die Funktion des Pfarrers, der die Pfarre leitet und anderen gegenüber letztverantwortlich ist, ist unbestritten. Klar ist für mich auch, dass viele Frauen und Männer unterschiedliche Bereiche innerhalb der Pfarre – und seien es Teilgemeinden – leiten, am besten aber in einem Team. Ein Team soll auch den Pfarrer in seiner Leitung unterstützen, weil Leitung immer auch einen schnellen, beständigen Reflexionsraum braucht.
Und nüchtern gesehen werden sich die Ordnungen weiterentwickeln: im Einklang mit den Anforderungen vor Ort, dem Pastoralkonzept der Diözese einer Kirche missionarischer Jüngerinnen und Jünger und dem rechtlichen Rahmen der Weltkirche.
Verantwortung für die Mission der Kirche
Denn auch das Dokument der Kleruskongregation unterstreicht (Nr. 38): „Die Tatsache […], dass dem Volk Gottes ‚die Würde und die Freiheit der Kinder Gottes eignet, in deren Herzen der Heilige Geist wie in einem Tempel wohnt‘, drängt dazu, Vorgehensweisen und Modelle zu fördern, durch die alle Getauften kraft der Gabe des Heiligen Geistes und der empfangenen Charismen sich aktiv, dem Stil und der Weise einer organischen Gemeinschaft entsprechend, in die Evangelisierung mit den anderen Pfarrgemeinden unter Berücksichtigung der Pastoral der Diözese einbringen. Da die Kirche nicht nur Hierarchie, sondern Volk Gottes ist, ist die gesamte Gemeinschaft für ihre Sendung verantwortlich.“
Damit bloße Worte wirksam werden, braucht es tatsächlich noch einiges an pastoraler Umkehr – hier und anderswo.
P.S.: Für Herbst 2022 hat Papst Franziskus die Bischöfe der Weltkirche eingeladen, um „für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ Perspektiven zu entwickeln.
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