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24.10.2024 · Glaube · Papst Franziskus

Papst Franziskus veröffentlicht sein geistliches Vermächtnis

'Er hat uns geliebt' ('Dilexit nos')

 

Zum vierten Mal in seinem bisher fast zwölfjährigen Pontifikat veröffentlicht Franziskus eine Enzyklika. In "Dilexit nos" geht es um die tiefsten Quellen seines Glaubens und des Engagements für eine solidarische Welt.

Unter dem Titel "Er hat uns geliebt" ("Dilexit nos") hat Papst Franziskus am Donnerstag sein viertes päpstliches Lehrschreiben veröffentlicht. In dem in fünf Kapitel gegliederten Text der Enzyklika, die in Kirchenkreisen als "geistliches Testament" des 87-Jährigen bezeichnet wird, erklärt der Papst, aus welchen Quellen er seinen Glauben und sein Engagement für eine solidarische Welt schöpft.

 

Franziskus geht dabei von einer Erneuerung der Herz-Jesu-Frömmigkeit aus, die die unmittelbare Erfahrung der Liebe Jesu als Quelle des Glaubens und der tätigen Nächstenliebe betont, und verweist auf deren gemeinschaftliche, soziale und missionarische Dimension. "Wenn unser Herz mit dem Herzen Christi vereint ist, ist es zu diesem sozialen Wunder fähig", hält der Papst unter anderem fest. "Das Herz ernst zu nehmen hat soziale Konsequenzen."

 

Wörtlich schreibt der Papst: "Wenn wir aus dieser Liebe schöpfen, werden wir fähig, geschwisterliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zusammen für unser gemeinsames Haus Sorge zu tragen." Sehr kritisch setzt sich Franziskus mit der gegenwärtigen geistigen Verfassung der Welt auseinander und ruft die Kirche dazu auf, die Liebe wieder als den eigentlichen Kern der christlichen Botschaft zu verkünden und zu leben.

 

Die Konsumgesellschaft als abartiges Räderwerk

Dazu heißt es am Ende der Enzyklika: "Heute ist alles käuflich und bezahlbar, und es scheint, dass Sinn und Würde von Dingen abhängen, die man durch die Macht des Geldes erwirbt. Wir werden getrieben, nur anzuhäufen, zu konsumieren und uns abzulenken, gefangen in einem entwürdigenden System, das uns nicht erlaubt, über unsere unmittelbaren und armseligen Bedürfnisse hinauszusehen. Die Liebe Christi steht außerhalb dieses abartigen Räderwerks, und er allein kann uns von diesem Fieber befreien (...). Er ist in der Lage, dieser Erde ein Herz zu verleihen und die Liebe neu zu beleben, wo wir meinen, die Fähigkeit zu lieben sei für immer tot."

 

Auch die Kirche brauche die Konzentration auf die Liebe Christi, damit nicht an deren Stelle "vergängliche Strukturen, Zwangsvorstellungen vergangener Zeiten, Anbetung der eigenen Gesinnung oder Fanatismus aller Art treten", so der Papst in der Enzyklika. Vielmehr sei es sei die bedingungslose Liebe Gottes, "die befreit, belebt, das Herz erfreut und die Gemeinschaften nährt".

 

Franziskus mahnt die Kirche, sich nicht in Ritualen und nebensächlichen Debatten zu verlieren, sondern sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Er schreibt: "Das christliche Lebensmodell ist attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt und zum Ausdruck gebracht werden kann: nicht als bloße Zuflucht in religiöse Empfindungen oder in prunkvolle Rituale. Was wäre das für ein Dienst an Christus, wenn wir uns mit einer individuellen Beziehung begnügen würden, ohne Interesse daran, den anderen zu helfen, so dass sie weniger leiden und besser leben?"

 

Keine Zeit für Debatten über Zweitrangiges

Der Papst erklärt weiter, Menschen, die die Liebe Christi erfahren hätten, könnten nicht anders, als "diese Liebe weiterzugeben, die ihr Leben verändert hat". Sie wollten nicht "Zeit mit Diskussionen über zweitrangige Themen verlieren oder damit, Wahrheiten und Regeln aufzuerlegen, denn ihr Hauptanliegen ist es, das weiterzugeben, was sie erleben".

 

In dem streckenweise sehr persönlich geschriebenen Text schreibt der Papst auch über eigene Erfahrungen aus seiner Kindheit. Zugleich geht er ausführlich auf das reiche religiöse Erbe der Herz-Jesu-Frömmigkeit ein, die vom 18. bis ins 20. Jahrhundert von Frankreich ausgehend weite Teile der katholischen Kirche prägte. Nicht zuletzt in Tirol entwickelte sich ein bis heute gelebtes vielfältiges Brauchtum mit Herz-Jesu-Feuern, Umzügen und Prozessionen.

