Jane Goodall ist 300 Tage im Jahr unterwegs, um Hoffnung zu geben: „Wir haben unseren Bezug zur Natur verloren. Aber es ist noch nicht zu spät.“
Jane Goodall ist 300 Tage im Jahr unterwegs, um Hoffnung zu geben: „Wir haben unseren Bezug zur Natur verloren. Aber es ist noch nicht zu spät.“
Seit 85 Jahren lebt Jane Goodall für den Schutz unserer nächsten Verwandten. Durch ihre Arbeit wissen wir, wie sehr wir die Affen unterschätzt haben und wie ähnlich uns die Tiere sind: Schimpansen küssen einander. Und sie führen Kriege. Sie umarmen sich, halten Händchen und trauern. Haben Schimpansen gar ein Gespür für Gott?
Jane Goodall sitzt in der Suite eines Grand Hotels unweit des Wiener Stephansdoms. Gepolsterte Möbel, weiche Teppiche, schwere Vorhänge, ein Luster hängt tief über den Tisch. „Wenn ich wählen könnte“, sagt die 85-jährige Britin am Ende unseres Interviews, „wäre ich jetzt lieber in der Natur.“
In der Natur hat Jane Goodall einen Großteil ihres Lebens verbracht. Und doch sollte sie unser Denken verändern: Als sie im Juli 1960 im Gombe Nationalpark in Tansania ankommt, ist die Naturwissenschaft nämlich noch überzeugt: Werkzeuge benützen kann nur der Mensch allein. Affen fehlt es an Verstand.
Jane Goodall ist da 26 Jahre jung, sie wird das alte Weltbild stürzen.
In der Dokumentation „Jane“ liegt in einer Szene eine tote Schimpansin am Fluss. Daneben ihr Sohn. Immer wieder berührt er seine tote Mutter. Sie erzählen: Der Affe hörte auf zu essen. Nach zwei Wochen war er tot. Offensichtlich trauern Schimpansen über ihre Geliebten?
Daran gibt es gar keinen Zweifel! Schimpansen trauern. Viele andere Tiere auch. Ich weiß nicht, warum wir gedacht haben, dass nur Menschen diese Gefühle haben können. Schimpansen zeigen ihre Trauer, indem sie zum Beispiel aufhören zu essen, depressiv werden, sich zurückziehen.
Abgesehen von Empathie, kennen Schimpansen auch Spiritualität? Überspitzt gesagt: Glauben Affen an Gott?
Das kann ich mir nicht vorstellen, aber: Manchmal versammeln sich Schimpansen an einem der tosenden Wasserfälle tief im Wald und machen einen, ich nenne es, Wasserfall-Tanz. Sie schreiten hin und her, heben große Steine auf, werfen sie hinein. Manchmal klettern sie auch die Ranken neben dem Wasserfall hoch und stoßen sich in den Windwall des Wasserfalls.
Am Ende sitzen sie da und beobachten, wie das Wasser kommt und geht. Blicken auf den Wasserfall. Was ist dieses seltsame Zeug, das immer kommt und immer geht und doch immer da ist? Das mag zu einer frühen Art der animistischen Anbetung und Beschwörung geführt haben.
Aber Schimpansen haben keine Worte dafür. Sie können zwar das Gefühl der Ehrfurcht vor dem Wasserfall teilen, aber sie können nicht darüber reden.
In Ihrem Buch „Reason for Hope: A Spiritual Journey“ erzählen Sie, dass Sie als Mädchen und junge Frau sehr religiös waren, die Bibel intensiv gelesen – und eine eigene Bibel-Box gebastelt haben.
Ja, ich war sehr religiös, als ich jung war. Meine Familie nicht. Gelegentlich gingen wir in die Kirche. Ich habe mich in einen Pfarrer platonisch verliebt und ging dann sooft wie möglich in die Kirche. Ich glaube, er hatte nicht die geringste Ahnung davon.
Zuhause hatten wir ein wunderschönes Jesus-Bild, wie er die Hand ausstreckt, um ein kleines Schaf zu retten, das über die Klippe gefallen war. Das hat mich berührt – ich glaube, wegen der Tiere. Als ich älter wurde, bin ich nach London gegangen – und habe meine platonische Liebe vergessen. Für die Kirche hatte ich keine Zeit mehr.
Heute fühle ich, vor allem draußen im Wald, diese große spirituelle Energie – das gibt mir Kraft. Der Wald ist wie eine Kathedrale.
Haben Sie noch Ihre kleine Bibel-Box?
Ja! Manchmal hole ich die Bibel-Box hervor – sie besteht aus sechs kleinen Zündholzschachteln, die sich mit einem kleinen Büroklammer-Griff öffnen lassen. In der Box sind kleine Schriftrollen. Ich weiß gar nicht, wie viele. Ich habe mich der ganzen Bibel gewidmet, um diese Box zu füllen. Habe Bibel-Zitate in die Box getan.
Vor jeder Reise hole ich die Bibel-Box und ziehe eine Schriftrolle. Einmal ist es mir passiert – ich war gerade in einer grantigen Stimmung, wollte nicht weg und schon wieder packen – dass ich zufällig dreimal hintereinander dieselbe Rolle gezogen habe: Sinngemäß stand dort: Wenn du ein Feld zu pflügen beginnst und stoppst, wirst du das Reich Gottes nicht erben! Du musst weitermachen!
Glauben Sie an Vorherbestimmung?
Ich fühle sehr stark, dass ich in diese Welt gesetzt wurde mit einem bestimmten Grund. Und dass ich eine Mission habe. Alles, was ich zu tun hatte, – glaube ich –, war die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit zu treffen. So bin ich von einem zum nächsten gezogen. Jetzt ist offensichtlich der letzte Teil meines Weges gekommen – und der liegt darin zu versuchen, Menschen Hoffnung zu geben in sehr dunklen Zeiten.
