Als Fehler erachte er es der Wiener Kirchenrechtler Ludger Müller, die Theologie "im Ringen um ihre Wissenschaftlichkeit" auf religionswissenschaftliche Studien zu reduzieren.
Als Fehler erachte er es der Wiener Kirchenrechtler Ludger Müller, die Theologie "im Ringen um ihre Wissenschaftlichkeit" auf religionswissenschaftliche Studien zu reduzieren.
Diskussion in Wien über Verhältnis von kirchlicher Bindung und universitärer Autonomie - Kirchenrechtler Müller warnt vor "Wegducken in bloße Religionswissenschaft". Kurienmitarbeiter P. Bechina: Berufung auf höhere Autorität in Theologie ermöglicht erst wahre Autonomie.
Wie autonom sind die Universitäten - und wie autonom ist die Theologie an den staatlichen Fakultäten? Diese Frage wurde am Dienstag, 13. Mai 2014, auf einem hochkarätig besetzten Podium im Wiener Erzbischöflichen Palais in Anwesenheit u.a. des früheren Wissenschaftsministers Karlheinz Töchterle sowie des Apostolischen Nuntius in Österreich, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen, diskutiert.
Einig zeigten sich die Diskutanten darin, dass Autonomie ein zweischneidiger Begriff sei, der den Universitäten auch neue Grenzen aufnötige. Im Blick auf die Theologie zeigte man sich einig, dass Autonomie einhergehe mit Verantwortung. So könne Theologie ihre Aufgabe nur dann erfüllen, wenn sie - in ihrer Wissenschaftlichkeit von anderen Disziplinen anerkannt - ihre kirchliche Bindung in Freiheit vollziehe und nicht etwa unter lehramtlichem Zwang.
Auf den Zusammenhang von Autonomie und Wahrheit verwies Nuntius Zurbriggen in seinem Grußwort. Die universitäre Autonomie habe "nur dann Sinn, wenn sie der Autorität der Wahrheit Rechenschaft gibt", zitierte der Nuntius den emeritierten Papst Benedikt XVI.
Die Theologie stehe dabei in einer "paradoxen" Situation, insofern es ihr stets um einen doppelten Bezug gehe: "Die Freiheit des Denkens - und die Verankerung im Glauben der Kirche." Wo einer der beiden Aspekte fehle, könne man nicht mehr ernsthaft von Theologie sprechen, mahnte der Nuntius.
Der Wiener Kirchenrechtler Ludger Müller warnte in diesem Kontext ausdrücklich davor, sich als Theologie unter dem öffentlichen Rechtfertigungsdruck an den Universitäten hinwegzuducken: "Wir können unseren Dienst nur dann erfüllen, wenn wir uns auch gegenüber anderen Disziplinen selbstbewusst präsentieren", so Müller.
Als Fehler erachte er es dagegen, die Theologie "im Ringen um ihre Wissenschaftlichkeit" auf religionswissenschaftliche Studien zu reduzieren. Das würde dazu führen, dass sich die Theologie "von ihrem Urcharisma löse" und nicht länger Theologie sei.
Zugleich verwies Müller darauf, dass die Frage der Autonomie nicht nur die theologischen Fakultäten betreffe, sondern ebenso auch andere Fächer. "Es ist naiv anzunehmen, dass die Autonomie der Universitäten unbegrenzt wäre", so Müller.
Neben klaren gesetzlichen und budgetären Vorgaben gebe es auch in den Fächern selbst - sogar in den Naturwissenschaften - quasi-lehramtliche Vorgaben, wies der Kirchenrechtler hin. "Autonomie ohne Bindung ist nicht möglich", so Müller.
Ähnlich die Einschätzung der Dekanin der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät, Sigrid Müller: Die Autonomiedebatte dürfe nicht auf die Frage verkürzt werden, ob etwa die Theologie in einem engen Bindungsverhältnis zum kirchlichen Lehramt stehe oder nicht, sondern müsse ausgeweitet werden auf die Frage "Was ermöglicht Verantwortung?" Zur Wahrnehmung der Verantwortung, die die Theologie, aber ebenso auch andere universitäre Disziplinen, für die Gesellschaft tragen, brauche es Freiheit, so Müller. "Daher halte ich die Autonomie als Ermöglichung von Freiheit für zentral an der Universität und an der theologischen Fakultät."
Die Daseinsberechtigung der Theologie an staatlichen Fakultäten resultiere laut Müller nicht allein aus einer Unabhängigkeit vom Lehramt, sondern vielmehr daraus, wie sich die Theologie im Dialog der Disziplinen bewähre. Nur so seien "Vorurteile zu zerstreuen, dass wir nur Beten und nicht wissenschaftlich arbeiten", so die Dekanin.
Einen Blick auf die internationale Autonomie-Debatte bot der Untersekretär der päpstlichen Bildungskongregation, P. Friedrich Bechina. So habe sich seit dem Anschluss des Heiligen Stuhls an den Bologna-Prozess im Jahr 2003 die Situation eigentümlich gedreht: Damals habe es gerade aus dem Kreis kirchlicher theologischer Fakultäten Bedenken gegeben, dass ein Anschluss an das Bologna-System einen Verlust der fakultären Autonomie bedeuten würde.
Der Heilige Stuhl sei heute indes aktiv an der Ausbildung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes beteiligt, dessen größtes Problem die Frage der Anerkennung von Abschlüssen und Titeln unter sich selbst als autonom deklarierenden Universitäten darstelle. "Stellt sich hier vielleicht die Autonomie mehr als Fluch, denn als Segen dar?" Gegenwärtig versuche man diesem Problem nicht durch eine "Harmonisierung" zu begegnen, sondern durch die "Schaffung von Transparenz und Vergleichbarkeit", so Bechina.
Schließlich verwies Bechina auf eine Besonderheit der theologischen Grade und ihrer Anerkennung: In dem Maße nämlich, wie sie vom kirchlichen Lehramt und also vom Papst anerkannt würden, stünde hinter ihnen eine Autorität, die größer sei als jede staatlich akkordierte Anerkennung. Eine solche Berufung auf eine höhere Autorität in der Theologie ermögliche erst "wahre Autonomie" in der theologischen Forschung, so Bechina.
An der Diskussion, der die Präsentation des Bandes "Katholisch-Theologische Fakultäten zwischen 'Autonomie' der Universität und kirchlicher Bindung" vorausging, nahmen weiters der Rektor der Donau-Universität Krems, Friedrich Faulhammer, sowie Reinhold Grimm, Mitglied der Ethikkommission der Universität Wien und ehemaliges Mitglied des Universitätsrats.
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