Das Turiner Grabtuch, Fotografie des Gesichts, Positiv links, rechts Negativ (Kontrast etwas verstärkt)
Das Turiner Grabtuch, Fotografie des Gesichts, Positiv links, rechts Negativ (Kontrast etwas verstärkt)
Bis zum 16. Juli lädt das Erzbischöfliche Palais in Wien zu einer Spurensuche rund um das Turiner Grabtuch ein.
Keine künstlerische Darstellung der Passion übte und übt eine Faszination aus, die mit jener des Grabtuchs zu vergleichen wäre“, umschrieb P. Raniero Cantalamessa OFMCap, offizieller Prediger des päpstlichen Hauses, einmal die fesselnde Wirkung der Sindone, des Grabtuchs von Turin.
Das Original wird nur in heiligen Jahren und zu Jubiläen in der Kathedrale von Turin in einem Panzerglas-Schrank ausgestellt. Dann ziehen meist Millionen von Gläubigen aus aller Welt daran vorbei oder verharren in den Kirchenbänken in stillem Gebet und meditativer Betrachtung.
Warum zieht dieses Tuch, dessen Entstehung bis heute Rätsel aufgibt, so viele in seinen Bann?
Das Turiner Grabtuch ist 4,36 x 1,10 Meter groß und zeigt den Doppel-Abdruck (Vorder- und Rückseite) eines kräftig gebauten, 1,81 Meter großen Mannes mit langen Haaren und Bart.
In den Haaren und im Gesicht sind Blutspuren sichtbar, die Gesichtszüge lassen auf zahlreiche Verletzungen wie Schwellungen unter dem Auge und am Unterkiefer schließen. Auf der rechten Seite des Oberkörpers sieht man eine Schnittwunde, die einen großen Blutfleck hinterließ. Weiters weist der Körper zahlreiche Verletzungen auf, die von Geißelungen her rühren.
Während viele Forscher von einem Kunstwerk eines mittelalterlichen Malers ausgehen, erkennen andere eindeutig den Körperabdruck eines Gefolterten.
Das Grabtuch von Turin gilt heute als das wissenschaftlich meistuntersuchte Einzelobjekt der Welt. Den Anstoß zur modernen Grabtuchwissenschaft gab 1898 der italienische Arzt und Fotograf Secondo Pia, der das Grabtuch erstmals fotografierte. Dabei stellte er fest, dass das Foto-Negativ des Bildnisses auf dem Tuch noch viel detaillierter die Gesichtszüge des Gekreuzigten wiedergab als das Original.
Seit damals versuchen Wissenschaftler aus aller Welt das Geheimnis hinter dem Grabtuch (Sindone) zu enträtseln. Die Forscher kommen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen. Es lässt sich weder die Echtheit noch die „Unechtheit“ des Tuches sicher beweisen.
Die katholische Kirche stuft das Grabtuch von Turin nicht als „Reliquie“, sondern als „Ikone ein. Es kann demnach, verbunden mit gläubiger und frommer Verehrung, als existenzielle Verbindung zwischen dem Betrachter und Gott verstanden werden. Die Frage der „Echtheit“ ist für die Kirche zudem sekundär.
Das Grabtuch ist nicht Grundlage oder Beweis für den christlichen Glauben, kann diesen aber fördern. Papst Franziskus erklärt sich die große Anziehungskraft der Ikone damit, dass „der Mann des Grabtuchs uns einlädt, Jesus von Nazareth zu betrachten“. Anregungen zu dieser Betrachtung bietet die aktuelle Ausstellung im Erzbischöflichen Palais in Wien (siehe Info ).
Interview mit der Kuratorin der Ausstellung im Erzbischöflichen Palais (Wollzeile 2, 1010 Wien)
(8. Juni bis 16. Juli 2017)
Bettina v. Trott zu Solz ist Ordensdame der Malteser und Kuratorin der Ausstellung „Wer ist der Mann auf dem Tuch?“ Eine Spurensuche“.
Was ist das Besondere an der Ausstellung im Erzbischöflichen Palais?
Jeder, der die Ausstellung besucht, stellt sich die Frage: Wer ist dieser Mann auf dem Tuch? Wir wollen bewusst nicht beweisen, dass es das Tuch ist, in dem Christus gelegen hat. Sondern wir wollen den Menschen helfen, selber darüber nachzudenken, eigene Schlüsse zu ziehen und sich mit den Ereignissen von vor 2000 Jahren auseinanderzusetzen. Diese Spurensuche erreicht auch Menschen, die weiter weg vom Glauben sind. Ganz oft merke ich, dass Menschen in unserer Ausstellung zutiefst bewegt sind.
Ist das Grabtuch eine historische Wahrheit oder eine Fälschung?
Unsere Ausstellung gibt es bereits seit 2013. Wir wechseln den Ausstellungsort regelmäßig, um möglichst viele Menschen zu erreichen. In den vergangenen vier Jahren hatten wir insgesamt 110.000 Besucher.
Neben einer exakten Replik des Grabtuches bietet die Ausstellung einen Christuscorpus, der nach den Daten des Grabtuches gefertigt wurde. Für mich persönlich sind diese Ausstellungsstücke und vor allem das Grabtuch unglaublich faszinierend, da ich persönlich darin historische Wahrheit sehe.
Ob es eine Fälschung oder eben keine Fälschung ist, ist bis heute nicht beweisbar. Aber man kann selbst mit den modernsten wissenschaftlichen Methoden nicht erklären, wie das Grabtuch entstanden ist. Fest steht, dass zu seiner Entstehung unglaublich viel Energie notwendig gewesen sein muss. Denn Energie kann erkennbare Spuren hinterlassen. Zum Beispiel, wenn man einen Topf auf ein Blatt Papier stellt und dieses dann in die Sonne legt. Durch die Sonnenenergie werden die Blattränder gelb, doch unter dem Topf, wo die Energie nicht hinkommt, bleibt das Papier weiß.
Haben Sie einen persönlichen Bezug zum Grabtuch?
Ja, seitdem ich 1998 in Mailand gelebt habe. Als Ordensdame für die Malteser bildete ich damals gemeinsam mit weiteren Ordensmitgliedern ein Ehrenspalier für die Pilger vor dem Originaltuch. Ich konnte dadurch eine ganze Woche lang direkt vor dem Original-Grabtuch stehen. Seitdem lässt es mich nicht mehr los. Deshalb kann ich nur alle dazu einladen, sich die Ausstellung anzuschauen und sich ebenfalls auf diese unglaublich spannende Spurensuche zu begeben.
Die vom Malteser-Orden organisierte Ausstellung „Wer ist der Mann auf dem Tuch? Eine Spurensuche“ ist vom 8. Juni bis 16. Juli im Erzbischöflichen Palais in Wien (Wollzeile 2, 1010 Wien) zu sehen. Kernstücke der Ausstellung sind das Grabtuch in einer originalgroßen Kopie und eine dem Abdruck des Tuches entsprechende Figur, eine Dornenhaube und Nägel, Forschungsergebnisse sowie theologische Sichtweisen auf das Thema.
Geöffnet: Dienstag bis Samstag 10 bis 17 Uhr, Sonntag von 10 bis 14 Uhr.
Eintritt frei!
mit Videobotschaft von Papst Franziskus zur Ausstellung des Turnier Grabtuchs vom Karsamstag, 30. März 2013
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at