Mit den wachsenden Problemen der Kirche, gerade junge Menschen zu erreichen, gehen zugleich Chancen einher, den Glauben neu zu entdecken. Das hat der Schweizer Altabt P. Martin Werlen am Rande der Ordenstagung in Wien erwähnt.
Mit den wachsenden Problemen der Kirche, gerade junge Menschen zu erreichen, gehen zugleich Chancen einher, den Glauben neu zu entdecken. Das hat der Schweizer Altabt P. Martin Werlen am Rande der Ordenstagung in Wien erwähnt.
Altabt von Einsiedeln: „Zerbrechen des herkömlichen kirchlichen Systems als Chance ergreifen, den Glauben neu zu entdecken“.
Mit den wachsenden Problemen der Kirche, gerade junge Menschen zu erreichen, gehen zugleich Chancen einher, den Glauben neu zu entdecken: Das hat der Schweizer Altabt P. Martin Werlen im "Kathpress"-Interview betont: "Gott spielt uns den Ball zu und wir müssen ihn weiterspielen." Viele Menschen in der Kirche würden aber immer noch auf der Tribüne sitzen und sich nicht auf dem Spielfeld beteiligen, so Werlen: "Sie schauen zu, was der Papst macht." Diese Mentalität beobachte er sowohl bei konservativen wie progressiven Kreisen in der Kirche. Das sei freilich nicht angebracht: "Wir dürfen den Papst nicht allein lassen." P. Werlen war am Dienstag, 24. November 2015 Hauptreferent beim Ordenstag der heimischen Ordensgemeinschaften in Wien-Lainz. Er äußerte sich gegenüber "Kathpress" am Rande der Tagung.
Die Konservativen seien sehr besorgt, "dass das System zerbricht, sie wollen es retten und bewahren". Das sei aber nicht christlich, "wir können nicht in der Vergangenheit stehen bleiben", so der Altabt. Die Progressiven wollten allerdings auch das System bewahren, nur eben ein bisschen modelliert. Dem hielt der Schweizer Ordensmann entgegen: "Es geht um ein Loslassen von dem, was nicht wesentlich zum Glauben gehört und dem im Weg steht, was Wesentlich zum Glauben gehört."
Die jüngste vatikanische Bischofssynode zu Ehe und Familie sah Werlen als sehr positiven Impuls, wohin es in der Kirche gehen könne: "Das war sehr katholisch". Der Papst habe zur freimütigen Diskussion aufgerufen. Jeder sollte offen seine Meinung sagen und zugleich auch die Demut mitbringen, anderen zuzuhören wenn diese andere Meinungen vertreten. Das sei bei früheren Synoden unvorstellbar gewesen. Es dürfe und müsse sogar Auseinandersetzungen geben, betonte Werlen: "Spannungen gehören zum Leben, sonst bewegt sich nichts und das wäre dann nicht Kirche."
Sehr beeindruckt zeigte sich der Ordensmann einmal mehr vom Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der das Ergebnis der Beratungen des deutschen Sprachzirkels mitgetragen habe, konkret u.a. auch die Vergebungsbitte, in der das Leid angesprochen wird, das die Kirche ledigen Müttern, unehelichen Kindern, Geschiedenen oder auch Homosexuellen angetan hat. Werlen: "Hier merkt man: Es bewegt sich etwas."
Dem "großen Schritt" der Synode müssten nun weitere Schritte folgen, forderte der Ordensmann. Auch andere Fragen in der Kirche müssen in gleicher Weise angegangen werden. Nachsatz: "Das muss aber auch erst eingeübt werden." Und: "Wir dürfen den Papst dabei nicht allein lassen." Der erste Schritt sei das Hören auf das Volk, wie dies auch bei der Synode passiert ist. Und genauso wie bei der vatikanischen Synode müsse es auch in der Ortskirche darum gehen, "dass alle Getauften miteinander unterwegs sind". Die kirchlichen Organe und Gremien müssten stets mit der Basis verbunden bleiben. Das sei eine wichtige Voraussetzung für jeden synodalen Prozess.
Auf die derzeitigen Flüchtlingsströme und Migrationsbewegungen nach Europa angesprochen, forderte P. Werlen, dass die Not der Menschen wahrgenommen werden müsse. "Da dürfen wir nicht wegschauen." Europa habe sich bisher kaum für die Not in der Welt interessiert, dabei sei man daran auch selbst schuld, so der Ordensmann unter Verweis auf die ungerechten Weltwirtschaftsstrukturen. Es gebe immer noch genügend Menschen in Europa, die der Meinung sind, dass bislang die Welt noch ganz in Ordnung sei und erst jetzt mit den Flüchtlingen die Probleme kämen, kritisierte Werlen.
Wenn die Menschen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge und Migranten nicht sofort wahrnehmen, "dass wir bereit sind, unsere Privilegien abzugeben bzw. zu teilen, dann werden uns diese Privilegien genommen. Wir können doch nicht erwarten, dass die Mehrheit der Menschen über die Medien zusieht, wie wir leben, während sie selbst dahinvegetiert." In der Schweiz seien wieder Politiker an der Macht, "deren Horizont der Welt an der Schweizer Grenze aufhört", kritisierte der Ordensmann. Und auf europäischer Ebene sei es dasselbe.
Im Kloster Einsiedeln habe man seit vielen Jahren Flüchtlinge aufgenommen, die hier auch Schule und Lehre absolvieren konnten. Derzeit beherberge man u.a. eine größere Gruppe von Syrern im Kloster. So wie Einsiedeln würde sich eine Reihe von Ordensgemeinschaften engagieren. Gesamtkirchlich könnte das Engagement für Flüchtlinge in der Schweiz freilich weitaus stärker sein, kritisierte P. Werlen.
Der auch als "Twitter-Abt" bekannte Werlen war von 2001 bis 2013 Vorsteher des Klosters Einsiedeln und hat sich als wortgewandter Mahner grundlegender Reformen in Kirche und Gesellschaft einen Namen gemacht.