"Unsere Welt ist nicht einem blinden Schicksal ausgeliefert, sondern gehalten von dem, der diese Welt geschaffen hat und trägt." Nicht umsonst komme in der Heiligen Schrift 366 Mal der Satz "Fürchtet euch nicht" vor.
"Unsere Welt ist nicht einem blinden Schicksal ausgeliefert, sondern gehalten von dem, der diese Welt geschaffen hat und trägt." Nicht umsonst komme in der Heiligen Schrift 366 Mal der Satz "Fürchtet euch nicht" vor.
Wiener Dogmatiker Weismayer erinnert angesichts gegenwärtiger Bedrohungen an Impulse des frühen Christentums zur Angstbewältigung der Menschen in heidnischer Antike.
Das Christentum bietet angesichts multipler Bedrohungen wie Ukraine-Konflikt, Corona-Pandemie, Klimawandel und Teuerung entscheidende "Hilfen zur Krisenbewältigung". Darauf machte der emeritierte Wiener Dogmatikprofessor Josef Weismayer im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (14. August) aufmerksam.
Der langjährige Domkapitular von St. Stephan erinnerte dabei an den Impuls, den die christliche "Religion der Angstüberwindung" im heidnischen Umfeld des antiken Roms gab: "Unsere Welt ist nicht einem blinden Schicksal ausgeliefert, sondern gehalten von dem, der diese Welt geschaffen hat und trägt." Nicht umsonst komme in der Heiligen Schrift 366 Mal der Satz "Fürchtet euch nicht" vor, heißt es in der Kirchenzeitung.
Die Menschen zur Zeit Jesu hatten laut Weismayer andere, aber ebenso "große Angsterreger" wie heute: Es gab Bedrohungen durch Streit und kriegerische Auseinandersetzungen, durch Diebe und Räuber, durch Krankheit und Verfolgung - "die Ungesichertheit des Lebens im Allgemeinen sorgte immer von Neuem für Angst". Das Schicksal habe man in der Antike als blinde Macht betrachtet, die oft durch magische Techniken unwirksam gemacht werden sollten. "Teilweise versuchte man auch durch Opfer die höheren und unberechenbaren Mächte gnädig zu stimmen", erklärte der Theologe.
Die jüdisch-christliche Offenbarung dagegen stellte dem den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs entgegen, der als unbegreifbares Geheimnis zugleich der Liebende sei. Im großen Gebetbuch Israels und der Christen, dem Psalter, würden viele Bedrängnisse und Leiden ganz konkret angesprochen, fast alle "Klagepsalmen" enden jedoch mit der Zuversicht, dass Bitten an Gott nicht ungehört bleiben. Weismayer: "Das Vertrauen auf den fürsorgenden und liebenden Gott war die entscheidende Antwort auf die Ängste der Menschen."
Auch Jesus, der "unser Menschsein angenommen und gelebt" sowie mit seiner Auferstehung "eine tragfähige Hoffnung gegeben" habe, wende sich in der Bergpredigt gegen allzu ängstliche Sorgen und habe festgehalten: "Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage" (Mt 6,34). Die von Jesus verkündete Nächstenliebe hat die Angst der Menschen nach den Worten Weismayers zugleich durch die Mobilisierung der Mitmenschlichkeit beantwortet. "Der Gottesdienst ist ja nur dann echt und aufrichtig, wenn er begleitet ist von helfendem und bemühtem Dienst an den Mitmenschen."
Im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils, wonach "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, ... auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi" sind, bleibt die Aufgabe der "Angstüberwindung" eine Aufgabe der Kirche und der Gläubigen, unterstrich der 1936 in Wien geborene Priester.