Metropolit Hilarion Alfejew, Kardinal Christoph Schönborn und Kardinal Kurt Koch bei der Pressekonferenz im Wiener Erzbischöflichen Palais vor dem Symposium.
Metropolit Hilarion Alfejew, Kardinal Christoph Schönborn und Kardinal Kurt Koch bei der Pressekonferenz im Wiener Erzbischöflichen Palais vor dem Symposium.
Tagung zeigt gemeinsame Verantwortung der Kirchen für Christen im Nahen Osten auf.
Es braucht endlich den Willen zum Frieden in Syrien. Und es ist eigentlich unvorstellbar, dass es diesen politischen Willen angesichts des Leides der Bevölkerung immer noch nicht gibt." - Mit diesen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn als Gastgeber die Positionen der Teilnehmer eines ökumenischen Symposions am Montagnachmittag, 12. Februar 2018 im Wiener Erzbischöflichen Palais zusammengefasst.
Das Symposion fand aus Anlass des zweiten Jahrestag des historischen Treffens zwischen Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. auf Kuba statt. Inhaltlich stand ein wesentlicher Aspekt der damaligen gemeinsamen Erklärung von Papst und Patriarch im Mittelpunkt der Tagung: Der Einsatz für die verfolgten Christen im Nahen Osten.
Hauptreferenten waren Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, und Metropolit Hilarion, der frühere russisch-orthodoxe Bischof von Wien und nunmehrige Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats. Aber auch Bischöfe aus dem Nahen Osten kamen in Wien zu Wort.
Die Not der Christen im Nahen Osten dürfte für Patriarch Kyrill wohl einer der Hauptgründe gewesen sein, dass er vor gut zwei Jahren die Zeit für ein Treffen mit dem Papst für reif erachtet hatte, sagte Kardinal Koch in seinen Ausführungen. Einen Nahen Osten ohne Christen könne und dürfe man sich nicht vorstellen, so der Kardinal. Das wäre nicht nur ein unvorstellbarer religiöser und kultureller Verlust, die Präsenz der Christen sei darüber hinaus für den Frieden und die Stabilität in der Region unverzichtbar. Die Christen im Nahen Osten müssten "Handwerker des Friedens" sein und zur nationalen Versöhnung beitragen, forderte Kardinal Koch. Das gehe freilich nur, wenn die Kirchen untereinander zusammenarbeiten.
Die Christen im Orient würden ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche einfach deshalb verfolgt, weil sie Christen seien, unterstrich Koch. Er sprach von einer "Ökumene der Märtyrer", die die Kirchen eigentlich einander viel näher bringen müsste.
Der armenisch-apostolische Bischof Armash Nalbandian verdeutlichte die dramatische Situation in Syrien mit einigen Zahlen. So seien im Krieg bisher 200 Kirchen und 1.800 Moscheen zerstört worden. Bis zu 60 Prozent der Christen im Land hätten ihr Heim verloren. Für seine eigene armenische Kirche benannte Nalbandian 200 Tote, 450 Verletzte und 1.200 zerstörte Häuser. 120 armenische Christen seien entführt worden, 3.000 christliche Geschäfte und Betriebe, 17 Kirchen und 20 Schulen sowie 15 weitere Einrichtungen wie Waisenhäuser oder Krankenhäuser wurden zerstört.
Nalbandian hat seinen Bischofssitz in der syrischen Hauptstadt Damaskus, nur rund 500 Meter entfernt von der nach wie vor vorhandenen Frontlinie zwischen Regierungsgebiet und von Rebellen besetzten Vierteln. In den vergangenen zwei Wochen hätten die Christen in Damaskus wieder sehr unter dem Beschuss dieser sogenannten "Rebellen" zu leiden gehabt, berichtete der armenische Bischof. Bis zu 70 Raketen seien jeden Tag niedergegangen. Zahlreiche Menschen seien ums Leben gekommen, darunter auch Kinder.
