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Blog zur Studienreise auf die Philippinen 2020

Tag 3 | Eintauchen in einem anderen Land

(Christian Zettl bloggt) Eintauchen in die kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Realitäten auf den Philippinen.

Unser erster Tag im Bukal ng Tipan-Zentrum Maryshore auf dem Inselteil Negros Occidental. „Shore“ stimmt – das Parkareal grenzt direkt ans Meer, kein idyllischer Sandstrand freilich, sondern ein eher morastiges Küstengebiet, in dem Menschen bei Ebbe in der Früh Austern und anderes Meergetier sammeln. Auch, um mit ein wenig „Selbstversorgung“ unter den prekären Lebensbedingungen besser über die Runden zu kommen, wie wir später erfahren.

 

Am Vormittag erwarten uns Mark, Estela und Noel vom Bukal-Team. Entstehungsgeschichte von Bukal, Crashkurs in Geschichte, Wirtschaft, Politik und Kirchenentwicklung in der Region, in der wir uns befinden. Mark, Urgestein von Bukal, wirkt als belgischer Ordenspriester seit 1962 auf den Philippinen. Als junger Kaplan stellt er sich nach drei Jahren Kirchenerfahrung auf den Philippinen die Frage: Kann Kirche nicht noch anders als „priesterzentriert“ existieren? Wie es gehen könnte, erfahren Mark und Estela dann in Südafrika. Einige Jahre später starten er, Estela und andere aus der jungen pfarrlichen „Suchgemeinschaft“ das Pastoralinstitut Bukal ng Tipan. Heute ist Bukal als viele Gemeinden und Diözesen der philippinischen Kirche prägende Einrichtung nicht mehr wegzudenken.

 

 

Noel, Vater von drei Buben, einst Salesianernovize, ist seit 10 Jahren bei Bukal. Die Philippinen, so Noel, hat eine dreifache „Besetzungsgeschichte“ – einmal von den Spaniern, dann von den USA und schließlich von Japan. Während der Kolonialzeit errichtete feudale Strukturen wirken in den ländlichen Philippinen bis heute weiter. Landlords und Wirtschaftsmagnaten sind Teil eines politisch-wirtschaftlichen Systems, die Privilegien Weniger und Ausbeutung, Marginalisierung und Ausschluss Vieler perpetuiert. Kirche hat sich auf den Philippinen in den 70er Jahren unter der Marcos-Diktatur politisiert, insbesondere in Gestalt der Basic Christian Communities (BCC) und musste Verfolgung erfahren.

 

 

Die Insel Negros ist die „sugar bowl“ der Philippinen – 60 bis 70% der Zuckerproduktion der Philippinen kommt von hier. Als wir am Nachmittag zur Hacienda Adela in der Nähe der Stadt Silay fahren, reiht sich rechts und links von uns Zuckerrohrfeld an Zuckerrohrfeld, von kleinen Setzlingen bis zu erntereifen Feldern.  Adela ist ein altes Dorf, das von der Arbeit auf den Zuckerfeldern lebt. „If there were no planting of sugar cane, we would die“, sagt uns unser Gastgeber im Dorf. Das leben hier sei von der Wiege bis zur Bahre von Zucker geprägt. Nicht ohne Stolz präsentieren sich die Mitglieder der Landarbeiter „Association“ – sie sorgen dafür, dass der soziale Zusammenhalt und die soziale Entwicklung im Dorf funktionieren: Alt und Jung leben anscheinend in großer Nähe und Verbundenheit zusammen. Auch, dass höhere Bildung für die Kinder und damit ein Weg aus der Zuckerabhängigkeit möglich wird, ist ein Anliegen der „Association“. „Wer hat ein Kind im College?“ – acht Hände heben sich. Unser Gastgeber ist zufrieden. 10% der Familien haben Kinder im College.

 

 

Die „Association“ hat für uns ein Programm zusammengestellt, das von der über Generationen weitergegeben Rezitation lateinischer Kirchengesänge über Vorführung des Zuckerrohranbaus (einige von uns dürfen sich im Zuckerrohrschneiden mit der Machete üben) bis zu einer Rundfahrt auf dem traditionellen noch heute bei der Zuckerrohrernte eingesetzten Wasserbüffel-Karren durch das Dorf reicht. Auch kulinarische Spezialitäten der Region lässt man uns verkosten – auch hier darf Zucker nicht fehlen, sei es auf den karamellisierten Süßkartoffeln oder in den Piayas, den mit Mascobado-Zuckermelasse gefüllten Fladen. Auch Sorgen über die Zukunft des Zuckers klingen an: Unter 40jährige ziehen die Arbeit am Bau in den Städten der schlecht bezahlten und beschwerlichen Feldarbeit vor (9 Stunden am Tag, 6-8 t sind am Tag durch 12 cane cutters machbar, pro Tonne erhalten diese 300 Pesos, was bei 8 t umgerechnet € 3,50 p.P. ausmacht), eine neue Generation von Plantagenbesitzern hat keinen rechten Bezug mehr zur Hacienda und verkauft diese zunehmend an (ausländische) Investoren, die aus den Zuckerrohrfeldern Shopping Malls oder teure Wohngebiete machen.

 

 

Am Ende unseres Besuchs begegne ich der mit 94 Jahren ältesten anwesenden Dorfbewohnerin. Mit ihrem für philippinische Verhältnisse extrem hohen Alter wirkt sie fröhlich und zufrieden. Eingebunden in die Dorfgemeinschaft, umgeben von vielen Kindern und offensichtlich auch körperlich noch ziemlich rüstig hat sie anscheinend alles, was sie braucht. Ihre Zufriedenheit kommt auch in ihren Worten und Gesten mir gegenüber zum Ausdruck – und nie fehlt bei ihr der Nachsatz: „Thanks to the grace of God!“

 

Dankbar dürfen auch wir am Abend die ersten Tage auf den Philippinen gemeinsam reflektieren. Wir sind herzlich aufgenommen und reich beschenkt worden!

 

Weiter geht's mit Tag 4

 

Im Juli 2020 gibt es eine Summerschool mit dem BUKAL-Team in St. Pölten.

Diözesaner Entwicklungsprozess APG2.1
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