Haben Sie viel opfern müssen, um Ihren Traum zu leben?
Ich habe mein gesamtes Privatleben aufgegeben! – Worüber ich wirklich traurig bin ist, dass ich jetzt keinen Hund haben kann. Ich liebe Hunde. Früher habe ich einige Hunde gehabt. Heute ist mein Zuhause dort, wo ich mit meiner Schwester aufgewachsen bin. Das Haus gehört mir, meine Schwester lebt darin mit ihrer Familie – und ihrem Hund. Also immerhin: Wenn ich nachhause komme, dann kann ich mit dem Hund spazieren gehen.
Sie haben das Programm „Roots & Shoots“ gegründet, in dem Sie Kinder und Jugendliche weltweit motivieren, sich für Menschen, Tiere und die Umwelt einzusetzen. Was raten Sie jungen Menschen, die nach ihrem Platz in dieser Welt suchen?
Die wichtigste Botschaft ist: Jeden Tag deines Lebens bewirkst du etwas! Und du entscheidest, welche Wirkung du hast!
Als ich zehn Jahre alt war, habe ich davon geträumt nach Afrika zu gehen und mit wilden Tieren zu leben und Bücher darüber zu schreiben. Jeder hat mich ausgelacht. Wir hatten kein Geld, der Zweite Weltkrieg war im Gange, und ich war ja nur ein Mädchen.
Meine Mutter war aber anders. Sie hat zu mir gesagt: Wenn du wirklich etwas willst, dann musst du wirklich viel arbeiten, musst jede Gelegenheit nützen, die kommt. Und gib nicht auf! Das ist die Botschaft, die ich um die Welt trage, vor allem zu jenen, die benachteiligt sind.
Jane Goodall
Geboren...
am 3. April 1934 in London.
Familie...
Der Vater ist Ingenieur, die Mutter Schriftstellerin. 1967 wird Jane Goodall selbst Mutter. Ihr Sohn, Hugo Eric Louis van Lawick, lebt heute in Tansania. Während ihrer Arbeit im Urwald musste sie ihn zum eigenen Schutz in einen großen Käfig sperren.
Lieblingsbuch...
in ihrer Kindheit: „Tarzan“ und „Dr. Dolittle“.
Lebenswerk...
1960 Jane Goodall erfüllt sich ihren Traum und zieht nach Afrika, um wilde Schimpansen zu erforschen – als Frau ohne Universitätsabschluss. Den holt sie aber nach.
1965 Promotion an der Universität von Cambridge.
1977 gründet sie das Jane Goodall Institut und setzt sich weltweit für den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt ein.
1991 gründet sie Roots & Shoots – und bestärkt junge Menschen, sich für das, woran sie glauben, zu engagieren.
Heute ist Jane Goodall rund 300 Tage im Jahr unterwegs, um eine Botschaft zu verbreiten: dass wir die Welt nur gemeinsam retten können.
Trailer
23.9., 17.30 Uhr.
Der Retter der Käfer.
Ameisen, Bienen, Käfer – in 100 Jahren gibt es sie nur noch im Museum. Der Künstler Edgar Honetschläger will das ändern: und kauft Land für Insekten.
Von Gerlinde Petric-Wallner.
25.9., 17.30 Uhr.
Heuschrecken in Schokosauce.
Werden wir in einigen Jahren Insekten knabbern statt an Hühnerbeinen zu nagen? Wir fragen Experten und verkosten das Essen von morgen: Mehlwurm-Falafel, Heimchen-Spinatknödel und Heuschrecken-Schokofondue.
Eine Sendung von Monika Fischer.
27.09., 17.30 Uhr.
Perikularium.
Als Osttirolerin ist Alexandra Kontriner mit der Natur aufgewachsen. Insekten sind seit jeher Bestandteil ihres künstlerischen Schaffens. So dokumentiert sie den Wandel von deren Lebensraum.
Sendung von Stefanie Jeller.
30.09., 17.30 Uhr.
Verbotene Frucht.
Bio, vegetarisch, vegan – was soll der Mensch essen? Essen war schon immer eine Frage der Entscheidung. Eine Sendung in der Reihe „Achtung Bibel!”
von Stefanie Jeller.
2.10., 17.30 Uhr.
Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine umfassende Ökologie.
Zur Bischofsversammlung im Vatikan informiert Stefan Hauser über heimische Nichtregierungsorganisationen.
4.10., 17.30 Uhr.
Jane Goodall – die Mutter der Schimpansen.
Mit 26 Jahren begann Jane Goodall Menschenaffen zu beobachten. Heute, gut 60 Jahre später, lebt sie noch immer für den Schutz unserer nächsten Verwandten.
Von Gerlinde Petric-Wallner.
7.10., 17.30 Uhr.
Mensch versus Maschine?
In der Wiener Seestadt sind Autobusse ohne Fahrer unterwegs, lernende Algorithmen stellen richtigere Diagnosen als Ärzte und digitale Butler erfüllen unsere Wünsche.
Monika Fischer informiert über künstliche Intelligenz, Chancen und Berührungsängste.
14.10., 17.30 Uhr.
Gegen den Lärm der Zeit
– Warum Lärm uns krank macht und Ruhe so gut tut.
Eine Sendung von Monika Fischer.
16.10., 17.30 Uhr.
Sonntag: Ruhetag.
Das große Geschenk der jüdischen Kultur an die Menschheit ist der arbeitsfreie Siebte Tag. Doch der Ruhetag ist in Gefahr, denn die Wirtschaft will nicht ruhen.
Eine Sendung von Stefanie Jeller.
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