"Manchmal fühlen wir uns von der Politik aber auch unseren Geschwisterkirchen im Westen völlig vergessen", so der Bischof wörtlich. Jede Hilfe, die ankommt, sei hingegen für die Menschen vor Ort ein "Zeichen der Hoffnung".
Bischof Joseph Mouawad von der Maronitischen Kirche sprach die dramatische humanitäre Situation im Libanon an. Das kleine Land müsse bei einer eigenen Bevölkerung von rund vier Millionen bis zu zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien (und hunderttausende weitere aus Palästina) beherbergen und unterstützten. Das sei kaum noch zu bewältigen. Er hoffe sehr, so der Bischof, dass die Syrer bald wieder in ihre Heimat zurückkehren können, denn die Wirtschaft und Infrastruktur im Libanon seien am Ende. Der Nahe Osten braucht eine große politische Lösung, so der Bischof. Nur mit gleichen Bürgerrechten für alle Bewohner und mit Religionsfreiheit können die Region in eine positive Zukunft gehen, zeigte sich Mouawad überzeugt.
Kardinal Schönborn würdigte in seinen Worten u.a. die Hilfe der russischen Kirche wie auch des russischen Staates für die Christen in der Region. Er wisse aus vielen Begegnungen, dass sich viele Christen vor Ort vom Westen vergessen und verlassen fühlten. Die russisch-orthodoxe Kirche hingegen helfe.
Der Kardinal erinnerte aber auch an den Aufruf von Papst Franziskus 2013, für ein Ende des Syrien-Krieges zu beten und zu fasten. Dieser Appell habe u.a. auch dazu geführt, dass einige geplante Bombardements nicht durchgeführt wurden. Es sei freilich eine Tragödie, dass der Krieg noch immer nicht zu einem Ende gekommen ist.
An dem Symposion im Wiener Erzbischöflichen Palais nahmen Vertreter zahlreicher Kirchen aus dem In- und Ausland teil; aus Österreich u.a. auch der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) und der lutherische Bischof Michael Bünker; weiters auch der neue für Österreich zuständige russisch-orthodoxe Erzbischof Antonij (Sevrjuk) und der syrisch-orthodoxe Metropolit Mar Dionysios Isa Gürbüz. Grußworte kamen vom russischen Botschafter in Österreich, Dmitrij Ljubinskij, sowie dem Präsidenten des katholischen Hilfswerks Kirche in Not, Johannes Heereman.
Ein Papstbesuch in Russland ist derzeit kein Thema und dürfte es auch in absehbarer Zukunft nicht sein. Das geht aus einer am Montagnachmittag im Wiener Erzbischöflichen Palais kurzfristig abgehaltenen Pressekonferenz von Metropolit Hilarion (Alfejew) und Kardinal Kurt Koch hervor. Weder der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats noch der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates konnten diesbezüglich neue Entwicklungen berichten. Die Beziehungen zwischen der orthodoxen und katholischen Kirche würden sich zwar gut entwickeln, könnten und dürften aber auch nicht über die Maßen beschleunigt werden, so Metropolit Hilarion.
Die Pressekonferenz fand im Vorfeld eines ökumenischen Symposions aus Anlass des zweiten Jahrestag des historischen Treffens zwischen Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. auf Kuba statt. Sowohl der orthodoxe Metropolit wie auch der katholische Kardinal würdigten das damalige Treffen. Es sei von einer historischen Bedeutung und ein wesentlicher ökumenischer Schritt gewesen, so Koch.
Die Entscheidung zum Treffen in Havanna sei laut Hilarion einzig jene von Patriarch Kyrill und Papst Franziskus gewesen. Deshalb werde es auch "allein in der Entscheidung der beiden liegen, ob, wann und wo es ein weiteres Treffen geben wird".
