Samstag 27. April 2024

Markus Schulze: Glaube und Heil. Thomas von Aquin für heute

 

“Der kleine Priester war sehr die Unschuld vom Lande: Sein Gesicht war rund und öde wie ein [...] Knödel.” So lautet die Beschreibung von Pater Brown, dem schrulligen katholischen Priester und Meisterdetektiv, der vielen Menschen eine vertraute Figur ist. Ältere Menschen denken an die Verfilmungen mit Heinz Rühmann, jüngere an die Fernsehserie “Pfarrer Braun” mit Ottfried Fischer, während sich heutige krimifreudige Zuschauer die BBC-Serie “Father Brown” ansehen. Weniger bekannt ist möglicherweise, dass sich diese Verfilmungen nicht an die literarische Vorlage halten und der Schöpfer dieser Figur der englische Schriftsteller G. K. Chesterton (der im Laufe seines Lebens zum katholischen Glauben übertrat) auch ein profunder Kenner der Werke von Thomas von Aquin war. Chesterton verfasste sogar ein kleines Büchlein über ihn, was den Thomas-Experten Josef Pieper (siehe: “Thomas von Aquin : Einführung in Leben und Werk” - Topos Verl. 2014) zu der Bemerkung veranlasste: “Als die beste allererste Einführung in den Geist des heiligen Thomas erscheint mir noch immer das kleine Buch von Chesterton, Thomas von Aquin [...].”

Wie dem auch sei - zunächst ein paar einführende Worte zu Thomas von Aquin (1225-1274): Er war Schüler des damals berühmtesten Gelehrten Albertus Magnus, der ihn gegen seine Mitstudenten (Diese nannten ihn den “stummen Ochsen” aufgrund seiner Leibesfülle) stets verteidigte: “Das Brüllen dieses stummen Ochsen wird so laut werden, dass es die ganze Welt erfüllt.” Was zu beweisen war - denn für die Nachwelt gilt Thomas als der Theologe und Philosoph des 13. Jahrhunderts, an der Universtität des 13. Jahrhunderts (nämlich Paris). Im 14. Jahrhundert heilig gesprochen zählt er ab dem 16. Jahrhundert zu den Kirchenlehrern (derzeit gibt es 36, seit dem 20. Jahrhundert auch Frauen wie Theresa von Ávila). Für den hl. Thomas war die “ganzheitliche Ausrichtung des Menschen auf die liebende Begegnung mit Gott” gerichtet, Gott der Ursprung und das Ziel des menschlichen Lebens. Dabei bildeten Glaube und Vernunft keinen Widerspruch, sie kommen ja in ihrer Wurzel, in Gott also, überein.

Der hl. Thomas, so Papst em. Benedikt XVI. - und damit tauchen wir bereits in das Vorwort von Markus Schulzens Buch “Glaube und Heil - Thomas von Aquin für heute” ein - hatte eine sehr umfangreiche Auffassung von der menschlichen Vernunft, und sie war nicht beschränkt auf die “normale” wissenschaftliche, sondern ebenso offen gegenüber den grundlegenden und unverzichbaren Fragen des menschlichen Lebens und dabei die Inspiration des christlichen Glaubens annehmend: “Es ist nicht erstaunlich, dass die Lehre über die Würde der Person, die für die Anerkennung der Unantastbarkeit der Menschenrechte grundlegend ist, in geistigen Umfeldern herangereift ist, die das Erbe des hl. Thomas von Aquin, der eine sehr hohe Auffassung vom menschlichen Geschöpf besaß, aufgegriffen haben.” Denn  grundsätzlich galt für Thomas die Gutheit alles Geschaffenen, die Bejahung der materiellen Welt.

Schulze, ein langjähriger “Schüler” von Christoph Kardinal Schönborn, bespricht in seinem Buch Themen in Bezug auf Gott, Christus, die Sakramente und das Ewige Leben.

Im ersten Teil “Gott“, der ein Drittel des Buches ausmacht, beschäftigt sich Schulze damit, wie man Barmherzigkeit von Gott ausagen kann. Der Autor zeigt, dass für Thomas Barmherzigkeit “die erste Wurzel in jedem Werke Gottes” ist (ebenso wie das Sein selbst). Es ergeben sich nun Fragen, etwa wie denn das Verhältnis der göttlichen Barmherzigkeit und dem Jenseits in Bezug auf das “Purgatorium” sei; erstaunlicherweise sieht Thomas hier die Gerechtigkeit als bestimmend an. Zweifellos für uns heute wenig befriedigend. Wie steht es nun in den beiden eschatologischen Finalzuständen, Himmel und Hölle? Schulze bleibt hier kritisch: “Die Barmherzigkeitstheologie des Thomas von Aquin in den eschatologischen Ausführungen zur Hölle wirkt inkohärent und aufs Ganze gesehen wenig überzeugend.”

