Papst Franziskus: Wie der Evangelist Lukas stellt er die Barmherzigkeit Gottes und Christus als Arzt in den Mittelpunkt.
Papst Franziskus: Wie der Evangelist Lukas stellt er die Barmherzigkeit Gottes und Christus als Arzt in den Mittelpunkt.
Vor fünf Jahren, am 13. März 2013, wurde der argentinische Kardinal und Jesuit Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt. Als Papst Franziskus leitet er die Kirche auf aufsehenerregende Weise.
Der Innsbrucker Dogmatik-Professor Roman Siebenrock zeigt die theologischen Hintergründe, um unseren Papst noch besser verstehen zu können.
Als Theologe habe ich zwei Papstwahlen bewusst erlebt: die von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Ich habe diese zur Kenntnis genommen und dann in kritischer Loyalität versucht, mich einzubringen“, sagt der Innsbrucker Dogmatik-Professor Roman Siebenrock zum SONNTAG.
„Mit dem ersten Auftritt von Papst Franziskus auf der Loggia am 13. März 2013 war die berufsgewohnte Selbstdistanzierung weg: Ich spürte, dass ich in dieses Projekt hineingerufen werde, weil seine Sendung ohne unsere Zustimmung mittels Gebet, Mut und Einsatz schon zu Beginn scheitern muss. Noch bevor er irgendeine Handlung setzte, bat er uns, für ihn zu beten.“
Franziskus hat Siebenrock ermutigt, „die mystische Dimension des Glaubens in den Mittelpunkt meines Tuns zu stellen“. „Dabei stellen sich mir immer wieder neu zwei Fragen: Wie ist das Gott-Finden in allen Dingen mit der christlichen Mystik zu vereinbaren: Christus lebt in mir, in uns, mitten unter uns und wie auch dort, wo ich es noch nie vermutete?“, fragt Siebenrock.
Papst Franziskus spricht in seinen Morgenpredigten unbekümmert vom Teufel, er hat keine Angst vor der konkreten Sprache und kühnen Sprachbildern (Kirche als „Feldlazarett“ …). Was können wir Katholiken des deutschen Sprachraums von dieser päpstlichen Sprechkultur lernen?
Roman Siebenrock: Die Sprache eines Menschen misst sich immer an seiner primären Glaubwürdigkeit. Ob alle Beispiele von ihm gelungen sind, bezweifle ich. Im Gegensatz zu vielen betrachte ich seine öffentliche Kritik an der römischen Kurie (die Gesamtheit der Leitungs- und Verwaltungsorgane unserer römisch-katholischen Kirche) mit Zurückhaltung.
Aber sein Beispiel könnte uns dazu ermutigen, auch in Glaubensangelegenheiten so zu „schwätzen, wie das Maul gewachsen ist“, natürlich nicht ohne eine bestimmte Sprachkultur zu unterbieten.
Aber Vorsicht: Das Wichtigste scheint mir die Einheit von Person und Zeugnis zu sein. Nachahmungen gehen immer schief.
Was ist das Programm dieses Papstes vom „anderen Ende der Welt“, aus Argentinien? Wie lebt er die Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965)?
In seiner jüngsten Verlautbarung „Veritatis gaudium“ („Die Freude der Wahrheit“) schreibt Papst Franziskus von einer Revolution des Verhältnisses von Lehre und Leben.
Und er führt aus: „Das Volk Gottes ist auf den Pfaden der Zeit pilgernd unterwegs, in ehrlichem und solidarischem Umgang mit den Männern und Frauen aller Völker und aller Kulturen, um mit dem Licht des Evangeliums den Weg der Menschheit auf eine neue Kultur der Liebe hin zu erhellen.“
In dieser programmatischen Aussage wird die Kirche als Lernschule des Evangeliums verstanden, die das Evangelium heute nur weitergeben kann, wenn sie es mit den Menschen auf dem Weg neu lernt.
Was unterscheidet Papst Franziskus von seinen Vorgängern?
Während Johannes Paul II. einen atemberaubenden Dialog nach außen geführt hat, vor allem im Dialog der Religionen und Wissenschaften, sieht Papst Franziskus die absolute Notwendigkeit eines innerkirchlichen Dialogs, der nicht durch lehramtliche Kurzschlüsse abgebrochen werden kann.
„Man muss gemeinsam gehen: Volk, Bischöfe, Papst“, sagte Franziskus in einem Interview. Er will den Ortskirchen, den Bischöfen und uns selbst die eigene Verantwortung nicht abnehmen, sondern diese stärken. Er warnt sogar davor, alles vom Papst zu erwarten. Damit unterbricht er ein beliebtes Spiel: Bei Entscheidungen automatisch auf Rom zu verweisen, auch hier in Österreich.
Mit dieser innerkirchlichen Erneuerung nimmt er das Herzensanliegen von Benedikt XVI. auf. Auch Papst Franziskus spricht oft von „Entweltlichung“. Aber er geht dafür konkrete Schritte: Er wohnt nicht im Palast, baut das spätabsolutistische Zeremoniell ab und öffnet Castel Gandolfo. Auch teilt er offensichtlich nicht jene Sorgen und Ängste von Papst Benedikt XVI., der Glaube und Überlieferung der Kirche durch die moderne Welt als radikal bedroht ansieht.
Inwiefern ist der Weg von Papst Franziskus von der Spiritualität des Jesuiten-ordens geprägt?
Er ist durch und durch davon geprägt. Die programmatische Schrift „Evangelii gaudium“ („Die Freude des Evangeliums“) wird durch die Jesus-Beziehung strukturiert. Und der Weg der Kirche in die Zukunft wird durch eine sorgfältige Unterscheidung der Geister gefunden. Sie meint die kritische Unterscheidung von Gedanken, Gefühlsregungen und Prophetien im Hinblick auf die Frage, inwieweit sie von Gott stammen oder nicht.