Als bedeutenden ökumenischen Schritt zwischen katholischer und russischer orthodoxer Kirche nannte Kardinal Koch den zeitweiligen Transfer der Reliquien des heiligen Nikolaus. Insgesamt fast 2,5 Millionen Pilger hatten im vergangenen Sommer in Moskau und St. Petersburg die aus Bari gebrachten Reliquien besucht und verehrt. Damit seien auch die Gläubigen in den ökumenischen Austausch zwischen den Kirchen miteinbezogen worden. Es nütze nämlich nichts, wenn sich die Kirchenleitungen näher kommen, diese Schritte an der Kirchenbasis aber nicht mitvollzogen würden, so Koch.
Der Kurienkardinal nahm am Rande der Pressekonferenz u.a. auch zum offiziellen katholisch-orthodoxen Dialog Stellung. Derzeit arbeite man an einem gemeinsamen Verständnis von Synodalität und Primat in der Kirche des ersten Jahrtausends. Ziel müsse freilich ein gemeinsames Verständnis für das 3. Jahrtausend sein, so der vatikanische Ökumene-Minister. Dabei dürfe es nicht um einen Kompromiss bzw. den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen. Die Orthodoxie müsse ihr Prinzip der Synodalität und die katholische Kirche ihr Prinzip des Primats einbringen. Die Stärken beider Prinzipien müssten zusammengedacht werden, erläuterte der Kardinal.
Über das Ziel der Ökumene seien sich die orthodoxe und die katholische Kirche sehr nahe, führte Kardinal Koch weiter aus. Beide Kirchen strebten die sichtbare Einheit in Glaube, Sakramenten und kirchlichen Ämtern an. Bei den reformierten Kirchen sie dies nicht in gleicher Weise der Fall. Gemeinsame Ziele seien aber wichtig, "denn wenn man nicht weiß, wohin man gehen will, ist es schwierig, den nächsten Schritt zu setzen".
Andererseits wiederum müsse man auch einräumen: "Mit den Orthodoxen haben wir sehr viel im Glauben gemein, aber eine andere Kultur. Mit den Protestanten teilen wir nicht so viel im Glauben, haben aber die gleiche Kultur." Das habe auch Auswirkungen auf die konkret gelebte Ökumene, die sich im "gemeinsam gehen, beten, und arbeiten" erweise, so der Kurienkardinal unter Bezugnahme auf gleichlautende Aussagen von Papst Franziskus.
Kardinal Christoph Schönborn, Gastgeber bei der Pressekonferenz und dem anschließenden Symposion, bezeichnete die Begegnung zwischen Papst und Patriarch in Havanna ebenfalls als "historisches Ereignis". Die Begegnung an sich sei schon eine deutliche Botschaft gewesen, denn: "The meeting was the massage", so der Kardinal. Große Symbolkraft komme dabei auch dem Ort des Treffens - Kuba - zu. Europa sei wohl zu sehr von konfliktbeladenen Altlasten geplagt und so hätten sich die beiden Kirchenoberhäupter für Kuba entschieden.
Damit sei auch deutlich geworden, dass sich die Schwerpunkte der Kirchen verlagern würden. So spreche die gemeinsame Erklärung von Havanna etwa vom starken religiösen Potenzial Lateinamerikas als Antwort auf die Herausforderung des Säkularismus.
Kardinal Schönborn verwies zudem auf ein Zitat von Papst Benedikt XVI. kurz vor dessen Rücktritt, wonach es in der Ökumene vor allem darum gehen müsse, aufeinander zu hören und voneinander zu lernen, "was es bedeutet, heute Christ zu sein".
Gemeinsam mit Metropolit Hilarion nahm der Wiener Erzbischof auch nochmals zum Konzert mir russischer geistlicher Musik am vergangenen Samstag im Wiener Konzerthaus Stellung. Es sei spürbar gewesen, "wie sehr Musik Brücken bauen kann", so Schönborn. Und Hilarion ergänzte, dass Musik eine universelle Sprache sei, die keine Übersetzung brauche und die Kirchen einander näher bringe. "Kulturelle Ökumene ist eine wesentlicher Beitrag zur Einheit", konstatierte Kurienkardinal Koch.