Magdalena Holztrattner, Ingeborg Gabriel und Regina Polak (v.l.n.r.) diskutierten bei radio klassik Stephansdom.
Magdalena Holztrattner, Ingeborg Gabriel und Regina Polak (v.l.n.r.) diskutierten bei radio klassik Stephansdom.
In der öffentlichen Wahrnehmung kommt die katholische Kirche nicht immer gut weg, wenn es um Frauen geht. Aber ist es wirklich so schlecht bestellt? Wir fragen Frauen in katholischen Spitzenpositionen.
Die Wiener Innenstadt liegt im Dämmerlicht und der Wind rüttelt an den Fenstern von radio klassik Stephansdom, als sich hier eine hochkarätige Frauenrunde versammelt:
Ingeborg Gabriel (O.Univ.-Prof. Mag. Mag. Dr. Ingeborg Gabriel) war die erste Professorin an der damals (1996) von Klerikern dominierten katholisch-theologischen Fakultät der Uni Wien. Sie ist Professorin für Sozialethik, Vize-Präsidentin von Iustitia et Pax Europa und OSZE-Sonderbeauftragte.
Magdalena Holztrattner (Dr.in Magdalena M. Holztrattner MA) leitet als erste Frau die Katholische Sozialakademie Österreichs, eine Einrichtung der Bischofskonferenz.
Regina Polak (Assoz.-Prof. MMag. Dr., MAS) steht dem Institut für praktische Theologie vor und berät die Migrationskommission der deutschen Bischofskonferenz.
Wir reden über Frauen in der Kirche – 90 Minuten lang, und alles ist noch lange nicht gesagt. Einen kleinen Ausschnitt lesen Sie hier:
Papst Franziskus hat 2016 eine Kommission zur Klärung der Frage des Frauendiakonats eingesetzt. Der Abschlussbericht liegt seit Ende 2018 vor. Was erwarten Sie sich?
Holztrattner: Ich erwarte mir konkrete Ergebnisse, auch im Zusammenhang mit der Amazonas Synode im Herbst (Anm.: dabei wird möglicherweise die Weihe von „viri probati“, lebenserfahrenen, verheirateten Männern, diskutiert werden). Wenn der Vatikan noch lange schläft oder sich nicht traut, vielleicht mit durchaus begründeter Sorge um die Weltkirche, dann wird das die jungen Frauen nicht mehr interessieren. Wenn wir jetzt nichts tun, bleiben die Kirchen leer, was Männer und Frauen unter 50 anbelangt.
Polak: Ich bin mir sicher, ich werde noch weibliche Diakone erleben. Schon allein deswegen, weil die Missbrauchskrise die Kirche zum Handeln zwingt. Ich möchte aber ganz stark daran erinnern, dass die Tatsache, dass es überhaupt so etwas wie Frauenemanzipation gibt, im europäischen Raum auch dem Christentum zu verdanken ist.
Die Vorstellung, dass Mann und Frau gleich sind und die Taufe für beide gleichermaßen gilt, ist ein Befreiungsprozess, der es Frauen ermöglicht, nicht nur über die Familie definiert zu sein. Das sind Errungenschaften, die wir dem christlichen Glauben verdanken. Es waren auch die Kirchen in Europa, die Frauen Bildung ermöglicht haben. Auf anderen Kontinenten darf man die Rolle der Kirche im Bezug auf Frauenemanzipation auch nicht unterschätzen.
Es macht sich also nicht alles an der Frage des Frauenpriestertums fest, sondern es finden auf eine andere Art und Weise wirkliche Befreiungsprozesse auch durch meine Kirche statt – auch wenn ich unter Vielem leide.
Gabriel: Das möchte ich ganz stark unterstützen, was Du von der Geschichte gesagt hast. Es macht es natürlich noch tragischer, dass die katholische Kirche sich jetzt hier blockiert. Auch bei der Frage des Diakonats – das sind massive Rückzugsgefechte, wenn ich mich fragen muss, ob im 2. Jahrhundert vielleicht Frauen Diakonissinnen waren. Ist das die einzige Dimension, aus der heraus ich Probleme betrachten kann? Oder muss ich nicht sagen, der Heilige Geist wirkt in die Geschichte und auch in die Zukunft hinein?
Wenn man sich die Evangelien anschaut, sind da viele Stellen, wo Jesus gegen das vorherrschende Patriachat – nennen wir es mal so – agiert hat. Das ist eine Ausrichtung des Evangeliums, die über Jahrtausende nicht zum Tragen gekommen ist.
Was wünschen Sie sich für die Kirche der Zukunft?
