Univ.-Prof. Dr. Johann Pock, Universität Wien.
Univ.-Prof. Dr. Johann Pock, Universität Wien.
„Woher kommst du, wohin gehst du, Kirche im Weinviertel?“, so lautet das Thema
der diesjährigen Weinviertel-Akademie am 4. April im Bildungshaus Schloss Großrußbach.
Ob es auch noch 2069 Katholiken im Weinviertel geben wird?, will der SONNTAG vom Wiener Pastoraltheologen Johann Pock wissen, der am 4. April bei der 30. Weinviertelakademie das Christsein in den nächsten 50 Jahren beleuchten wird.
„Der christliche Glaube ist bei uns mehrfach verwurzelt: Durch die äußerlich sichtbaren Zeichen – die Kirchen, Wegkreuze und Marterln, die Marienstatuen und Heiligenbilder. Dann durch die vielen Traditionen von jährlichen Feiern und Prozessionen“, sagt Johann Pock im Gespräch mit dem SONNTAG: „Vor allem aber durch die selbstverständliche, einfache Gläubigkeit gerade am Land, die sich in christlicher Haltung und christlichen Handlungen der Nächstenliebe zeigen.
Und schließlich dürfen wir auch ein wenig auf das Haupt der Kirche, auf Christus vertrauen – denn letztlich ist es doch er, der für die Seinen sorgt.“ Daher ist Pock „zuversichtlich, dass es auch in 50 Jahren noch viele Katholikinnen und Katholiken im Weinviertel geben wird“.
Was wird diese Gläubigen dann auszeichnen? Was werden ihre Stärken sein?
Vor 50 Jahren hat Karl Rahner davon gesprochen, dass der Christ der Zukunft ein „Mystiker“ sein wird, „einer der etwas erfahren hat“ – oder er wird nicht mehr sein. Eine Erfahrung, die Christinnen und Christen heute und in den nächsten Jahren machen werden, ist der Verlust von Selbstverständlichkeiten: Selbstverständlich Christ/in bzw. Katholik/in zu sein, selbstverständlich sein klares Wasser zu trinken; selbstverständlich in einer friedlichen, sicheren Umgebung zu leben.
Unsere Gesellschaft wird vielfältiger – im Blick auf die Religionen, im Blick auf Kulturen; sie wird fragiler – der Klimawandel und die gesellschaftlichen Polarisierungen tragen das Ihre dazu bei.
Katholikinnen und Katholiken sollte auszeichnen, dass sie diese Gesellschaft aktiv mitgestalten; dass sie sich einsetzen für Menschenrechte, für Gleichberechtigung in allen Bereichen; und dafür, dass Religionen einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen einer friedlichen Gesellschaft leisten.
Und eine der Stärken wird die Ritualkompetenz sein – die Begleitung der Lebenswenden und der familiären und gesellschaftlichen Feste und Umbrüche durch Gebet, Rituale und Gemeinschaft.
Was sind die Chancen des gegenwärtigen kirchlichen Umbruchs, was sind die Gefahren?
Ich deute den gegenwärtigen Umbruch der Kirche als Schwellensituation: Es ist die Chance, sich als Kirche klarzuwerden, was wirklich not-wendig ist und was man auch zurücklassen kann.
Eine weitere Chance liegt darin, sich von falschen Vorstellungen zu verabschieden, z.B. einer machtvollen Kirche, oder einer Kirche, die sich moralisch überlegen fühlt (nicht zuletzt gegenüber anderen Konfessionen und Religionen).
Schließlich liegt eine Chance darin, das vom Konzil geforderte „aggiornamento“, die „Vergegenwärtigung“ der Kirche besser anzugehen; das Hinhören auf die „Zeichen der Zeit“ – und das entsprechende Reagieren darauf.
Die Gefahr des Umbruchs sehe ich zum einen in einem möglichen Rückzug der Kirche aus der Gesellschaft und Öffentlichkeit hinein in ein privates und privatisierendes Christentum; aber auch in dem Mythos von der „kleinen Herde“ der Getreuen, der „intensiv Glaubenden“, die auf die Zweifelnden, Suchenden herabschauen.
