Emeritierter Erzbischof von Abuja, Onaiyekan, angesichts des Anschlags auf einen Pfingstgottesdienst wütend und beschämt über fehlenden Schutz der Bevölkerung vor Terror durch den nigerianischen Staat
Das jüngste Massaker in einer katholischen Kirche im südnigerianischen Bundesstaat Owo, bei dem während einem Pfingstgottesdienst laut Medienberichten bis zu 100 Menschen von islamistischen Attentätern ermordet wurden, ist nicht Ausdruck eines "Krieges des Islams gegen das Christentum": Das hat Kardinal John Olorunfemi Onaiyekan (78) im Interview mit dem Portal "Vatican News" (Montag) dargelegt. Der emeritierte Erzbischof von Abuja wehrte sich gegen allzu verkürzte Darstellungen des Konflikts im bevölkerungsreichsten Land Afrikas und prangerte vor allem die Tatenlosigkeit der Regierung angesichts der vielen Terror- und Gewaltakte an.
Das verheerende Attentat empfinde er als "Schande und großen Schmerz für alle Nigerianer", sagte Onaiyekan. Schon viele Jahre lang würden in seinem Land immer wieder Gläubige in Kirchen beim Gebet getötet. Mit Blick auf die Täter stellte der Kardinal fest, dass diese "sicherlich nicht für die islamische Religion werben, auch wenn sie sich selbst als Muslime bezeichnen und den Dschihad fordern". Immer wieder würden auch Menschen in Moscheen Opfer derselben Attentäter, weshalb das Thema "viel mehr als nur eine Angelegenheit zwischen Christen und Muslimen" zu sehen sei. Nigerias Bevölkerung sei in etwa zwei gleichen Teilen christlich und muslimisch, "und wir leben zusammen und möchten dies in Frieden tun".
Im "Krieg" befinde sich Nigeria aber sehr wohl, auch wenn das Land keinen äußeren Feind habe, erklärte der emeritierte Erzbischof. Grund sei die "unsinnige, teuflische Gewalt" von "kleinen Gruppen, die schießen und sich aus dem Staub machen". Ziel der hinter den Anschlägen in Kirchen, Dörfern, Schulen und Moscheen stehenden kriminellen Banden sei es, "Unordnung und Verwirrung unter den Gläubigen zu stiften". Dabei würden Menschen gnadenlos hingerichtet. Als Täter genannt würden Mitglieder der sogenannten Fulani-Hirten. Diese seien "oft bewaffnet, suchen Land für ihre Kühe, ziehen auf der Suche nach Weiden umher und nehmen sie manchmal mit Gewalt in Besitz".
Scharfe Kritik äußerte der Kardinal an Nigerias Regierung sowie an der Polizei, Armee und den Sicherheitskräften, die nicht in der Lage seien, die Täter zu stoppen. Staatspräsident Muhammadu Buhari habe zwar auch nach dem jetzigen Massaker "sehr heftig" reagiert, sein Versprechen, man werde alles zum Aufspüren der Täter tun, habe das Land jedoch "schon oft gehört", urteilte Onaiyekan, der vorhersagte: "Es wird nichts passieren, zumindest nichts Ernstes. Die Politiker denken bereits an die Wahlen im nächsten Jahr. Leider ist Nigeria in einer Situation, in der die Regierung nicht in der Lage ist, unsere Sicherheit zu gewährleisten und uns vor diesen kriminellen bewaffneten Gruppen zu schützen."
Die Folge dieser Gewaltwelle bei der Bevölkerung sei verheerend. Kardinal Onaiyekan sprach von einem "Gefühl der Verunsicherung, Schmerz und Wut. Die Menschen fühlen sich machtlos gegenüber diesen Verbrechern und haben keine Möglichkeit oder niemanden, sich zu verteidigen." So komme es, dass Nigeria auch im Jahr 2022 mit Attentaten in den weltweiten Schlagzeilen aufscheine. Onaiyekans Reaktion darauf: "Als Erzbischof und Nigerianer schäme ich mich."