 

Gesamter Wortlaut der Enzyklika in deutscher Sprache abrufbar auf der Vatikan-Website unter: https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2024/10/24/0820/01635.html#de

 

 

Wichtige Testpassagen in der deutschen Übersetzung des Vatikans:

 

9. In dieser flüssigen Welt ist es notwendig, wieder vom Herzen zu sprechen, als dem Ort, wo in jedem Menschen, gleich welcher Herkunft und Lebensbedingung, alles zusammenkommt, wo all die anderen Kräfte, Überzeugungen, Leidenschaften und Entscheidungen der konkreten Menschen entspringen und verwurzelt sind. Aber wir bewegen uns in Gesellschaft von Serienkonsumenten, die in den Tag hineinleben und von den Rhythmen und dem Lärm der Technologie beherrscht werden, ohne viel Geduld für die Prozesse, die die Innerlichkeit erfordert. In der heutigen Gesellschaft läuft der Mensch "Gefahr, den Mittelpunkt, seine eigene Mitte zu verlieren" (...) Es fehlt das Herz.

 

17. (...) Das Anti-Herz ist eine Gesellschaft, die zunehmend von Narzissmus und Selbstbezogenheit beherrscht wird. Schließlich kommt es zum "Verlust der Sehnsucht", weil der andere aus dem Blickfeld gerät und wir uns in uns selbst verschließen, ohne die Fähigkeit zu gesunden Beziehungen. Infolgedessen werden wir unfähig, Gott anzunehmen.(...)

 

28. Nur vom Herzen her werden unsere Gemeinschaften in der Lage sein, die verschiedenen Einsichten und Willen zu vereinen und zu befrieden, auf dass der Geist uns als ein Netz von Brüdern und Schwestern leiten kann, denn auch die Befriedung ist eine Aufgabe des Herzens. Das Herz Christi ist Ekstase, ist Hinausgehen, Geschenk und Begegnung. In ihm werden wir fähig, auf gesunde und glückliche Weise miteinander in Beziehung zu treten und in dieser Welt das Reich der Liebe und der Gerechtigkeit aufzubauen. Wenn unser Herz mit dem Herzen Christi vereint ist, ist es zu diesem sozialen Wunder fähig.

 

29. Das Herz ernst zu nehmen, hat soziale Konsequenzen. Wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, müssen wir alle "uns wandeln in unserer Gesinnung und müssen die ganze Welt und jene Aufgaben in den Blick bekommen, die wir alle zusammen zum Fortschritt der Menschheit auf uns nehmen können". Denn "in Wahrheit hängen die Störungen des Gleichgewichts, an denen die moderne Welt leidet, mit jener tiefer liegenden Störung des Gleichgewichts zusammen, die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat". (...)

 

31. (...) Vor dem Herzen Christi bitte ich den Herrn, noch einmal Erbarmen zu haben mit dieser verwundeten Erde, die er als einer von uns bewohnen wollte. Möge er die Schätze seines Lichts und seiner Liebe ausschütten, damit unsere Welt, die inmitten von Kriegen, sozioökonomischen Ungleichgewichten, Konsumismus und dem menschenfeindlichen Einsatz von Technologie überlebt, das Wichtigste und Nötigste wiederfindet: das Herz.

 

46. All dies mag bei oberflächlicher Betrachtung als religiöser Romantizismus erscheinen. Es geht jedoch um etwas äußerst Ernstes und Entscheidendes, das seinen höchsten Ausdruck in dem an ein Kreuz genagelten Christus findet. Dies ist das vielsagendste Wort der Liebe. Es ist keine leere Hülle, es ist kein reines Gefühl, es ist keine spirituelle Flucht. Es ist Liebe. (...)

 

48. Die Verehrung des Herzens Christi ist nicht ein von der Person Jesu losgelöster Kult um ein Organ. Das, was wir betrachten und anbeten, ist der ganze Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, dargestellt in einem Bild, das sein Herz besonders betont. In diesem Fall wird das fleischliche Herz als Bild oder bevorzugtes Zeichen der innersten Mitte des menschgewordenen Sohnes und seiner sowohl göttlichen als auch menschlichen Liebe betrachtet (...)

 

88. Ich möchte hinzufügen, dass das Herz Christi uns gleichzeitig von einem anderen Dualismus befreit: dem der Gemeinschaften und Hirten, die sich nur auf äußere Aktivitäten konzentrieren, auf strukturelle Reformen, die nichts mit dem Evangelium zu tun haben, auf zwanghaftes Organisieren, auf weltliche Projekte, auf säkularisiertes Denken, auf verschiedene Vorschläge, die als Erfordernisse dargestellt werden und die man bisweilen allen aufdrängen will. Das Ergebnis ist oft ein Christentum, das die Zartheit des Glaubens, die Freude hingebungsvollen Dienstes, den Eifer für die Mission von Mensch zu Mensch, das Überwältigtsein von der Schönheit Christi, die emotionale Dankbarkeit für die Freundschaft, die er anbietet, und den letzten Sinn, den er dem persönlichen Leben gibt, vergessen hat. (...)

 

167. Wir müssen zum Wort Gottes zurückkehren, um einzusehen, dass die beste Antwort auf die Liebe seines Herzens die Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern ist; es gibt keine größere Geste, die wir ihm anbieten können, um seine Liebe mit Liebe zu erwidern. (...)