Wie kann die Kirche im Weinviertel eine missionarische Kirche werden?
Mission ist immer zuerst Mission Gottes – er ist derjenige, der Menschen in seinen Dienst nimmt.
Missionarisch sein bedeutet für mich zunächst, sich selbst als von Gott Gerufenen zu entdecken; den eigenen Glauben in seiner ganzen Begrenztheit. Und erst dann, wenn ich selbst „Feuer gefangen“ habe, wenn ich eine Be-Geist-erung entdecke (für Liturgie, für Caritas, für die Bibel, für gemeinsames Wallfahrten …), werde ich auch andere dafür begeistern können.
Missionarisch werden hat mit Zulassen zu tun (dass ich Gott etwas zutraue) – aber auch mit dem Mut, aufzubrechen und Neues zu wagen. Mission ist der Mut, sich Fremdem und Fremden auszusetzen – und vielleicht Gott (oder seinen eigenen Glauben) von den anderen her selber ganz neu zu entdecken.
Insofern lässt sich Mission (auch im Weinviertel) nicht einfach von oben her verordnen – sondern das Anliegen, den eigenen Glauben weiterzugeben, muss von unten her wachsen (in den Familien, in den kleinen Gruppen, im persönlichen Umfeld). Und auch hier nochmals: Es braucht vor allem das Vertrauen darauf, dass Gott der erste Missionar ist.
Was braucht es, damit die Kirche auch 2069 im Weinviertel das „Leben in Fülle“ (Johannesevangelium, 10,10) anbieten kann?
Die katholische Kirche befindet sich momentan in einer großen Krise. Angesichts der aktuellen Entwicklungen kann sie sich entweder auf das Konzept einer „kleinen Herde“ zurückziehen (was ich nicht hoffe); oder sie nimmt die aktuellen Herausforderungen an.
Dazu gehört, dass es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gottesdienst und Nächstendienst gibt: Es braucht Gottesdienste, in denen die Freude dieses Glaubens spürbar und erlebbar ist – und es braucht zugleich den Einsatz für Menschen in Not.
Zum „Leben in Fülle“ gehört nicht primär das ewige Seelenheil, sondern vor allem auch, dass es Menschen hier und heute, bei uns, gut geht. Gerade die Caritas-Studie 365 Tage wert.voll zeigt das eindrücklich: Gott finden wir nicht nur in den Kirchen, sondern vor allem im Bedürftigen neben uns.
Was braucht eine Kirche dazu? Offenheit, „Ambiguitätstoleranz“ – also die Fähigkeit, nicht immer gleich alles vereinheitlichen zu wollen, gesunde Selbstkritik – und ein gutes Verhältnis zwischen Bewahrung von Tradition bei gleichzeitiger Veränderungsbereitschaft. Denn der Wandel / die Wandlung ist nicht nur im Kern der Eucharistiefeier verankert, sondern gehört zum Wesen des „wandernden Gottesvolks“.
Und schließlich braucht es den Mut, neue Wege zu gehen – nicht zuletzt in der Gestaltung der Ämter in der Kirche. Diakoninnen, bewährte verheiratete Männer als Priester – und vielleicht irgendwann doch auch Frauen als Priesterinnen – ohne Schritte in diese Richtung wird am „Leben in Fülle“ etwas fehlen.
Die Weinviertel-Akademie ist eine Veranstaltung der Katholischen Aktion im Nord-Vikariat, des Bildungshauses Großrußbach, des Katholischen Bildungswerkes und des SONNTAG.
Am 4. April von 18.30 bis 21 Uhr im Bildungshaus Schloss Großrußbach.
Thema: „1969 – 2019 – 2069 Woher kommst du, wohin gehst du, Kirche im Weinviertel? Wie kann Kirche auch in 50 Jahren noch gelebt werden?“
Referent: Univ.-Prof. Johann Pock (Pastoraltheologe/Universität Wien),
anschl. Podiumsgespräch mit Annemarie Fenzl (Kardinal König Archiv) und Bischofsvikar Stephan Turnovszky.
Kein Teilnahmebeitrag. Information: www.bildungshaus.cc