Der Schutz der Menschenwürde in der Politik ist eine Frage der Rechtskultur eines Landes. Die Rechte eines Menschen werden durch die ständige Durchlöcherung der Unschuldsvermutung ausgehöhlt - und das ist gefährlich für die Gesellschaft.
Der Schutz der Menschenwürde in der Politik ist eine Frage der Rechtskultur eines Landes. Die Rechte eines Menschen werden durch die ständige Durchlöcherung der Unschuldsvermutung ausgehöhlt - und das ist gefährlich für die Gesellschaft.
Kardinal kritisiert bei Ethikimpuls der Grazer Elisabethinen Veröffentlichung von Ermittlungsinhalten und damit einhergehende Vorverurteilung von Politikern. Suizidbeihilfe und Missbrauch weitere Themen bei Abend zum Thema "Was ist Würde?"
Als würdelos hat Kardinal Christoph Schönborn den Umgang der Öffentlichkeit mit Politikerinnen und Politikern kritisiert. "Der Schutz der Menschenwürde in der Politik ist eine Frage der Rechtskultur eines Landes. Die Rechte eines Menschen werden durch die ständige Durchlöcherung der Unschuldsvermutung ausgehöhlt - und das ist gefährlich für die Gesellschaft", wird der Wiener Erzbischof in einer Aussendung der Diözese Graz-Seckau am Donnerstag zitiert. Schönborn äußerte sich am Mittwochabend beim "Ethikimpuls 2022" der Elisabethinen in Graz, wo er zum Thema "Was ist Würde?" sprach.
Der Kardinal kritisierte die Veröffentlichung von Ermittlungsinhalten und die damit einhergehende Vorverurteilung von Politikern und verwies auf die Unschuldsvermutung, solange es kein Urteil gebe. Angesprochen auf die "Chat-Affäre", bei der sich Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und der damalige Spitzenbeamte Thomas Schmid u.a. über Peter Schipka, Generalsekretär der Bischofskonferenz, ausließen, sagte der Wiener Kardinal, es gebe Dinge, die sich nicht gehörten: "Vielleicht hätten wir damals lauter protestieren sollen."
Bei dem Gespräch, das Schönborn mit dem Elisabethinen-Direktor und Vorsitzenden der "ARGE Ordensspitäler Österreichs", Christian Lagger, führte, kam auch das Thema der Würde am Ende des Lebens zur Sprache. So würden die Befürworter des assistierten Suizids oftmals damit werben, dass dies ein "Sterben in Würde" ermögliche. "Ist der normale Tod würdelos?", fragte der Kardinal und warnte davor, das Sterben in Würde auf eine gesteuerte Art des Sterbens zu reduzieren. "Sterben in Würde ist etwas, das sich alle wünschen", zeigte sich der Erzbischof überzeugt.
Durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus sei die Menschenwürde universell festgelegt. Umso schlimmer sei es, wenn die Kirche immer wieder von Missbrauch erschüttert werde. "Durch Missbrauch wird eklatant gegen die Würde des Menschen verstoßen", so der Kardinal. Das Benennen von Schuld sei die Voraussetzung dafür, dass Würde wiederhergestellt werde. Wer seine Schuld nicht einsehe, verletzte auch seine eigene Würde, so Schönborn.
Im Christentum sei die Würde des Menschen zutiefst verankert, so Schönborn mit Verweis auf den griechischen Philosophen Kelsos und sein christliches Gegenüber Origines. Kelsos kritisierte die Christen als Revoluzzer, weil diese von einer Menschheitsfamilie mit gleicher Würde sprachen; zu einer Zeit, als es Sklaven und Herren gab, wurde das als "Sprache des Aufstandes" gedeutet. "Das Christentum hat die Sklaverei nicht beendet, dazu hatte es nicht die Macht. Aber es hat Veränderung gebracht", zeigte sich Schönborn überzeugt und verwies auf den Apostel Paulus, der einen Sklaven zu seinem Herrn zurückschickte, mit den Worten "diene ihm wie Christus" - und dem Herrn verordnete "nimm ihn auf wie Deinen Bruder".