 

205. Das christliche Lebensmodell ist attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt und zum Ausdruck gebracht werden kann: nicht als bloße Zuflucht in religiöse Empfindungen oder in prunkvolle Rituale. Was wäre das für ein Dienst an Christus, wenn wir uns mit einer individuellen Beziehung begnügen würden, ohne Interesse daran, den anderen zu helfen, so dass sie weniger leiden und besser leben? (...)

 

208. (...) Im Licht des Heiligsten Herzens wird die Mission zu einer Frage der Liebe, und die größte Gefahr bei dieser Mission besteht darin, dass viele Dinge gesagt und getan werden, es aber nicht gelingt, die glückliche Begegnung mit der umarmenden und rettenden Liebe Christi herbeizuführen.

 

209. Die Mission, verstanden als ein Ausstrahlen der Liebe des Herzens Christi, erfordert liebende Missionare, die sich immer noch von Christus einnehmen lassen und die nicht anders können, als diese Liebe weiterzugeben, die ihr Leben verändert hat. Daher schmerzt es sie, Zeit mit Diskussionen über zweitrangige Themen zu verlieren oder damit, Wahrheiten und Regeln aufzuerlegen, denn ihr Hauptanliegen ist es, das weiterzugeben, was sie erleben (...)

 

217. Die Aussagen dieses Dokumentes lassen uns entdecken, dass das, was in den Sozialenzykliken Laudato si' und Fratelli tutti geschrieben steht, unserer Begegnung mit der Liebe Jesu Christi nicht fremd ist. Denn, wenn wir aus dieser Liebe schöpfen, werden wir fähig, geschwisterliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zusammen für unser gemeinsames Haus Sorge zu tragen.

 

218. Heute ist alles käuflich und bezahlbar, und es scheint, dass Sinn und Würde von Dingen abhängen, die man durch die Macht des Geldes erwirbt. Wir werden getrieben, nur anzuhäufen, zu konsumieren und uns abzulenken, gefangen in einem entwürdigenden System, das uns nicht erlaubt, über unsere unmittelbaren und armseligen Bedürfnisse hinauszusehen. Die Liebe Christi steht außerhalb dieses abartigen Räderwerks, und er allein kann uns von diesem Fieber befreien, in dem es keinen Platz mehr für eine bedingungslose Liebe gibt. Er ist in der Lage, dieser Erde ein Herz zu verleihen und die Liebe neu zu beleben, wo wir meinen, die Fähigkeit zu lieben sei für immer tot.

 

219. Das hat auch die Kirche nötig, damit nicht an die Stelle der Liebe Christi vergängliche Strukturen, Zwangsvorstellungen vergangener Zeiten, Anbetung der eigenen Gesinnung oder Fanatismus aller Art treten, die schließlich den Platz der bedingungslosen Liebe Gottes einnehmen, die befreit, belebt, das Herz erfreut und die Gemeinschaften nährt. (...) Nur seine Liebe wird eine neue Menschheit ermöglichen.

 

220. Ich bete zu Jesus, dem Herrn, dass aus seinem heiligsten Herzen für uns alle Ströme lebendigen Wassers fließen, um die Wunden zu heilen, die wir selbst uns zufügen, um unsere Fähigkeit zur Liebe und zum Dienen zu stärken, um uns anzutreiben, zu lernen, gemeinsam auf eine gerechte, solidarische und geschwisterliche Welt hinzuarbeiten. (...)

erstellt von: red/kathpress
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Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 5.12. 2025

Die Gemeinschaft Cenacolo lädt zum lebendigen Krippenspiel ein

Die Gemeinschaft Cenacolo lädt alle zu einem besonderen Krippenspiel ein  – einer lebendigen Darstellung der Geburt Jesu mit selbstgebauten Kulissen, handgefertigten Kostümen und zwei echten Eseln.

 

Festmonat Dezember: Zwischen Kirschzweigen und Konsumrausch

Advent- der Inbegriff von Spannung zwischen Sehnsucht nach Innerlichkeit und angespannter Betriebsamkeit. Heiligenfeste bieten Kontrapunkte,

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Papst Leo XIV. sieht den Reformprozess der deutschen Kirche noch nicht am Ziel. Beim Rückflug aus dem Libanon mahnte er mehr innerdeutschen Dialog an – und warnte vor Machtgefällen, die Stimmen vieler Gläubiger zum Verstummen bringen könnten. Vielfalt in der Synodalität sei kein Bruch, sondern Stärke.

Grünwidl: Kirche und Medien teilen Verantwortung für Wahrheit

Kirche und Medien tragen gemeinsam Verantwortung für Wahrheit, betonte der designierte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl bei der Adventbegegnung mit ORF-Mitarbeitern.

Bürgermeister Ludwig: Bibelerzählung von Sturm am See „Anleitung für Politiker“

Herausforderungen mit kühlem Kopf zu meistern und die Nerven nicht wegzuschmeißen, könne man von der Bibel lernen, so der Wiener Bürgermeister bei der „Nacht der Stille“ im Stephansdom.

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