Herbert Fiala: „Es ist etwas ganz anderes, wenn man in der Früh aufsteht, um arbeiten zu fahren.“
Herbert Fiala: „Es ist etwas ganz anderes, wenn man in der Früh aufsteht, um arbeiten zu fahren.“
Seit August vergangenen Jahres gibt es in der Quellenstraße in Favoriten einen besonderen Supermarkt. Wer hier einkaufen geht, ahnt nicht, dass der Kassier zuvor jahrelang arbeitslos war und die Feinkostdame so deprimiert, dass sie sich kaum aus der Wohnung traute. Heute will sie Filialleiterin werden. Ein Lokalaugenschein.
Herbert Fiala sitzt an der Kassa einer Spar-Filiale im 10. Wiener Gemeindebezirk und zieht eine Nudelpackung über die Kassafläche. 30 Jahre seines Lebens hat er zuvor im IT-Bereich gearbeitet, hat Drucker, Laptops, Monitore vertrieben – die letzten zwei Jahre davon angestellt bei einer deutschen Firma. Bis es zur einvernehmlichen Trennung kam.
„Der Grund waren große Meinungsverschiedenheiten zwischen Geschäftsleitung und mir darüber, wie das Geschäft in Österreich aufzubauen ist. Am Anfang nimmt man es eher locker, wenn man arbeitslos wird – zumindest war das bei mir so. Denn ich habe mir gedacht, dass ich recht schnell wieder etwas haben werde.
Doch dann kommt irgendwann die Ernüchterungsphase, denn ich habe zwar gute Kontakte, aber du hörst überall dasselbe: ,Wir können dich nicht nehmen. Wir wissen zwar, was du im Job kannst, aber in dem Alter…´“
Knapp über 50 Jahre alt war Herbert Fiala damals. Heute ist er 54. Dazwischen liegen zwei Jahre Arbeitslosigkeit. Eine schwierige Zeit, die er nicht gut in Erinnerung hat, das hat vor allem auch seine Lebensgefährtin mitbekommen:
„Sie wusste ja, dass ich nicht sonderlich zufrieden zuhause war. Dadurch gab es manchesmal auch ein falsches Wort ihr gegenüber – sie konnte aber nichts dafür.
Durch Zufall erfährt Herbert Fiala vom Projekt der Caritas, die seit August 2016 eine Sparfiliale in Wien betreibt und dort 20 langzeitarbeitslosen Menschen eine neue Jobperspektive ermöglicht. Und er wurde genommen: „Jetzt habe ich als Kassier wieder einen Job. Das wäre nie mein Traumberuf gewesen, muss ich gestehen, aber er macht Spaß. Und ehrliche Arbeit schadet ja bekanntlich nicht. Es ist etwas ganz anderes, wenn man in der Früh aufsteht, um arbeiten zu fahren. Statt um dieselbe Zeit aufzustehen und sich zu fragen: Was mache ich heute oder wofür bewerbe ich mich heute?“
Vor allem Menschen über 50 haben es am österreichischen Arbeitsmarkt besonders schwer. Im Caritas-Supermarkt wird alle zwei Wochen ein Bewerbertag angeboten. „Es gibt einfach Personen, die sind schon am Bewerbertag sehr dankbar und fragen: ‚Bin ich nicht zu alt für Sie, wenn ich schon 50 bin, nehmen Sie mich überhaupt noch auf?‘“, sagt Birgit Reingruber. Sie ist Geschäftsfeldleiterin im Sparmarkt der Caritas und zuständig für die Mitarbeiter im Haus.
„Vier bis acht Wochen sind die Personen hier im Training. Und im Anschluss daran bekommen sie einen Dienstvertrag für sechs Monate. Die Fluktuation im Handel ist sehr groß. Deswegen sucht das Unternehmen immer wieder neue Mitarbeiter. Bei uns werden diese sehr gut ausgebildet, qualifiziert und ein halbes Jahr auch schon beschäftigt, damit sie danach einen anderen Arbeitsplatz finden.“
Die 29-jährige Yvonne Rauch kontrolliert gerade das Ablaufdatum in der Wurst-abteilung. Sie arbeitet seit dem 15. Dezember in der Filiale. Auch sie weiß nur zu gut, wie es ist, lange arbeitslos zu sein – insgesamt drei Jahre lang hat sie keinen Job gefunden: „Katastrophe! Ich bin damals echt in ein schwarzes Loch hineingeflogen, ich war deprimiert und bin gar nicht mal mehr aus dem Haus gegangen.
Ich muss sagen, dass es eine ziemlich große Überwindung war, wieder mit Menschen zu tun zu haben. Ich habe durch die lange Zeit ohne Arbeit, in denen ich quasi 24 Stunden am Tag immer nur zuhause war, am Anfang gedacht, dass ich in eine komplett andere Welt komme, wo sich so viel verändert hat“, sagt Yvonne Rauch.
Heute hat sie dank dem Caritas-Projekt wieder Pläne für die Zukunft. Ihr Wunsch: „Dass ich als Filialleiterin in einen Supermarkt komme, oder für den Anfang als Stellvertreterin. Ich mache das gerne und ich kann das. Das ist mein Ziel.“
Bis es soweit ist, möchte Yvonne Rauch im Supermarkt der Caritas so viel wie möglich lernen: „Von Kassa, über Milchabteil, bis hin zum Feinkostabteil und Regalbetreuung. Hier hat man die Chance, alles in Ruhe zu lernen.“
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