Zur göttlichen Barmherzigkeit in Bezug auf das Erlösungsgeschehen in Christus stellt sich das Ganze anders dar; denn gerade, indem Gott für uns Mensch wurde und für uns an unserer Stelle und zu unseren Gunsten Genugtuung für unsere Sünden geleistet hat, hat Gott seine unendliche Barmherzigkeit kundgetan. Nun ist Gottesverehrung vielmehr etwas, das gerade eben Seine Barmherzigkeit dem Menschen zutraut und gewährt. Gottes Weisheit sieht, wie sehr der Mensch darauf angewiesen ist, um Orientierung, Halt und Heilsgewissheit zu finden.

Dabei sind auch Kult und Verherrlichung ein Werk der Gnade nicht um Gottes willen, sondern um unseretwillen und um unserer Nächsten willen. Das heißt: Gottesverehrung ganz allgemein und im Gottmenschen Jesus Christus ganz besonders ist Heilsgeschehen am Menschen und für den Menschen.

Schulze analysiert nun die menschliche Barmherzigkeit, die gleichsam zweigeteilt ist, es gibt eine Seite, die eher dunkel ist, innerlich, und eine, die nach außen drängt - vorwiegend kraftvoll und hell, die eben fremder Not Abhilfe schaffen will. Das reine helle reicht nicht, denn auch die dunkle Seite muss beteiligt sein, gemeint ist die schmerzliche Betroffenheit durch die Not eines anderen, als ob es sein eigenes wäre. Sonst würde man hochmütig durchs Leben gehe; jeder Leidende sei für sein Schicksal selber verantwortlich. Also lauert die Gefahr der Verhärtung des Herzens, der Herzenskälte.

Wie lässt sich das nun auf Gottes Barmherzigkeit übertragen? Kennt denn Gott Traurigkeit, also Schwäche gleichsam, oder Schmerz?. Nein, Thomas schließt dies mit Gottes Wesen aus, denn diese beiden Dinge beziehen sich auf Körperlichkeit/Sinnlichkeit und auf ein zeitlich ablaufendes Geschehen, das sich verändert. Beides trifft auf Gott nicht zu und: Gott muss die Liebe nicht suchen, Gott ist die Liebe. Gott ist von der Wurzel seines Seins her angetan von seinen Geschöpfen und deren Ergehen.

Schulze ist überzeugt davon, dass der Aquinate hier von sehr vielen Interpreten falsch gelesen worden ist und zu Unrecht Gott das Mitleiden gleichsam abgesprochen hat.

Im zweiten Beitrag vom Bittgebet als Beitrag zur Vollendung der Schöpfung ist für Schulze klar, warum gerade das Bittgebet so stark im christlichen Gebetsleben so wichtig sind: weil Gott und Mensch je in ihrem Eigenen geachtet und beachtet werden. Im Gegenteil - nach Durchsicht von Thomas ist es ein Ausdruck menschlicher Würde und keineswegs Zeichen von Armut und Schande sowie infantiler Unbelehrsamkeit.

Der zweite Teil “Christus” beginnt mit dem Aufsatz Christus als universaler Heilslehrer. Schulze geht hier mit Thomas der immer wieder gestellten Frage nach, warum Jesus gerade den Juden (unbeschadet der Vorrechte Israels) und nicht auch Heiden die Verkündigung gebracht hat sowie die Regionalität Jesu thematisiert. Für Schulze ist es aber klar, dass Thomas auch für die Menschen vor Christi Geburt und außerhalb des Alten Testaments die grundsätzliche Christusbefähigung als universalen Heilslehrer ausgesagt hat.

Im Beitrag Das Priestertum Jesus Christi nach Thomas erläutert Schulze die christologische Position von Anselm von Canterbury, nämlich Ehre und Genugtuung. Für Thomas aber ist es das zentrale seiner Christologie aber die Lehre vom Sacerdotium Christi - so Schulze. Das bedeutet, dass Christus der einzige Priester ist, der nicht auch für sich geopfert hat (wie die Priester im AT), sondern gänzlich für die anderen; dies ist ein einzigartiges sühnendes Heilsereignis, denn er hat sich nur für die andern geopfert, nicht für sich selber.

Die Priester der Kirche reichen nun den Menschen neu die eine Opfergabe die der Erlöser dargebracht hat und bleibend ist, als Opfergabe für die Sünde (zur Versöhnung) und als Friedopfer, welches das geschenkte Heil bewahren und weiter entfalten hilft.

Der dritte Teil “Sakramente” beschäftigt sich zunächst mit dem  Sakrament der Firmung. Da sich ganz besonders die Firmung von seiner Beziehung zur Taufe her verstehen lässt, so ist Schulze der Ansicht, dass sie bislang nicht die Würdigung erfahren hat, die sie verdient hätte. Thomas’ Ansatz ist anthropologisch und diesem Ansatz folgt Schulze, denn das geistige Leben weist gewisse Übereinstimmungen mit dem körperlichen auf wie das Körperliche mit dem Geistigen. Die Schlussfolgerung Schulzes: “Das also hat das sacramentum confirmationis im Auge: Das Nehmen der Schwelle vom grundlegend kindlichen zum vollbewusst-eigenständigen Leben des Glaubens und der gnadenhaft grundlegenden Gottesbeziehung.”

