Menschen, die extremistischen Ansichten folgen, nehmen sehr viel in Kauf. Sie kapseln sich in eine parallele Welt ab - und zwar nicht nur theoretisch, sondern vielerorts auch in all ihren Kontakten und Lebensumständen.
Menschen, die extremistischen Ansichten folgen, nehmen sehr viel in Kauf. Sie kapseln sich in eine parallele Welt ab - und zwar nicht nur theoretisch, sondern vielerorts auch in all ihren Kontakten und Lebensumständen.
Auf Demos Schulterschlüsse von Impfgegnern mit Antisemiten und "Staatsverweigerern."
Die Corona-Pandemie hat viele extremistische Tendenzen an die Oberfläche gespült, die lange Zeit im Verborgenen blieben. Wie Franz Hammer, Extremismusbeauftragter im Kulturbüro Sachsen, in einer kirchlich veranstalteten Podiumsdiskussion in Salzburg über Verschwörungsideologien darlegte, würden Impfgegner Schulter an Schulter mit antisemitischen Gruppierungen, Rechtsextremisten und "Staatsverweigerern" auf denselben Demonstrationen protestieren. "Teilweise mit höchst unterschiedlichen Motiven, aber mit ähnlichen Zielen", wie Hammer laut einer Aussendung des Katholischen Bildungswerks Salzburg am Freitag betonte.
Als weitere Fachleute waren bei der gemeinsam mit der Universität Salzburg und dem Zentrum für jüdische Kulturgeschichte veranstalteten Debatte über ein "brandaktuelles Thema" Verena Fabris, Leiterin der Beratungsstelle Extremismus (bOJA) in Wien, und der Salzburger Kirchenhistoriker Roland Cerny-Werner eingeladen. Schauplatz am Donnerstagabend war der größte Hörsaal der Katholisch-Theologischen-Fakultät Salzburg.
"Menschen, die extremistischen Ansichten folgen, nehmen sehr viel in Kauf", wies Franz Hammer hin: "Sie kapseln sich in eine parallele Welt ab - und zwar nicht nur theoretisch, sondern vielerorts auch in all ihren Kontakten und Lebensumständen." Die Betreffenden, so der Extremismusbeauftragte, suchten nicht selten den Weg in die Anonymität, nähmen oftmals ihre ganze Familie mit und beschränke sich auf Kontakte mit Gleichgesinnten, "was den inneren Zusammenhalt und die starre Perspektive auf die Welt noch einmal verschärft".
Vor der Pandemie unbeachtete extremistische Tendenzen treten nach den Worten Hammers nun zutage. Dadurch ergäben sich wiederum ganz neue Formen und gefährliche Mischungen, die durch Soziale Medien und neue Kommunikationskanäle noch angefacht würden. "Gerade dort wird vielen die Möglichkeit geboten, unter dem Radar der gesellschaftlichen Öffentlichkeit zu verschwinden, aber gleichzeitig gefährlich aktiv zu bleiben", warnte der deutsche Experte.
Laut Verena Fabris wäre es "zu einfach, würden wir die Anhänger von Verschwörungserzählungen als isolierte und abgeschlossene Gruppe behandeln". Sie betonte, dass es immer auch gesellschaftliche Bedingungen sind, die gefährliche Ideologien entstehen und wachsen lassen. "Verschwörungsgeschichten üben eine Faszination aus, weil sie den Zugang zu einer geheimen Wahrheit versprechen, aus der man die Wirklichkeit anders erklären kann", so Fabris. Menschen, die sich solchen Mythen anschließen, würden sich dadurch entlasten, "weil sie alle Probleme, Fragen und Ereignisse anhand einer einzigen Scheinlogik erklären möchten".
Der Salzburger Theologe Roland Cerny-Werner nahm zu dem Thema auch die christlichen Kirchen in die Pflicht: "Viele der aktuellen Narrative in Verschwörungsideologien haben ihren Ursprung im kirchlichen Antijudaismus und Antisemitismus." Den Kirchen komme aufgrund dieser historischen Last auch eine besondere Verantwortung in der Gegenwart zu: "Heute erleben wir, dass sich viele Verschwörungsmythen nach wie vor aus klassischen Motiven speisen: Es gibt neue Begriffe für uralte Formen", sagte Cerny-Werner. Es sei kein Zufall, dass sich Bewegungen wie "QAnon" auf Geschichten wie Ritualmord, Elitenverschwörung und Bankenfamilien stützen. "Denn das sind höchst wirksame und bekannte Narrative."
In der Diskussion gingen die Diskutanten auf den bestmöglichen Umgang mit den Anhängern von Verschwörungserzählungen ein. Er bleibe immer eine Gratwanderung, machte Verena Fabris klar: "Einerseits darf der Dialog nicht abgebrochen werden, um deren Abkapselung nicht noch mehr voranzutreiben. Gleichzeitig darf aber auch keine Bühne für solche Ideologien geboten werden." Roland Cerny Werner ergänzte: "Die allermeisten Leute aus dieser Anhängerschaft müssen sehr wohl in die Verantwortung genommen werden. Das ist keine Frage der freien Meinung mehr, sondern der Verantwortung gegenüber den Mitmenschen." Alle, die Verschwörungstheorien anhängen, müssten sich früher oder später damit konfrontieren, "welche uralten und menschenfeindlichen Stereotype sie wieder befeuern".