Aufwendig ist die Sanierung der Engel vor der Karlskirche, da die Farbe den Sandstein der Statuen beschädigt hat.
Aufwendig ist die Sanierung der Engel vor der Karlskirche, da die Farbe den Sandstein der Statuen beschädigt hat.
Die Reinigungs- und Restaurierungsarbeiten an der Karlskirche sind am Dienstag, 6. Mai 2014, bereits im vollen Gange.
Nachdem die Karlskirche in der Nacht auf den 4. Mai mit Farbbeuteln beworfen und mit Parolen beschmiert wurde, sind die Reinigungs- und Sanierungsarbeiten wenige Tage später voll angelaufen. "Kompliziert ist vor allem die Arbeit an den Engeln", erklärt der Pressesprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller. "Bei den Sandsteinfiguren ist durch die Farbe die Oberfläche beschädigt, man kann sie nicht einfach nur reinigen, sondern muss sie restaurieren." Die Kosten für die Sanierung werden zirka 10.000 Euro betragen.
Einen gezielten Anschlag auf die Kirche, sieht Michael Prüller nicht. "Schmierereien an Fassaden in Wien sind leider alltäglich. Laut Polizei gibt es im Schnitt 45 Anzeigen pro Woche." Er hofft, dass die Arbeiten an der Karlskirche schnell abgeschlossen sein werden. Die Kirche kann weiter völlig unbehindert betreten werden, alle Gottesdienste finden wie gewohnt statt.
Auf die Bedeutung gemeinschaftsstiftender Werte in einer Gesellschaft verwies bei der St. Pöltner Tagung über "Kirchlichen Kulturgüterschutz und neuen Vandalismus" die Juristin und Psychotherapeutin Rotraud Perner. Wenn es heute unter jungen Menschen als chic gilt, jenes der Lächerlichkeit preiszugeben, was anderen Menschen "wichtig und heilig" ist, so sei dies ein Alarmsignal für die ganze Gesellschaft. Dieser Entwicklung könne man nur entgegentreten, indem man Beziehung-stiftende Angebote stärkt und Jugendliche gezielt aus der Anonymität heraus holt. "Wir brauchen einladende Werte - Jugendliche haben den Wunsch nach Gemeinschaft", so Perner.
Betont kirchenkritischen Initiativen wie etwa der Initiative gegen Kirchenprivilegien warf Perner vor, den Wert religiöser Symbolik für die Gesellschaft zu unterschätzen. Kirchliche Kritik sei nicht per se abzulehnen, sondern in eine Form "konstruktiver Erneuerung des gesamten Systems" umzuwandeln. "Wie können wir Jugendlichen wieder vermitteln, Stolz auf die Kultur ihres Landes zu entwickeln, zu der auch religiöse Gebäude gehören?", so die Psychotherapeutin.
Tiefenpsychologisch ausgedeutet wurden die Vandalismus-Akte vom Wiener Psychiater und Neurowissenschaftler Raphael M. Bonelli. So könne in der Häufung von Attacken auf kirchliche Gebäude durchaus ein "irrationaler antireligiöser Affekt" ausgemacht werden, der sich gezielt gegen kirchliche Symbole und Gebäude richte. Ein Blick in die Erkenntnisse der Aggressionsforschung und der Forschungen Sigmund Freuds mache dabei deutlich, dass die rational kaum erklärbaren Aggressionen gegen religiöse Einrichtungen oder auch religiöse Menschen und kirchliche Vertreter auf einer narzistischen Kränkung beruhten.
Diese könne etwa in einer "intellektuellen Kränkung" bestehen, dass Gott, so Bonelli, trotz aller Unkenrufe seitens atheistischer Denker weiterhin "nicht tot ist, sondern Religion blühe". Sie könne auch in der damit einhergehenden "Eifersucht" gründen, dass religiöse Menschen sich "in der Welt geborgener fühlen als Menschen, die sich als Atheisten in eine kalte Welt geworfen fühlen". Am wichtigsten erachtete der Psychiater jedoch die narzistische Kränkung durch die "Konfrontation mit der eigenen Schuldhaftigkeit": Wo die Gesellschaft allein dem Individuum das Wissen um Wahrheit und Moral aufbürde, da erscheine etwa der moralische und der Wahrheits-Anspruch, der einem Gottglauben entspringt, als Affront, dem man mit Aggression entgegentrete, so Bonelli.
Der an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten lehrende Sozialwissenschaftler Gerhard Bonelli plädierte abschließend für eine größere gesellschaftliche Empörung im Blick auf den kirchlichen Vandalismus. "Ich stelle fest, dass die Schranken zu solchen Taten niederer geworden sind", so Bonelli unter Verweis u.a. auf die seit den 1980er Jahren regelmäßig durchgeführten Sinus-Milieu- und Wertestudien. Im Zuge einer weitreichenden gesellschaftlichen Individualisierung sei es zu einer ebenso weitreichenden "Bedeutungsreduktion von Religion" gekommen, die die Gleichgültigkeit religiösen Symbolen und Objekten gegenüber befördert habe.
Irritiert zeigte sich Bonellli vom geringen medialen Echo und dem "ausbleibenden Aufschrei" nach den jüngsten Vandalismus-Akten in Wien und Vorarlberg. In den Qualitätsmedien sei das Thema nur knapp behandelt worden. Man stelle sich nur einmal vor, so Bonelli weiter, solche Vorfälle hätten sich in Moscheen oder jüdischen Einrichtungen und Gotteshäusern ereignet - "dann wäre der Aufschrei groß gewesen". Notwendig sei daher ein breit angelegter "Wertewandel weg von der Ego-Aktien-Gesellschaft hin zu einer wirklichen neuen Wertegemeinschaft".
Veranstaltet wurde die Tagung im St. Pöltner Bildungshaus St. Hippolyt von der Diözese St. Pölten gemeinsam mit dem Österreichischen Nationalkomitee Blue Shield, der Aktion "Halt! Gewalt!" des Landes Niederösterreich, der Landespolizeidirektion, dem Kompetenzzentrum für kulturelles Erbe und Kulturgüterschutz der Universität Wien, dem Zentrum für Risiko- und Krisenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien sowie dem Kulturgüterschutz-Panel an der Sicherheitsakademie Wien.
Wiener Karlskirche beschmiertUnbekannte bewarfen die Karlskirche mit Farbbeuteln und schmierten Parolen.
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Vandalismus-Serie in Wiener Kirchen
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Kardinal Schönborn besucht verwüstete Lazaristenkirche Wiener Erzbischof: "Kirchen weiter offen halten". Hilfe für betroffene Pfarren zugesagt. |