Sonntag 28. Dezember 2025
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Von Wien nach Afrika

(24.07.2012) Der Wiener Taxifahrer Hannes Urban hat in Afrika Gesundheitsstationen und Kindergärten aufbaut. "Ich bin da zu Hause, wo ich gerade bin", sagt er im Radio Stephansdom Sommergespräch mit Michaela Sieger.

Herr Urban, Sie sind nicht nur Taxifahrer in Wien, sondern der Begründer der Organisation "Helfen wir", ein Verein für medizinische Hilfe und Entwicklungshilfe. Seit zwölf Jahren pendeln Sie zwischen Wien und Afrika. Bleibt da noch Zeit für einen Urlaub?

Ich habe eigentlich viel Zeit für Urlaub. Wenn ich in Afrika bin, vergesse ich alles, was in Österreich passiert und umgekehrt.

Das klingt ganz danach, als hätten Sie ein stressfreies Leben.

Ich bin manchmal in Zeitnot, aber Stress ist bei mir nicht angesagt.

Sich für  Menschen in Afrika einzusetzen, das verbindet man nicht gerade mit einem stressfreien Leben. Was bewegt einen Taxi-Unternehmer Menschen in Afrika zu unterstützen?

Eigentlich wollte ich schon als Kind in die Entwicklungshilfe. In jungen Jahren hatte ich mich auch bei Entwicklungsorganisationen beworben, aber einen gelernten Industriekaufmann hatte man in dieser Branche nicht gebraucht. Irgendwann habe ich angefangen Taxi zu fahren.

Das heißt, Sie hatten doch versucht sich einen Kindheitstraum zu erfüllen?

Als ich ein Kind war, haben wir zu Nikolaus immer Orangen aus Südafrika geschenkt bekommen. Diese Orangen haben außergewöhnlich gut und süß geschmeckt. Nur eines Tages gab es keine Orangen mehr am Nikolaustag, weil zu dieser Zeit in Südafrika das Apartheitsregime an die Macht gekommen war. Als Kind konnte ich natürlich überhaupt nicht verstehen, warum es plötzlich keine leckeren Orangen für mich gab. Deshalb hatte ich mir in den Kopf gesetzt, eines Tages werde ich diese Orangen dort essen, wo sie wachsen.
Im Jahr 1998 hatte ich mir diesen Wunsch erfüllt, und bin nach Südafrika gereist. In Eastern Cape traf ich auf eine Bettlerin mit einem kleinen Jungen. Ich kam mit ihr ins Gespräch. Ich wollte ihr helfen, damit ihr Sohn in den Kindergarten gehen kann. Also sagte ich zu ihr: Ich fahre nach Hause, hole Geld, dann komme ich wieder und baue hier einen Kindergarten.

Sie wollten damals also einen Kindergarten in Eastern Cape in Südafrika bauen, hatten bis dato aber keine Erfahrungen in der Entwicklungshilfe? Wie sind Sie dieses Großprojekt angegangen?

Genauso wie ich es vorhin beantwortet habe. Ich hatte überhaupt keinen Plan, also habe ich jedem meiner Taxikunden erzählt, dass ich in Südafrika einen Kindergarten bauen möchte und um Spenden gebeten. Ich habe so lange gesammelt, bis ich das nötige Geld beisammen hatte. Natürlich gab es auch Gegenwind, aber ich war von meinem Plan vollkommen überzeugt.

Von welcher Richtung kam der Gegenwind?

Leere Versprechungen oder Neid zum Beispiel. Viele hatten versprochen mich zu unterstützen, und taten es dann doch nicht. Vieles läuft eben nicht so, wie man es sich vorstellt, aber davon darf man sich nicht abhalten lassen.

Sie konzentrieren sich vor allem auf den Bau von Kindergärten, Schulen, Behinderteneinrichtungen und Krankenstationen. Gibt es einen besonderen Grund, warum sie schwerpunktmäßig Kinder, Kranke und Behinderte Menschen unterstützen?

Weil meiner Meinung nach Kinder und Kranke die Ärmsten sind. Jeder Mensch kann sich helfen, Kinder und Kranke nicht.