Diese Unterscheidung der Geister, die der Suche nach Gott in der Gegenwart jedes Menschen dienen möchte, ist z. B. das Herzstück jener Abschnitte, die im päpstlichen Schreiben „Amoris laetitia“ („Die Freude der Liebe“) so umstritten sind.
Franziskus ermutigt zur geistlichen Begleitung, die integriert und segnet, nicht ausschließt und aburteilt. Wir sollten uns auch daran erinnern, dass der Jesuitenorden zutiefst eine missionarische Ausrichtung hatte und dass der hl. Ignatius, der Gründer der Jesuiten, von der Gestalt des hl. Franz von Assisi fasziniert war. Franziskus lebte das Evangelium „sine glossa“ („ohne Hinzufügungen“) in radikaler Armut.
Für Papst Franziskus kommt hinzu, dass er die Grundentscheidungen des Ordens seit der Generalkongregation von 1972 selbstverständlich mitträgt. Damals, in der Ära von Pater Pedro Arrupe, fasste der Orden seine Sendung unter dem Leitwort zusammen: „Glaube und Gerechtigkeit“.
Warum bilden die drei großen Schreiben „Evangelii gaudium“, „Laudato si“ und „Amoris laetitia“ den roten Faden der ersten fünf Papst-Jahre?
„Evangelii gaudium“(„Die Freude des Evangeliums“) ist der programmatische Text einer missionarischen Erneuerung der Kirche, mit so viel Ermutigung und Zuspruch. Was kann ein Papst noch mehr sagen, um uns zu eigener Verantwortung zu ermutigen?
Die Umwelt- und Schöpfungsenzyklika „Laudato sí“ („Gelobt seist du“) integriert die ökologische Frage in die Entwicklung der Christlichen Soziallehre, ohne die Frage nach der Gerechtigkeit und die Armen zu vergessen. Dass Franziskus darin die Kirche als redliche Anwältin und lernbereite Dialogpartnerin vorstellt, sagt viel über eine lernbereite Kirche, wie er sie möchte.
Das Schreiben „Amoris laetitia“ („Die Freude der Liebe“) hingegen vollendet und korrigiert einen Weg, den die Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) begonnen hat, und der tief in das Leben aller Glaubenden über Jahrhunderte eingedrungen war.
Ich möchte hier nur sagen: Es ist ein Text, den ich ohne Vorbehalt auch Kirchendistanzierten zum Lesen geben kann. Endlich eine klare Sprache! Endlich wird das Sakrament der Ehe als Ermutigung zur Gottesbegegnung als eine Berufung entfaltet! Endlich auch die offene Debatte dazu! Endlich wurden auch die wirklich gehört, die das Sakrament der Ehe zu leben haben.
Univ.-Prof. Dr. Roman Siebenrock lehrt Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck.
„Theologische Kurse/Akademie am Dom“.
Stephansplatz 3
1010 Wien
Anmeldung, Information: 01/ 51552-3708 oder www.theologischekurse.at
15. 3. 2018, 18.30-21 Uhr: „Ein Häretiker der Barmherzigkeit auf dem Stuhl Petri? 5 Jahre Papst Franziskus“, mit Univ.-Prof. Dr. Roman Siebenrock, Uni Innsbruck.
16. 3. 2018, 9-12 Uhr: „Gottesvergiftung. Mit angststärkenden Gottesbildern umgehen“, mit Univ.-Prof. Dr. Roman Siebenrock.
18-20.30 Uhr: „Mystisch angeschlossen an Gott. Der Mystiker aus Nazareth und andere religiöse Wege“, mit Univ.-Prof. Dr. Roman Siebenrock und DDr. Monika Renz, Kantonsspital St. Gallen.
17. 3. 2018, 9-16.30 Uhr: „Jenseits der Urangst. Ankommen in den Inseln unseres Vertrauens“, mit Univ.-Prof. Dr. Roman Siebenrock und DDr. Monika Renz.
21. 3. 2018, 18.30-20 Uhr: „Die leise Hoffnung, die im Dunkeln wächst. Trauer und Angst in der Kunst der Gegenwart“, mit em. Bischof DDr. Egon Kapellari, Diözese Graz-Seckau.
10. 4. 2018, 17. 4. 2018 und 24. 4. 2018 und 8. 5. 2018 und 15. 5. 2018, 15-17 Uhr: „Von der knechtischen Furcht zum Vertrauen in die Gnade Gottes“, Texte des Kirchenvaters Augustinus, mit Univ.-Lekt. Dr. Hubert Philipp Weber, Wien.
11. 4. 2018, 18.30-21 Uhr: „Angst vor dem Anderen? Die biblische Botschaft angesichts gesellschaftlicher Realitäten“, mit Univ.-Prof. DDr. Paul M. Zulehner, Uni Wien und Hans Rauscher, „Der Standard“.
12. 4. 2018, 18.30-21 Uhr: „Furcht und Faszination. Das doppelte Gesicht religiöser Erfahrung“, mit em. Univ.-Prof. DDr. Johann Figl, Universität Wien.
18. 4.2018, 15.30-18 Uhr: „Die Gabe der Tränen. Von der Lebenskunst, sich erschüttern zu lassen“, mit Dr. Gotthard Fuchs, Roncalli-Haus Wiesbaden.
18.30-21 Uhr: „Gottesfurcht. Vom wohltuenden Unterschied zwischen Gott und Welt“, mit Dr. Gotthard Fuchs.
siehe auch: Akademie am Dom: 5 Veranstaltungshighlights in 4 Tagen
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