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25.10.2017 · Weltkirche · Glaubenswissen

„Enge Verbündete, Freunde, Brüder“

„Nostra aetate“ öffnete eine Tür durch die der Kirche ein neuer Weg in ihrem Verhältnis zum Judentum und zu ihrer eigenen Erneuerung eröffnet.

Das jüdische Dokument „Zwischen Jerusalem und Rom“ ist ein Meilenstein im christlich-jüdischen Dialog. Wir Katholiken werden darin als „Partner, Verbündete, Freunde und Brüder“ bezeichnet. Martin Jäggle, er spricht am 8. November bei den „Theologischen Kursen“, über die Fortschritte im christlich-jüdischen Dialog.

 

Im Rahmen einer Audienz am 31. August im Vatikan überreichte der Wiener Oberrabbiner Arie Folger als einer der Autoren ein Dokument an Papst Franziskus, das die erste gemeinsame offizielle Antwort von rabbinischen Organisationen zum Christentum bildet. 

 

Am 26. Oktober überreicht Folger in Wien die deutsche Fassung dieses Dokuments – „Zwischen Jerusalem und Rom“ – an unseren Kardinal Christoph Schönborn.


 

Univ.-Prof. Martin Jäggle, Präsident des Kordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, erläutert im SONNTAG-Gespräch die Eckpfeiler dieses Dialogs zwischen Judentum und Christentum.

 

Sind Sie mit dem Fortgang des jüdischen-christlichen Gesprächs in den vergangenen Jahren zufrieden?

 

Jäggle: Zufrieden? Das ist unangemessen, denn zuallererst bin ich dankbar. Das jüdisch-christliche Gespräch ist ein großes Geschenk, das trotz aller aufgetretenen Irritationen Bestand hat und immer wieder neue Früchte bringt.

 

So gibt es erstmals ein jüdisch-christlich gemeinsam verantwortetes Buch, das hilft, Irrtümer aufzuklären und Judentum zu verstehen: „Von Abba bis Zorn Gottes“. Es trägt zur notwendigen Erneuerung der Kirche bei. Aber hier kann ich bei allen erzielten Fortschritten nicht zufrieden sein.

 

Der Ertrag des christlich-jüdischen Gesprächs bestimmt noch lange nicht die kirchliche Wirklichkeit, wenn ich etwa an die folgenreiche Polarisierung von „Gesetz oder Evangelium“ denke oder die negative Brille, mit der das sogenannte Alte Testament gelesen wird.

 

Welche bleibende Bedeutung hat dabei die Konzilserklärung „Nostra aetate“?

 

Bis „Nostra aetate“ Nr. 4 war das prägende Verhältnis der Kirche zum Judentum antijüdisch, bestimmt von Abwertung und Ausgrenzung. Die darin begründete Judenfeindschaft hatte dramatische geschichtliche Folgen für das jüdische Volk und ist ein Verrat am Evangelium.

 

In dieser Situation bildete „Nostra aetate“ Nr. 4 zwei Jahrzehnte nach der Shoa eine Tür. Durch sie wurde der Kirche ein neuer Weg in ihrem Verhältnis zum Judentum und zu ihrer eigenen Erneuerung eröffnet.

 

Ist „Nostra aetate“ so etwas wie eine Pflichtlektüre für uns Katholiken?

 

Ja, es sollte als geschichtliches Dokument gelesen werden, um den Anfang der Erneuerung zu verstehen. Vieles, was am Weg seitdem gegangen und geschenkt worden ist, war am Anfang noch gar nicht abzusehen.

 

„Nostra aetate“ beklagt etwa den Antisemitismus, heute verurteilt die katholische Kirche den Antisemitismus als Sünde. Vor allem die Päpste, allen voran Johannes Paul II., sind auf dem von „Nostra aetate“ Nr. 4 eröffneten Weg der Kirche mutig vorangegangen. Der Mainstream der katholischen Theologie hat sie bis heute noch nicht eingeholt.

 

Was besagt das am 1. 2.  2017 veröffentlichte Dokument „Zwischen Jerusalem und Rom“ für den Dialog zwischen Judentum und katholischer Kirche?

 

Dieses erste gemeinsame Dokument der wichtigsten orthodoxen jüdischen Institutionen anerkennt die durch „Nostra aetate“ begonnene Umkehr der katholischen Kirche und würdigt diese in außergewöhnlicher Weise: Katholiken werden „als unsere Partner, enge Verbündete, Freunde und Brüder“ (!!!) geschätzt.

 

Das festigt den Dialog, der bestimmt ist von „unserem gemeinsamen Streben nach einer besseren Welt, die mit Frieden, sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit gesegnet ist.“

 

Die theologischen Unterschiede werden als „unversöhnlich“ charakterisiert, womit jetzt ein theologischer Dialog nicht möglich ist. Die Feststellung, „Katholiken und Juden (teilen) den Glauben an den göttlichen Ursprung der Tora“, ist auch ein Auftrag an die Kirche, dies all ihren Mitgliedern zu erschließen.

