Erstmals gemeinsame Andacht von Katholiken und Angehörigen der Täuferbewegung in Wien: am Samstag im Stephansdom, mit Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn. Es gilt, der Opfer der Täuferverfolgung zu gedenken.
Eine historische Begegnung findet am Samstag im Wiener Stephansdom statt: Erstmals seit der fast 500 Jahre zurückliegenden Verfolgung der Täuferbewegung veranstalten die katholische Erzdiözese Wien und eine täuferische Lebensgemeinschaft gemeinsam eine Andacht im Stephansdom zum Gedächtnis der Opfer der Täuferverfolgung.
Neben Begrüßungs- und Segensworten von Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn und dem gemeinsamen Gebet sind der szenische Monolog „Auf der Flucht“ (Gertrud Geissler) sowie Erinnerungen an Märtyrer der Täuferbewegung vorgesehen. In einem Begleitbrief zur Einladung schreiben Kardinal Schönborn und J. Heinrich Arnold von der täuferischen Gemeinschaft Bruderhof: „Wir wollen diese Andacht mit Menschen unterschiedlichster christlicher Kirchen als Fest des Miteinander in geschwisterlicher Wertschätzung und in tiefer Freundschaft feiern. Dadurch können wir das Vergangene nicht ungeschehen machen, aber wohl der Heilung der Erinnerung dienen.“
Die Täuferbewegung entstand um die Mitte des 16. Jahrhunderts als Versuch einer ganz am Evangelium orientierten Lebensweise, zu der für die meisten Mitglieder der Verzicht auf jede Gewaltanwendung und für viele die Gütergemeinschaft gehörte. Der Name, der der Bewegung gegeben wurde, rührt daher, dass sie die Säuglingstaufe ablehnten, weil nach ihrem Verständnis die Taufe als Eintritt in die Kirche einen bewussten Glaubens- und Willensakt des Täuflings voraussetzt. Die Obrigkeiten gleichwelcher Konfession reagierten umgehend mit harter Verfolgung – auch in Wien, wo Täufer durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen oder durch Ertränken in der Donau hingerichtet wurden.
Da kein Landesherr sich zum Täufertum bekannte, fanden die Anhänger dieser Bewegung auch nirgendwo Schutz. Die Emigration nach Amerika machte eine kontinuierliche Existenz bis heute möglich; hier aber ist das Täufertum fast vollständig aus dem kulturellen Gedächtnis verschwunden. Seit wenigen Jahren gibt es auf dem Gebiet der Erzdiözese Wien in Retz im Weinviertel eine Präsenz der Bruderhof-Gemeinschaft, die 1920 in der hutterischen Tradition neubegründet worden ist. Eine zweite Präsenz dieser Gemeinschaft entsteht zur Zeit in Maria Anzbach im Wienerwald. Hierzulande gehören neben der Bruderhof-Gemeinschaft auch verschiedene täuferische Gemeinden, wie z.B. die Baptisten und Mennoniten, zu den staatlich anerkannten „Freikirchen in Österreich“.
Die Begegnung am kommenden Samstag beschreibt laut Begleitbrief die beteiligten Bekenntnisse als „Schwestern und Brüder: als Christen, die trotz der Last der Geschichte und aller theologischen Unterschiede zueinander gefunden haben und die voneinander lernen wollen, wie wir heute Jesus Christus treu dienen können.“ Kardinal Schönborn und J. Heinrich Arnold freuen sich in diesem Sinn darauf, „mit möglichst vielen Menschen aller christlichen Bekenntnisse des Vergangenen zu gedenken und unsere gemeinsame Hoffnung zu feiern“.
Andacht unter dem Motto „Die Bruderliebe soll bleiben“
veranstaltet von der Erzdiözese Wien und der Bruderhof-Gemeinschaft im Gedenken an die Opfer der Täuferverfolgung.
am 20. November 2021 von 16.15 bis 17.00 Uhr im Stephansdom, Wien I.
Es gelten die aktuellen Covid-Regeln. Anmeldung ist nicht erforderlich.
Um 13.00, 14.00 und 15.00 gibt es Führungen durch die nur an diesem Tag besuchbare Täuferausstellung „Brennen für das Leben“ im Dom (Anmeldung für die Führung: info@taeufergeschichte.at)