Der Innsbrucker Sozialethiker Wolfgang Palaver sprach an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät über die religiösen Denkfiguren des US-Milliardärs Peter Thiel. Begriffe wie „Antichrist“ und „Katechon“ prägen Thiels politische Vision – und fordern die Theologie heraus, sich in die Debatte einzumischen.
Die Wiener Katholisch-Theologische Fakultät bot am Dienstagabend einen intellektuellen Spannungsbogen, der kaum aktueller sein könnte: Unter dem Titel „Peter Thiel und der Antichrist“ referierte der Innsbrucker Sozialethiker Wolfgang Palaver über die religiösen und politischen Denkfiguren des US-Tech-Milliardärs. Der bis auf den letzten Platz gefüllte Franz-König-Hörsaal zeigte: Die Frage, warum ein libertärer Investor auf apokalyptische Begriffe wie „Antichrist“ und „Katechon“ zurückgreift, fasziniert.
Palaver zeichnete das Bild eines Mannes, der sich als „heterodoxer evangelikaler Christ“ versteht, zugleich aber zentrale Dimensionen des Christentums – Caritas, Soziallehre, Mystik – ausblendet. Thiel nutzt Theologie selektiv, um sein libertäres Programm zu stützen und Einfluss auf die US-Politik auszuüben. So sieht er den „Antichristen“ dort am Werk, wo sich globale Regime formieren – etwa bei den Vereinten Nationen oder Persönlichkeiten wie Greta Thunberg und KI-Kritiker Eliezer Yudkowsky. Als Gegenfigur setzt Thiel auf den „Katechon“, den „Aufhalter“ aus dem Zweiten Thessalonicherbrief – für ihn verkörpert durch Donald Trump oder James David Vance.
Palavers zentrale These: Diese Denkfiguren nicht ernst zu nehmen, wäre ein Fehler. Denn sie prägen politische Strategien und kulturelle Narrative. Theologische Kritik könne hier korrigierend wirken – auch gegenüber Thiels selektiver Lesart von René Girard, dessen mimetische Theorie Palaver seit Jahrzehnten erforscht.
Die Debatte berührt eine Grundfrage: Wer gestaltet die religiösen Deutungen unserer Zeit? Palaver warnt: „Wenn wir Theologinnen und Theologen uns nicht einmischen, übernehmen die Tech-Bros.“ Der Vortrag war eingebettet in ein Seminarprogramm, das am Mittwoch mit einem Workshop zu „Politik, Religion und KI-Kapitalismus bei Peter Thiel“ fortgesetzt wurde. Die Gesamtkoordination lag bei Prof. Alexander Filipović, Fachbereich Sozialethik.