 

Am 31. August 2017 empfing Papst Franziskus orthodoxe Rabbiner im Vatikan. Dabei wurde viel von Zusammenarbeit gesprochen. Wie kann die aussehen?

 

Im Dokument werden als Anliegen der Einsatz für die Religionsfreiheit genannt, „die Heiligkeit des Lebens und die Bedeutung der traditionellen Familie“, sowie „das moralische und religiöse Gewissen der Gesellschaft zu pflegen“.

 

Weiters wird aufgefordert, „den Kampf gegen die neue Barbarei zu vertiefen, namentlich gegen die radikalen Ableger des Islams, (…) welche die sehr zahlreichen gemäßigten Muslime nicht verschonen“.


Im Dokument „Zwischen Jerusalem und Rom heißt es: Sowohl die „Europäische Rabbinerkonferenz“, als auch der „Rabbinische Rat von Amerika“, sowie das „Großrabbinat Israels“ sind dabei, in eine Ära der wachsenden Toleranz, der gegenseitigen Achtung und Solidarität zwischen den Mitgliedern unserer jeweiligen Glaubensrichtungen einzutreten.

Was ist damit konkret gemeint?

 

Nicht nur von jüdischer Seite gab es eine große Skepsis, ob die Kirche in ihrer Gesamtheit wirklich „Nostra aetate“ Nr. 4 folgen wird, die „Lehre der Verachtung“ revidiert und bekräftigt: „Gott wirkt weiterhin im Volk des Alten Bundes“ (Papst Franziskus). So haben sich Piusbrüder von der Kirche getrennt, auch weil sie das neue Verhältnis zum Judentum ablehnen.

 

Nun anerkennt die jüdische Orthodoxie, „dass die kirchliche Lehre von jedweder Feindseligkeit gegenüber Juden bereinigt wurde, wodurch Vertrauen und Zuversicht zwischen unseren jeweiligen Glaubensgemeinschaften wachsen konnten“. Und sie vertraut darauf, dass diese Veränderung dauerhaft ist.

 

Wie kann dem wieder entflammten Antisemitismus begegnet werden?

 

Antisemitische Argumentationsmuster werden gesellschaftlich und politisch viel zu sehr toleriert und als „Es war nicht antisemitisch gemeint!“ legitimiert.

 

Mit zwei Fragen sollte sich die katholische Kirche beschäftigen: Bestimmt Wertschätzung des jüdischen Volkes und des Ersten Testaments durchgehend ihre Verkündigung? Werden für judenfeindliche Agitation missbrauchte Texte des Neuen Testaments angemessene interpretiert? Sonst gedeihen unbedacht antisemitische Vorurteile.

erstellt von: Der SONNTAG / Stefan Kronthaler
25.10.2017
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Weitere Informationen:

 

 

„Wege aus der Angst“

lautet das Semesterthema der „Theologischen Kurse“.

Ort: Stephansplatz 3, Wien 1.
Anmeldung, Information: 01/ 51552-3708 oder www. theologischekurse.at

 

8. 11: 18.30-21 Uhr: „Juden und Christen: Zwei unverwechselbare Berufungen.“ Eine jüdisch-christliche Antwort auf das Dokument „Nostra aetate“, mit Em. Univ.-Prof. Dr. Martin Jäggle, Wien.


16. 11: 19.30-21 Uhr: „Transmission von Trauma. Generationsübergreifende Folgen“, mit Dr. Elisabeth Brainin, Wien.


17. 11: 15.30-18 Uhr: „Der Ort der Götter. Das Göttliche in Mythos, antiker Philosophie und Kultur“, mit Dr. Bernhard Braun, Innsbruck.


22. 11: 18.30-21 Uhr: „Zwischen Bedrängnis und Ekstase: Anton Bruckner“, mit Dr. Elisabeth Maier, Wien.


29. 11: 16-18 Uhr: „Das Böse. Philosophisch-religiöse und kriminalpsychiatrische Aspekte“, mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Haller, Frastanz.


29. 11: 18.30-20.30 Uhr: „Die Macht der Kränkung und die Kraft des Vergebens“, mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Haller, Frastanz, und Sr. Dr. Melanie Wolfers SDS, „IMpulsLeben“ und Autorin, Wien.


6. 12: 18.30-21 Uhr: „Der Messias“ (Oratorium von Georg Friedrich Händel), mit Dr. Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Katholischen Bibelwerks Österreich.

 


weitere Informationen zu

 

Der SONNTAG
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
1010 Wien
T +43 (1) 512 60 63
F +43 (1) 512 60 63-3970

E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at

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