Dunkelziffern sprechen von jährlich 2,4 Millionen Menschen, die weltweit verkauft werden - unter ihnen sind 70 Prozent Frauen und Mädchen.
Dunkelziffern sprechen von jährlich 2,4 Millionen Menschen, die weltweit verkauft werden - unter ihnen sind 70 Prozent Frauen und Mädchen.
Begründerin der Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel", Sr. Schlackl, im "Sonntag"-Interview: "Körperlich und seelisch sind Frauen und Mädchen kaputt, wenn sie es bis in Schutzwohnung schaffen". Ordensfrau nimmt Politik wie gesamte Gesellschaft in die Pflicht.
Das schmutzige Geschäft des Menschenhandels ist auch in Österreich bittere Realität. Darauf hat die Linzer Ordensfrau Sr. Maria Schlackl im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" aufmerksam gemacht. "Wir müssen hinschauen, wo mitten unter uns Unfassbares passiert. Wenn Menschen entrechtet werden, können wir nicht schweigen", so der Appell Schlackls. Das Geschäft sei lukrativ. Bis zu 120.000 Euro verdiene ein Menschenhändler an einer Frau. Besonders erschreckend: "Es gibt auch Frauen, die ihre Kinder und Töchter verkaufen, oft aus finanzieller Not heraus, und Familienclans aus Osteuropa, die ihre Kinder in die Prostitution zwingen."
Menschenhandel passiere immer zum Zweck von Ausbeutung. Die häufigste Form sei die Zwangsprostitution, dann die Arbeitsausbeutung, vor allem von Männern in der Gastronomie, in der Landwirtschaft und in der Bauwirtschaft. Der dritte Bereich sei der Kinderhandel, der stark im Ansteigen sei, wobei bis 18-Jährige als Kinder gelten.
Die Frauen und Mädchen stünden immer unter Beobachtung und hätten Todesängste auszusagen, berichtete die Ordensfrau: "Die Opfer sind sehr stark eingeschüchtert, das macht die Verfolgung von Tätern so schwer. Körperlich und seelisch sind die Frauen und Mädchen kaputt, wenn sie es bis in die Schutzwohnung schaffen."
Die Ordensfrau forderte wesentlich mehr Aufklärungsarbeit, etwa in Schulen, aber auch darüber hinaus: "Wir müssen das herrschende Bild über das Rotlicht-Milieu verändern, in dem vorwiegend Frauen arbeiten müssen, die es nicht freiwillig tun und oft Opfer von Menschenhändlern sind. Der Freier hat in unserer Gesellschaft eine weiße Weste - als Familienvater, als Ehemann, als Chef. Das ist ein Desaster. Für die Frau ist es in den meisten Fällen Vergewaltigung, nicht lustvoll. Das wird aber nicht so wahrgenommen. Dadurch wird eine Frau in mehrfacher Hinsicht missbraucht." Und die Ordensfrau fügte hinzu: "Sexkauf hat mit gelebter Sexualität nichts zu tun. Das müssen schon junge Burschen lernen, um nicht gedankenlos zu Sexkäufern zu werden."
Schlackl nahm auch die Politik in die Pflicht. In Österreich vermisse sie bislang noch den öffentlichen Diskurs über Menschenhandel. Es brauche ein Gesetzesmodell, "das verhindert, dass Frauen als Ware hierher gebracht und sexuell ausgebeutet werden - und das ganz legal". In Österreich seien 8.000 Frauen "legal" in der Prostitution registriert, aber die Dunkelziffer scheine doppelt so hoch zu sein. Schlackl: "Bordelle sind von staatlicher Seite gebilligt und dort findet legal Vergewaltigung statt." So würden es die allermeisten Frauen empfinden. "Es wird derzeit nicht gefragt, wie es den Frauen geht. Es geht allein um die Befriedigung des Mannes. Auf die Frauen in Prostitution wird zugleich oft verächtlich geschaut. Zudem bleibt ihnen kaum etwas von dem Geld, das sie für ihre Zuhälter verdienen müssen."
Die Ordensfrau wies auch auf das sogenannte "Nordische Modell" hin, das zum Ziel hat, den Menschenhandel durch Sexkaufverbot einzudämmen. Das Modell sei vierstufig: "Aufklärung, dass Frauen keine Ware sind, zweitens werden Zuhälter und Freier kriminalisiert, drittens werden die betroffenen Frauen entkriminalisiert. Und viertens werden Ausstiegshilfen angeboten."
Freilich gehe es beim Menschenhandel nicht nur um Prostitution. Sr. Schlackl nannte auch ein ganz anderes Beispiel: "Überlegen wir, wenn wir Erdbeeren im Jänner aus Sizilien importieren. Dazu gibt es Berichte, dass Menschen in der Landwirtschaft als Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Unter Tags arbeiten die Frauen am Feld und am Abend werden sie in ihren Behausungen von Aufsehern vergewaltigt. Das passiert in der EU und das kann nicht sein! Darüber müssen wir informieren, unser Konsumverhalten überprüfen und Wirtschaft und Politik in die Pflicht nehmen."
Schwester Maria Schlackl gehört dem Orden der Salvatorianerinnen an und hat 2014 die Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel - aktiv für Menschenwürde in OÖ" gegründet. Die Initiative arbeitet u.a. eng mit dem Verein "Solwodi" (Solidarity with women in distress - Solidarität mit Frauen in Not), hinter dem einige Frauenorden stehen und der seit 2012 in Österreich aktiv ist. Die Ordensfrauen helfen betroffenen Frauen durch Beratung, Begleitung und Schutz - etwa durch anonyme Schutzwohnungen. Dazu kommt Bewusstseinsbildung.
Dunkelziffern sprechen von jährlich 2,4 Millionen Menschen, die weltweit verkauft werden - unter ihnen sind 70 Prozent Frauen und Mädchen. Österreichs Bischöfe hatten das grausame Thema bei ihrer diesjährigen Frühjahrsvollversammlung Anfang März auf die Agenda gesetzt und ebenfalls zum verstärkten Kampf gegen Menschenhandel aufgerufen.