Papst Franziskus hat in einem Interview mit dem Reuters-Korrespondenten Philip Pullela erneut über die heißen Eisen der Tagespolitik und seines Pontifikates gesprochen. Dabei ging er auf politische wie auf innerkirchliche Fragestellungen ein.
Papst Franziskus hat in einem Interview mit dem Reuters-Korrespondenten Philip Pullela erneut über die heißen Eisen der Tagespolitik und seines Pontifikates gesprochen. Dabei ging er auf politische wie auf innerkirchliche Fragestellungen ein.
Nicht "Psychosen erzeugen", was das Thema Immigration betrifft.
Papst Franziskus hat in einem langen Reuters-Interview am Mittwoch, 20. Juni 2018 die Trennung von Migrantenfamilien durch die jetzt in Kraft getretene Null-Toleranz-Politik der Trump-Regierung bei illegalen Einreisen aus Mexiko kritisiert. Er stehe in dieser Frage an der Seite der US-amerikanischen Bischofskonferenz, sagte Franziskus der Nachrichtenagentur Reuters in dem Exklusivinterview. Die Bischöfe hatten in ihrer Vollversammlung in Fort Lauderdale das Vorgehen der Regierung von Präsident Donald Trump als "in Widerspruch zu katholischen Werten" und "unmoralisch" verurteilt.
Zur Migrationsfrage sagte der Papst - diesmal mehr im Blick auf Europa - weiter, "Psychosen zu erzeugen" sei kein Heilmittel. "Populismus löst die Dinge nicht. Was die Dinge löst, ist Akzeptanz, Studium, Klugheit", sagte Franziskus. Er verwies auch auf das Alterungsproblem von Bevölkerungen. Europa stehe vor einem "großen demografischen Winter" und brauche mehr Zuwanderung.
Die ankommenden Migranten könne man nicht abweisen, sagte der Papst. Man müsse sie aufnehmen, ihnen helfen, sie versorgen und begleiten "und dann schauen, wo man sie hinsetzt". Dies müsse "in ganz Europa" geschehen, so Franziskus.
Der lateinamerikanische Pontifex kritisierte auch die Kubapolitik Trumps, mit neu eingeführten Beschränkungen zu Reisen nach und Handel mit Havanna. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte eine Öffnung vollzogen. Dieser Schritt, bei dem der Vatikan vermittelnd geholfen hatte, sei "ein guter Schritt vorwärts" gewesen, so Franziskus.
Trumps Entscheidung, sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückzuziehen, habe bei ihm "ein wenig Schmerz" verursacht, "weil die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht", sagte der Papst. Er hoffe, dass Trump seine Position überdenken werde.
Bei der Einigung mit Peking und der Anerkennung regimetreuer chinesischer Bischöfe sei der Vatikan "an einem guten Punkt", so der Papst weiter. Kritik, der Vatikan könnte romtreue Katholiken an die kommunistische Regierung in Peking verkaufen, wies er zurück. Wörtlich sagte er: "Zum Timing sagen manche, es sei 'chinesische Zeit'. Ich sage, es ist Gottes Zeit. Lasst uns ruhig voranschreiten." Der Weg einer Aussöhnung mit China bestehe aus drei Schienen: einem offiziellen Dialog, inoffiziellen Kontakten zwischen den normalen Bürgern, "die wir nicht verbrennen wollen", und einem "kulturellen Dialog".
Der Papst äußert sich in dem Interview nicht zu Details der Gespräche. "Dialog ist ein Risiko, doch ich bevorzuge eher das Risiko als jene Art von Niederlage, die entsteht, wenn man keinen Dialog führt", so Franziskus. Die Chinesen "verstehen zu warten", sie seien ein "sehr weises Volk", vor dem er "großen Respekt" habe.
Kritiker einer Annäherung befürchten, dass eine Einigung mit weitreichenden vatikanischen Zugeständnissen letztlich stärkeren Druck auf die Untergrundkatholiken zur Folge haben könnten. Das seit Februar geltende Religionsgesetz ermöglicht der Kommunistischen Partei mehr Kontrolle der Religionsgemeinschaften.
Ein weiters Interview-Thema waren Frauen. Der Papst möchte mehr in hohe Vatikan-Positionen berufen. Sie seien besser darin, Konflikte zu lösen, auch wenn das nicht zu etwas führen solle, was er als "Maskulinismus in Röcken" bezeichnete.
Über seine Gesundheit erzählte Franziskus, es gehe ihm gut, bis auf Schmerzen im Bein infolge von Rückenproblemen. Er wiederholte frühere Aussagen, er könne sich eines Tages einen Rücktritt nach dem Vorbild Benedikts XVI. aus gesundheitlichen Gründen vorstellen, sagte aber: "Im Moment denke ich darüber nicht einmal nach."
Die unterschiedlichen Strömungen in der Kirche verglich der Papst gegenüber Reuters mit einem Fluss und seinen verschiedenen Armen. "Wir müssen respektvoll und tolerant zueinander sein, und solange jemand im Flussbett ist, lasst uns weiter vorangehen." Im Übrigen bete er für seine Kritiker, auch wenn diese manchmal "hässliche Dinge" über ihn sagten.
Zum Brief der vier "Dubia"-Kardinäle mit Kritik an seinem Schreiben "Amoris laetitia" sagte Franziskus, er habe davon "aus den Zeitungen erfahren". "So etwas auf diese Art zu machen, ist, sagen wir, nicht kirchlich. Aber wir alle machen Fehler", meinte er.
Im September 2016 hatten die Kardinäle Raymond Burke und Walter Brandmüller sowie die inzwischen gestorbenen Joachim Meisner und Carlo Caffarra einige Passagen des Apostolischen Schreibens "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie vom April 2016 kritisiert. In dem Brief äußerten sie eine Reihe von Zweifeln (Dubia) und forderten von Franziskus eine Klarstellung. Nachdem die vier nach eigener Aussage keine Antwort erhielten, entschieden sie sich, den Brief mit ihrer Kritik öffentlich zu machen.