Die Bioethikkommission hat sich mehrheitlich für weitreichende Liberalisierungen in der Fortpflanzungsmedizin ausgesprochen; ein Minderheitenvotum gibt es für die Beibehaltung der gegenwärtigen rechtlichen Beschränkungen. Die Stellungnahme Bioethikkommission, die aus einem Mehrheits- und einem Minderheitenvotum besteht, legte die Vorsitzende Christiane Druml, gemeinsam mit der Juristin und Vertreterin des abweichenden, kritischen Minderheitenvotums, Stephanie Merckens, am Freitag, 21. September 2012 in Wien vor.
Das von 15 der insgesamt 25 Mitgliedern der Kommission unterzeichnete Mehrheitsvotum plädiert für liberale Neuregelungen in den Bereichen der Samen- und Eizellspende, der Öffnung der Fortpflanzungsmedizin für alleinstehende Frauen und lesbische Paare sowie im Bereich der Präimplantationsdiagnostik (PID). Darüber hinaus empfiehlt dieses Votum die Einrichtung einer Datenbank gerade für die PID, die strikte Reglementierung der Embryonentransferrate bei der In-vitro-Fertilisation (IVF), eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung durch Studien und eine ebenso umfassende psychosoziale Begleitung Betroffener.
Einhellig abgelehnt wird von der Kommission die Ermöglichung der Leihmutterschaft bei männlichen homosexuellen Paaren und eine insgesamt breite Öffnung der Leihmutterschaft für alle. Dies könnte unter anderem der Ausbeutung von Frauen Tür und Tor öffnen.
PID bleibt "ultima ratio"
Als "überfällig" bezeichnete Druml eine Zulassung der PID in Österreich. Eine Gefahr der Selektion oder des Dammbruchs hin zum "Designer-Baby" sehe sie nicht, so Druml, da PID stets eine "Einzelfallentscheidung" bedeute. Außerdem bleibe die PID auf die IVF beschränkt - "und auch dort sollte sie immer nur ultima ratio sein". Zulässig sollte die PID laut Mehrheitsvotum dann sein, wenn andere Fortpflanzungsmethoden keinen überlebensfähigen Embryo ergeben hätten und in denen die genetische Disposition der Eltern die Gefahr einer Fehl- oder Totgeburt mit sich bringt.
Sechs Kommissionsmitglieder scheren aus
Das von sechs Kommissionsmitgliedern unterzeichnete Minderheitenvotum plädiert dagegen für ein Festhalten am derzeitigen homologen System der IVF (der Beschränkung der IVF-Anwendung auf stabile Mann-Frau-Beziehungen), die Aufrechterhaltung der Verbote für PID sowie den Import embryonaler Stammzellen und Eizellspenden. Zugleich plädiert das vom Mediziner und Theologen Matthias Beck sowie von Walter Schaupp, Lukas Kenner, Wolfgang Mazal und Johannes Gobertus Meran unterzeichnete Minderheitenvotum für eine Stärkung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen beziehungsweise biologischen Eltern durch die Einführung einer entsprechenden Auskunftspflicht und eine Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit, um etwaigen "Reproduktionstourismus" zu unterbinden.
"Die Kommission ist sich nicht einig", brachte Stephanie Merckens die Situation zweier unterschiedlicher Voten in der Stellungnahme auf den Punkt.
"Warnzeichen" aus der Wissenschaft
Zugleich habe man jedoch auch zahlreiche "Warnzeichen" aus der Wissenschaft und aus aktuellen Studien ernstgenommen, die vor schwerwiegenden Folgen insbesondere bei der PID warnen. "PID ist nie Therapie, sondern immer Selektion", so Merckens. Unterschlagen werde bei der Diskussion der PID etwa oftmals das Risiko der Fehlbildung durch PID-geschädigte Zellen; außerdem bedeute die Testung einer einzelnen Zelle keine Garantie auf ein insgesamt gesundes Kind. Merckens verweist auch auf mögliche psychosoziale Probleme durch eine doppelte Mutterschaft bei der Eizellspende, auf Probleme, die bei hormoneller Stimulierung der Frauen vor einer Eizellspende auftreten sowie auf die Gefahr des "Medizintourismus".
Schönborn: Vom Kindeswohl ausgehen
"Dass die Bioethikkommission uneins ist, zeigt, wie tief die hier behandelten Fragen gehen", sagte Kardinal Christoph Schönborn in einer Stellungnahme am Freitag, 21. September und rät: "In Fragen der Menschenwürde ist es ein guter Weg, sich an den Schwächsten zu orientieren. Deshalb plädiere ich dafür, an erste Stelle der Überlegungen das Kindeswohl und das Prinzip zu setzen, dass Menschenleben nicht verzweckt werden dürfen." Das Schlagwort vom "Recht auf ein Kind" dürfe sich nicht gegen das Kind richten, betont der Wiener Erzbischof.
"Geht es ernsthaft um das Kindeswohl, muss man vom Recht des Kindes auf Vater und Mutter sprechen, das nicht von vornherein ausgehebelt werden darf und das Eizellspende aber auch Samenzellspende und IVF für gleichgeschlechtliche Paare und alleinstehende Personen ausschließt." Schließlich erinnert Kardinal Schönborn: "Der Gesetzgeber hatte schwere Bedenken, die ihn dazu gebracht haben, nicht alles Machbare in der Fortpflanzungsmedizin zuzulassen, und an diesen Bedenken hat sich nichts geändert."