Im nächsten Aufsatz zur Schönheit des priesterlichen Amtes, zeigt Schulze, dass das geweihte Amt das ureigenste Amt für Thomas ist. Der ordinierte Diener der Kirche hat das Schenken Gottes selbst zur Aufgabe “vor allem durch die Feier und Ausspendung der Sakramente”. Aber warum schön? Weil Gott schön genannt wird, und zwar “als Ursache des Einklangs und Glanzes aller Dinge”, wobei sich selbst zwei in sich verschiedene Dimensionen zu lebendiger Einheit verbinden können, Schönheit als die Versöhntheit von Unterschieden, und zwar als “versöhnte Schönheit” innerhalb der Kirche zwischen Ordinierten und Nichtordinierten - und so in Einklang kommt, dass die einen für die anderen das sind, was sie sind. Also ist Priestertum der dienende “Hinweis auf die in Gnade und Glauben ‘versöhnte Verschiedenheit’ zwischen Gott und Mensch und damit Quelle sich mitteilender Schönheit”.

Der Aufsatz Zur theologischen Sinnbestimmung von Ehe und Familie bei Thomas von Aquin beginnt mit dem Hinweis von Schulze Thomas nicht als Frauenfeind zu sehen, sondern die Quellen genauer zu studieren, und es gilt den Blick freizumachen für die anregende Schönheit seiner Theologie der partnerschaftlichen Liebe und der ehelichen Fruchtbarkeit. Für den hl. Thomas ist klar: “Die Frau realisiert und verkörpert das Wesen des Menschlichen wie der Mann.” Sie ist genauso vernunftbegabt, mit der Anlage zu Abstraktion dem Vermögen zu Reflexion und zur freien Selbstbestimmung, zu lachen etc. Die Frau entstammt nicht göttlicher Laune, “sondern seiner Vorsehung” (also noch vor Sündenfall und Erbschuld!); d.h. die Frau ist “gottgewollt” und “unmittelbar von Gott erschaffen”. Schöpfungstheologisch ist der Mann der Frau nicht übergeordnet, sonst wäre das auch der Lehm dem Mann, den aus jenem wurde dieser erschaffen.

Für Thomas steht die Partnerschaft in der Mitte seiner Eheauffassung und nicht die Elternschaft, sonst wäre die Vielehe sinnvoller. Dass der erste Zweck eben der Nachwuchs ist, ist für Thomas gerade nicht die Ehe als spezifisch menschliche und christliche Einrichtung, sondern nur als animalisch-biologische Größe.

Die Ungleichheit von Mann und Frau gibt es bei Thomas im Wesentlichen im Hinblick auf soziale und soziologische Aspekte - im weltlichen wie kirchlichen; so kann der Frau nicht das Sakrament der Priesterweihe gespendet werden. Allerdings gibt es Schriften mit “Ausnahmen” (nicht in Bezug auf die Priesterweihe), wo Ehegattinnen ihr Recht auf das in die Ehe eingebrachte Gut zugestanden wird o.ä. Keineswegs hat die Gattin eine Art Sklavenfunktion. Mann und Frau sind einander fürsorglich verpflichtet. Zum Thema “Amoris laetitia” gibt Schulze keine der Parteien, die hier Thomas für sich in Anspruch nehmen wollen, recht, weil sich bei Thomas dazu keine unbezweifelbar sichere Stellungnahme findet.

Im vierten Teil “Ewiges Leben” beschäftigt sich Schulze mit dem Thema: Ist unmittelbare Anschauung Gottes dem Menschen möglich?

Schulze fragt sich in diesem Artikel, ob Thomas sich selbst widerspricht, indem er einmal behauptet, dass die unmittelbare Anschauung Gottes dem Menschen möglich ist und einmal nicht; dies wurde - so Schulze bis ins 19. Jahrhundert dadurch aufgelöst, dass man meinte, dass es nur möglich ist durch eine “besondere übernatürliche Hilfe des gnädigen Gottes”, aber die menschliche Seele es von sich aus nicht kann.

Im Gegensatz zu einführenden Büchern über Thomas von Aquin wird der Leser bei Schulze direkt mit seinen Aussagen zu bestimmten Themen konfrontiert, was die Lektüre nicht einfach macht, lohnend aber wohl. Dabei ist sicher die eine oder andere sprachliche wie gedankliche Hürde zu nehmen, aber die Aufsätze erlauben einem theologisch interessierten Leser Einblicke in ein gedankliches Universum von nahezu unvorstellbarem Ausmaß - geschrieben von einem Mann, der nicht einmal 50 Jahre alt wurde. Vor dem Ende seines Lebens hörte der hl. Thomas übrigens bewusst auf zu schreiben, weil es ihm widerstrebte: “Alles, was ich geschrieben habe, erscheint mir wie Stroh - verglichen mit dem, was ich geschaut habe und was mir offenbart worden ist.”

 

Markus Schulze:

Glaube und Heil. Thomas von Aquin für heute; zum 60. Geburtstag des Verfassers / hrsg. Von George Augustin und Ingo Proft. - Freiburg im Breisgau : Herder, 2020. € 32,90.

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