Gabriel: Ich würde sie mir biblisch wünschen. Die Gleichheit aufgrund der Taufe ist eine Grundlage des Christentums. Ich würde mir wünschen, diesen Gleichheitsgedanken ernst zu nehmen und dann die Funktionen, die notwendig sind, in einer Kirche einzutragen und von daher ein kritisches Potential zu gewinnen, an den jetztigen Strukturen zu arbeiten. Das wird sich nicht von heute auf morgen ändern, aber ich glaube, es ist änderbar. Und ich wünsche mir, dass Frauen ermächtigt werden.
Polak: Ich sage ganz praktisch: Diakoninnen als ersten Schritt. Zweitens: Eine Offensive für junge Frauen. Wenn wir die nicht gewinnen können, dann sind unsere Diskussionen sinnlos, weil die sind die Zukunft. Drittens: Ich möchte, dass Frauen weder dämonisiert noch idealisiert werden. Diese Hochjubelreden auf Mutterschaft und Genius der Frau – da fühle ich mich selten wohl.
Holztrattner: Ich mache es an drei Begriffen fest, die die Innsbrucker Theologin Michaela Neulinger genannt hat: exzentrisch – Kirche muss raus aus der Sakristei, dorthin, wo Menschen leiden, sprachlos und ohnmächtig sind. Mutig: eine Kirche, die mutig genug ist, sogar die eigenen Ohnmächte zu überwinden. Zu sagen: „Die Kirche kann Frauen nicht weihen“, ist doch eine Ohnmachtsaussage. Und visionär: Immer wieder zu fragen: Was will Gott mit uns? Nicht: Wie können wir Mitglieder gewinnen, Strukturen erhalten – das sind alles wichtige Fragen, aber drittrangig.
Haben Sie je daran gedacht, die Kirche zu verlassen? Was hat Sie dabei bleiben lassen?
Gabriel: Für mich hat der Glaube tiefe Wurzeln und das ist ein Reichtum, der mir trotz all dieser Fragen einen festen Stand darin ermöglicht. Das heißt nicht, dass ich mir nicht manchmal gedacht hab‘, man könnte das ganze auch hinhauen. Es geht darum, wo man sich effektiv einbringen, etwas bewegen kann. Wenn ich nur an Mauern stoße, stellt sich irgendwann die Frage, ob ich nicht anderswo besser am Platz bin.
Polak: Ich verstehe, dass sich Frauen das überlegen, ich selber habe noch nie daran gedacht. Zum einen wegen meiner Gottesbeziehung, zum anderen habe ich – das klingt jetzt sehr kitschig – so etwas wie eine mystische Bindung an die Kirche. Nicht nur an die Kirche, die jetzt existiert, sondern ich bin auch mit denen verbunden, die waren, und denen, die noch kommen werden.
Den Studierenden sage ich immer, wenn sie wirklich einen kirchlichen Beruf ergreifen wollen, dann brauchen sie eine solche innere Beziehung zur Kirche, sonst überlebt man das wahrscheinlich nicht. Natürlich sehe ich in aller Schärfe die Differenz zwischen dem, wozu wir als Kirche hier sind, und dem, was nicht stimmt. Aber die Kirche ist viel mehr als das, was man sieht.
Holztrattner: Ich kenn‘ den Gedanken von Freundinnen, die ausgetreten sind. Es wird gern unterschieden zwischen Amtskirche und gelebter Kirche und das ist wirklich eine emotionale Dimension. Es ist ein Erfahrungswert: Gemeinschaft zu erleben mit Menschen, die vom gleichen Geist bewegt und getragen werden, quer über Kulturen und Sprachgrenzen hinweg.
Andererseits ist da die Frage: Welchen Platz hast du als Frau? Und ich wurde nicht nur einmal gefragt: „Sie sind doch intelligent, warum arbeiten Sie in dieser Kirche?“
Was antworten Sie auf diese Frage?
Holztrattner: Ich sag‘ nichts drauf.
Polak Ich schon: Wenn sie mich für intelligent halten, ist das ein guter Grund, sich mit der Kirche und der Theologie zu beschäftigen.
Worüber Ingeborg Gabriel, Regina Polak und Magdalena Holztrattner noch diskutierten, hören Sie am Mittwoch auf radio klassik Stephansdom.
Der März steht auf radio klassik Stephansdom
im Zeichen der Frauen.
Montag, 18.3., 17:30 Uhr: Apostelin, Prophetin, Göttin. Die weiblichen Seiten der Heiligen Schrift. Eine Sendung Stefanie Jeller.
Mittwoch, 20.3., 17:30 Uhr: Frauen in katholischen Spitzenpositionen. Monika Fischer spricht mit Ingeborg Gabriel, Regina Polak und Magdalena Holztrattner.
Freitag, 22.3., 17:30 Uhr: Traude Novy. Ein Lebensweg, gestaltet von Stefanie Jeller.
Jeden Tag: Zitate kluger Frauen, von Katharina von Siena bis Madeleine Delbrêl.
Programm & Nachhören: radioklassik.at
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