Kardinal Christoph Schönborn feiert am 22. Jänner 2015 seinen 70. Geburtstag.
Kardinal Christoph Schönborn feiert am 22. Jänner 2015 seinen 70. Geburtstag.
Kardinal Christoph Schönborn ist 70 Jahre alt geworden. Im Interview mit Markus Veinfurter (ORF) spricht er über die prägenden Momente seines Lebens, seine Kraftquellen, und warum er nicht so sterben möchte wie Udo Jürgens.
Mit 70 Jahren ist der Durchschnittsösterreicher längst in Pension. Träumen Sie auch schon manchmal vom Ruhestand?
Kurz und bündig: ja.
Haben Sie Pläne für die Pension?
Ich wüsste vieles. Ich würde liebend gerne wieder unterrichten. Aber dafür ist man als Universitätsprofessor mit 70 erst recht im Out. Das fehlt mir sehr: die Zeit zum ruhigen Studieren, zum Schreiben ohne Druck. Aber das ist halt so.
Haben Sie über ihren Alterssitz schon nachgedacht?
Ich glaube, Wien bleibt mein Schicksal. Früher habe ich als gelernter Vorarlberger eine sehr kritische Einstellung gegenüber Wien gehabt. Ich gestehe, dass ich nach fast 24 Jahren als Bischof Wien lieben gelernt habe.
Sie sind in einer schwierigen Zeit, mitten im „Fall Groer“ Erzbischof geworden. Was hat Ihnen die Kraft gegeben durchzustehen?
Ich glaube, schon die Hilfe von oben, dass Gott mir Kraft gegeben hat. Aber auch die Tatsache, dass wir da einfach durch mussten. Als ich am Freitag vor dem Palmsonntag 1995 spätabends vom Nuntius angerufen wurde – der Papst lässt mich fragen, ob ich bereit bin Koadjutor zu werden, also Nachfolger –, habe ich keine Sekunde nachgedacht und sofort gesagt: Das ist klar. In einer solchen Situation muss man dazustehen, auch der Menschen willen, der Gläubigen willen. Da ist es egal, ob das dir passt oder nicht.
Was Kardinal König in seinem Testament gesagt hat, war aber dann eines der schönsten und trostvollen Worte: dass er sich freut, dass die Erzdiözese Wien wieder auf einem guten Kurs ist. Ich habe auch dazu beitragen dürfen, aber das waren viele, die zusammengestanden sind, die zusammengehalten haben.
Gibt es für Sie auch Heimat im übertragenen Sinn, etwas, das in schwierigen Stunden Halt gibt?
Es gibt ganz liebe Freunde. Freundschaften, die tragen. Das ist eine große Hilfe. Ein großes Geschenk für mich ist auch die Musik.
Sie wurden 1945 geboren und eigentlich ein Flüchtlingskind.
Das hat mein Leben entscheidend geprägt. Wir sind wirklich mit Nichts nach Österreich gekommen – meine Mutter mit zwei Kindern und zwei Koffern – und haben jahrelang in provisorischen Möbeln gelebt. Ich sehe noch die zwei Obststeigen, über die ein Stück Stoff gebreitet war. Das war das vornehme Tischerl im Salon, der zugleich Kinderzimmer, Schlafzimmer und alles war. In diesem Provisorium haben wir bis Ende der 50er Jahre gelebt, bis meine Mutter ein eigenes Haus bauen konnte.
Ohne Bedauern denke ich an die alte Heimat, an Böhmen. Das ist wirklich Geschichte, und ich kann die nicht verstehen, die immer noch Ressentiments haben. Ja, wir sind vertrieben worden. Aber wir haben ein neues Leben – und die Freiheit, die die Verwandten in der kommunistischen Tschechoslowakei verloren hatten.
Im Psalm heißt es: Das Leben dauert 70 Jahre, und wenn es hochkommt, sind es 80 Jahre. Und das Beste daran ist Mühsal und Beschwer, und rasch geht es vorbei…
Ja das stimmt beides. Das Beste im Leben die Mühsal und Beschwer... Ich kann das so verstehen: Ich bin sehr dankbar für die schweren Zeiten in meinem Leben. Im Rückblick erkenne ich, dass ich dadurch unglaublich viel gelernt habe. Aber ich bin sehr dankbar, dass ich durch bin, dass ich es halbwegs heil überstanden habe und nicht zugrunde gegangen bin.
Was sind Ihre Kraftquellen?
Ich bin vor 44 Jahren hier in Wien von Kardinal König zum Priester geweiht worden. Und ich habe in diesen 44 Jahren nie die tägliche Heilige Messe ausgelassen, außer wenn ich krank war. Ich sage ohne Zögern: Das ist die Hauptkraftquelle.
Als Dominikanermönch sind Sie ja auch einen strikt geregelten Tagesablauf gewöhnt, der Zeit für Gebet, Muße und Erholung hat.
Da berühren Sie einen sehr schmerzlichen Punkt. Was mir am meisten fehlt in der Zeit meines Bischofsdienstes, das ist die klösterliche Gemeinschaft, in der ich 30 Jahre gelebt hat, mit ihrem regelmäßigen Rhythmus. Ich habe nicht gelernt, mir diesen Rhythmus selber zu machen, ich musste es lernen, und ich lerne es schwer. Wenn im Kloster die Glocke läutet, lässt man die Füllfeder fallen und geht zum gemeinsamen Chorgebet. Jetzt läutet keine Glocke. Ich muss mir die Zeit selber erkämpfen.
Ist im Alter von 70 Jahren auch schon eine Perspektive da auf das Ende, auf den Tod?
Ja absolut. Man könne jetzt mit Woody Allen ironisch sagen: Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich will nur nicht da sein, wenn er kommt.
Aber nein. Ich habe mir beim Tod von Udo Jürgens gedacht: Möchte ich so plötzlich aus dem Leben gerissen werden? Nein, möchte ich nicht. Ich möchte schon bei meinem Tod dabei sein. Ich habe so beeindruckend den Tod meines eigenen Vaters erlebt. Ich war bei ihm bis zum letzten Atemzug. So bewusst Abschied nehmen und dann hinübergehen, das ist mir schon sehr viel wünschenswerter als ein plötzlicher Tod.
Was wünscht sich der Erzbischof von Wien zum Geburtstag?
Für mich persönlich schlicht und einfach mehr Zeit für das Besinnliche, das Lesen, das Beten. Mehr Zeit auch für die Freunde. Für meinen Dienst wünsche ich mir, dass der Geist, der mit Papst Franziskus so spürbar durch die Kirche und die Welt weht, bei uns wirklich ankommt und dass die Freude des Evangeliums spürbarer wird.
Ich höre von so vielen Menschen, die mit der Kirche ganz wenig am Hut haben, wie sehr sie diesen Papst schätzen. Warum? Aus dem einfachen Grund: Sie fühlen sich von ihm angenommen, sie fühlen sich wertgeschätzt. Wenn das rüberkommt, wenn das stärker wird – das wäre für mich schon der große Wunsch.
Das von Markus Veinfurter geführte und hier gekürzt wiedergegebene Interview wurde in Ö1 am Sonntag, den 18. Jänner, in der Sendung „Erfüllte Zeit“ ausgestrahlt.
Es kann in der Originalfassung unter http://oe1.orf.at/erfuelltezeit nachgehört werden. Die Kirchenzeitung "Der Sonntag" bedankt sich beim ORF für die Abdruckgenehmigung.
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