Kommen wir zurück in die Jahre 1998 und 1999. In dieser Zeit haben Sie Ihr erstes Projekt, den Kindergarten in Südafrika, aufgebaut.  Heute sind sie vor allem im Südsudan tätig. Wie sind sie von Südafrika in den heutigen Südsudan gekommen?

Der Südsudan war für mich vorerst kein Thema. In Sambia habe ich eine Schwestergemeinschaft kennengelernt. Eines Tages fragten sie mich, ob ich ihnen helfen könnte, Medikamente für die Krankenstation zu besorgen. Das habe ich auch getan. Also bin ich wieder nach Österreich und mit Medikamenten zurück nach Sambia. Ein Freund von mir, ein Comboni-Missionar aus Südtirol, war zu dieser Zeit in Sambia stationiert und wurde 2005 in den Sudan versetzt. Als sein Freund habe ich ihm natürlich angeboten, ich würde ihn unterstützen falls er etwas brauchen sollte. Einige Zeit später hat er dann auch um Hilfe gefragt. Wie versprochen habe ich mein Wort gehalten und bin in den heutigen Südsudan.

Also Sie reden mit den dort Ansässigen und erfahren so, wo und wie konkret Hilfe und Unterstützung gebraucht wird. Sie haben zum Beispiel vor einigen Jahren eine Imkerschule im Südsudan aufgebaut.

Mein Freund, der Comboni-Missionar erzählte mir eines Abends bei einem Gespräch im Südsudan, dass die Imker keine Schutzkleidung hätten. Deshalb müssten sie die Bienen verbrennen, um an den Honig zu kommen. Ich dachte mir, es gibt sicher österreichische Imker, die bereit wären ihren Kollegen im Südsudan eine Alternative zu zeigen. Außerdem gibt es dort unheimlich viele Mangobäume, die zweimal im Jahr Früchte tragen. Allerdings müssen fast alle verfaulen, weil die Menschen dort keine Möglichkeit haben, die Mangos in größeren Mengen weiter zu verkaufen. Es fehlt an Logistik und Infrastruktur. So ist die Idee entstanden eine Landwirtschaftsschule zu bauen.

Bei Ihnen klingt alles so einfach und leicht. Gibt es Situationen, in denen Sie sich denken: Jetzt bin ich an meine Grenzen gestoßen, jetzt gebe ich auf?

Bei den Zöllen oder der unglaublichen Bürokratie. Aber das sind eher Momente des Ärgers, dann denke ich mir nur: Aber jetzt erst recht.

Mittlerweile sind Sie nicht nur im Südsudan tätig. Sie haben auch Projekte in Kenia, Uganda, Nigeria, Sambia, und Tansania aufgebaut. Ist es schon einmal passiert, dass Projektideen aufgrund kultureller Schwierigkeiten gescheitert sind?

Diese Frage kann ich mit Nein beantworten. In Südafrika ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass ich mit den Menschen dort auf einer Ebene reden, aber auch zuhören kann. Ich esse mit ihnen am Boden, wasche mich mit demselben Wasser. Manchmal gibt es Situationen, die man nur schwer verstehen kann. Im Südsudan zum Beispiel ist das Begräbnis das wichtigste Ereignis im Leben. Wenn ein Mensch stirbt, ist das ganze Dorf im Ausnahmezustand. Verständnis für das Fremde zu haben, das ist ein Lernprozess.

Sie verbringen insgesamt ungefähr sechs Monate im Jahr im Südsudan und den Rest des Jahres in Österreich. Wie sehr prägt Sie die Zeit in Afrika?

Nach Österreich zurückzukommen, wird immer schwieriger. Das Leben im Südsudan ist so viel einfacher. Dort habe ich eine kleine Hütte, eine Kabine mit einem Kübel Wasser zum Waschen. Das hört sich für manche verrückt an, aber für mich erweckt das inzwischen ein intensiveres Lebensgefühl, als wenn ich nur die Dusche aufzudrehen brauche.

Wo fühlen Sie sich eigentlich zu Hause?

Ich bin dort zu Hause, wo ich gerade bin.  

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