Schwester Narciza Pazmiño, Direktorin der „Don Bosco Herberge“ in Ambato/Ecuador.
Schwester Narciza Pazmiño, Direktorin der „Don Bosco Herberge“ in Ambato/Ecuador.
"Jugend Eine Welt" lädt zu Schulaktionen.
Ecuadors 360.000 arbeitende Kinder und Straßenkinder stehen heuer im Zentrum der Kampagne "Tag der Straßenkinder", mit der die Organisation "Jugend Eine Welt" jährlich um den 31. Jänner auf die Situation armutsbetroffener Kinder aufmerksam macht.
In den letzten Jahrzehnten sank die Zahl der Kinderarbeiter und Straßenkinder im Land zwar erheblich; "dennoch hat sich für in extremer Armut lebende Kinder wenig geändert. Viele müssen weiterhin als Schuhputzer, Lastenträger, Straßenverkäufer oder Bettler zum Familieneinkommen beitragen", sagte Sr. Narciza Pazmiño, Direktorin der "Don Bosco Herberge" in der Stadt Ambato, am Dienstag, 30. Jänner 2018 gegenüber "kathpress".
Tausende junge Ecuadorianer wurden vom landesweiten und maßgeblich aus Österreich unterstützten Don Bosco-Programm "Chicos de la Calle" (Kinder der Straße) bisher von der Straße geholt. In der Herberge in Ambato erhalten 230 Kinder aus den ärmsten Familien täglich eine warme Mahlzeit, Lernbetreuung und Freizeitangebote bis hin zu Berufsausbildung sowie psychologischer Betreuung. "Darunter sind auch viele Kinder, die Gewalt oder sexuellen Missbrauch erlitten haben", berichtete Sr. Narciza. Die erste Kontaktaufnahme geschehe auf der Straße durch Streetworker, zudem gibt es für die Zeit des Ausstiegs vom Straßenleben auch Schlafplätze.
Entscheidend für den weiteren Lebensverlauf der ausstiegsbereiten Straßenkinder sei der Moment der Einschulung, erklärte die Ordensfrau weiter: "In den Herkunftsfamilien hat die Bildung oft keinen hohen Stellenwert, vielmehr ist die Arbeit das wichtigste. Wir müssen daher den Kindern - und ab dem Moment ihrer Rückführung zu den Familien auch den Eltern - vermitteln, welche Chancen ihnen die Schule bietet, und entsprechende Unterstützung anbieten." Besondere Anstrengungen und Hilfen seien für die Kinder aus indigenen Familien nötig.
Aus erster Hand berichtete Byron Vera, früher selbst Straßenjunge und nun vor dem Eintritt zum Lehramtsstudium, über das Leben auf Ecuadors Straßen: "Ich und meine vier Geschwister mussten als Kinder oft hungern, weshalb ich schon als Achtjähriger Obst und Süßigkeiten verkaufte", blickte er im "Kathpress"-Gespräch zurück. Als er mit zwölf Jahren seinen Arbeitsort auf die Fernbusse verlegte und einmal alle Einkünfte bei einem Spielautomat verlor, traute er sich nicht mehr nach Hause. Fortan lebte er auf der Straße: "Man weiß nie, was heute geschieht, hat keine Perspektiven und plant nicht. Denn ständig ist man von Gefahren umgeben - von Unfällen, Drogen und Klebstoff-Schnüfflern, verdorbener Nahrung und sexuellem Missbrauch."
Auch das Versteckspiel mit der Polizei gehört zum Alltag eines bettelnden Straßenjungen. Polizisten waren es jedoch, die Vera nach einem Jahr auf der Straße in die Don Bosco-Einrichtung seiner Stadt brachten. Erst nach einiger Zeit beschloss er, nicht nur die Sport- und Lernangebote der Freizeit zu nutzen, sondern auch den ihm angebotenen Schlafplatz. Er kam in ein anderes Teilprojekt, das wie ein Internat funktionierte, mit Schule am Morgen, Tischlerlehre am Nachmittag und Freizeitprogramm am Abend. "Mich beeindruckten besonders die Volontäre, die mich unterstützen. Ich wollte wie sie sein und ebenfalls anderen helfen", berichtete der heute 22-jährige Byron Vera. Zweieinhalb Jahre lang wirkte er dann als Freiwilliger und anschließend als Angestellter des Projekts, machte parallel dazu die Abendschule und schaffte auch die Matura.
Viel Lob für die Volontäre kam auch von Sr. Narciza: In den vergangenen 20 Jahren haben allein im Teilprojekt Ambato bereits über 50 Jugendliche aus Österreich einen einjährigen Freiwilligendienst geleistet. Sie helfen u.a. bei der Registrierung neu ankommender Kinder, bei Hausübungen und Freizeitangeboten sowie beim Betrieb der Herberge, integrierten sich schnell und seien "Vorbilder an Engagement und Verantwortlichkeit", wie die Ordensfrau hervorhob. Über die mittlerweile vom Verein "Volontariat bewegt" vermittelten Jugendlichen kam auch der Kontakt zur oberösterreichischen Pfarre Christkindl zustande, die die Suppenküche für Ambato finanzierte. Die Gehälter der Psychologin, der Sozialarbeiterin und der Pädagogen übernahm das ecuadorianische Sozialministerium.
Noch unter dem vorhergehenden Präsidenten Raffael Correa wurden viele positive Sozialmaßnahmen gestartet, berichtete Sr. Narciza Pazmiño. Correas Nachfolger Lenin Moreno habe sich als Ziel gesetzt, das Betteln auf der Straße einzudämmen und die Kinderarbeit bis 2021 völlig zu beenden - "eine Utopie", wie Sr. Narciza befand.
Fragwürdig sei auch das für den 4. Februar anberaumte Referendum, bei dem Ecuadors Bevölkerung außer über hochpolitische Fragen u.a. über eine schärfere Ahndung sexueller Gewalt gegenüber Kindern abstimmen soll. Kurz zuvor hatte im vergangenen Herbst das UN-Kinderrechtskomitee die weite Verbreitung von Kindesmissbrauch bzw. sexueller Gewalt gegenüber Kindern in Ecuador kritisiert. "Es trifft wohl zu, dass derzeit die Strafen zu gering sind um abschreckend zu wirken, auch dauern die Prozesse so lange, dass die Schuldigen meist längst über alle Berge sind", so die Ordensfrau. Sie vermisse jedoch die ebenso notwendigen Maßnahmen der Gewaltprävention und des Schutzes der Kinder vor dem organisierten Menschenhandel, der auch in Ecuador immer mehr um sich greife.
Zum "Tag der Straßenkinder" am 31. Jänner, dem Gedenktag des Jugendheiligen Johannes Bosco (1815-1888), macht die Hilfsorganisation "Jugend Eine Welt" jedes Jahr auf die schwierige Situation der weltweit Millionen Kindern aufmerksam, die auf der Straße leben oder arbeiten. Kinder- und Jugendgruppen sowie Schulklassen werden eingeladen, aktiv zu werden, zudem wird um Spenden für Don Bosco-Hilfsprojekte gebeten.
Spendenkonto Jugend Eine Welt: IBAN AT66 3600 0000 0002 4000, BIC RZTIAT22, Stichwort "Tag der Straßenkinder", oder online auf www.jugendeinewelt.at
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