Die fernöstliche Mystik fasziniert viele Menschen des Westens. Für den interreligiösen Dialog ist jedoch die Kenntnis der geistigen und kulturellen Wurzeln dieser spirituellen Wege wichtig.
Das kolonisierende Europa hat die Hochreligionen Asiens als "Ismen" bezeichnet (Hinduismus, Buddhismus etc.). Das entspricht dem rationalistischen Denken des Westens eher als der religiösen Vielfalt des Ostens. Immerhin erfassen diese Bezeichnungen doch einigermaßen die Tiefenströme, die heute die religiöse und profane Oberfläche der schnell wachsenden Menschheit unterspülen.
Zunächst werden die alten Traditionen Indiens in all ihrer Vielfalt unter dem Titel "Hinduismus" aus ihrem geschichtlichen Werden halbwegs deutbar. Es geht hier zunächst um die Befriedung feindlicher Mächte durch Opferkult. Iranische Immigranten haben später diese archaischen Formeln und Riten vergeistigt und künstlerisch dargestellt. Sie haben versucht, die Gegensätzlichkeiten der kosmischen und sozialen Welt so zu analysieren, dass sie sich in tieferen Begründungen auflösen.
Unterschiede können nicht gewaltsam gelöst werden, ohne ihre Täter einzuholen: Scheinwelten kehren als Gegenwelten so lange wieder, bis sie durch reine Einsicht durchschaut werden. Somit bleibt das durchgeistigte Annehmen die einzige Form einer echten Sublimierung, also Umwandlung, und der Weg zu einem erlösten Eingehen in das All.
Der Buddhismus sucht die unerlöste Scheinwelt dadurch aufzulösen, dass er sie gänzlich verinnerlicht. Er sieht die vorliegenden Gegensätzlichkeiten als Ergebnis ungeordneter Gier oder Angst. Werden letztere im Zuge der Yogamethode durch Gleichmut abgelöst, dann schwindet mit dem vorgegebenen Selbst auch die vorfindliche Gegensätzlichkeit: Verfließt dieser Unterschied, so wird "alles eins" – Nirvana –, Qualitäten (gut und böse), Quantitäten (vorher und nachher als Begrenzung der Gegenwart, außen und innen als Wechsel von Begegnung und Gegenständen etc.).
Abgehoben von seinem hinduistischen Hintergrund ist der Buddhismus freilich trotz seiner weltweiten Verbreitung nicht gut verständlich. Die westliche Rezeption ("Euroyana") kommt vielen jungen Intellektuellen insoweit entgegen, als sie ihre persönlichen und fachlichen Identitätskrisen mit einem Weisheitsmodell unterfängt.
Auch die chinesischen "Universismen" finden im Westen (oft vermischt mit anderen religiösen Konzepten) viel Anklang, weil sie den Vernunftanspruch des Monotheismus radikal relativieren und die Bewusstseinsmitte des Einzelnen in die kosmische (Daoismus) oder soziopolitische Harmonie (Konfuzianismus) auslagert.
Aus dieser Selbstauslieferung an die Ordnung der Dinge und Menschen werden empirische Kräfte ausgelöst, die heilende Wirkung versprechen und manchmal auch geben. (Man denke bei uns an die hohe Konjunktur der chinesischen Medizin oder kinetischen Therapie bzw. auch an die Nützlichkeit harmonisierender Haltungen unter einem totalitären politischen System.)