Mit einem Gottesdienst im Stephansdom gedachten katholische Verbände 8. Mai 2012 der Opfer des Zweiten Weltkrieges. Der 8. Mai ist der Tag, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa endete. Das Gedenken gelte "allen unschuldigen Opfern über alle Grenzen von Nationalität und Rasse, von Kultur, Religion und Weltanschauung hinweg", betonte Domdekan Karl Rühringer in seiner Predigt.
"Wir gedenken auch jener, die im Widerstand gegen das NS-Regime ihr Leben lassen mussten, Menschen, die in Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert waren - aufgrund ihrer Gesinnung und ihrer Rasse; misshandelt, verfolgt und oftmals auf grausame Weise hingerichtet", so Rühringer. Menschliche Freiheit und Würde seien verletzt worden. Die Grundlagen demokratischer und menschlicher Gemeinsamkeit wurden umgewandelt in menschenverachtende und menschenvernichtende Gewalt.
"Falsche Propheten haben utopische Hoffnungen verheißen"
In erschreckendem Ausmaß sei die Macht des Bösen Realität geworden. "Sie nahm Menschen und Länder in Besitz. Mit Schlagworten wurden Machtansprüche verkündet, falsche Propheten haben utopische Hoffnungen verheißen", sagte Rühringer. Aus heutiger Sicht sei klar, "wenn Rasse, Nation oder Klasse als höchster Wert verkündet werden und sich mit Intoleranz und Fanatismus verbünden, dann kann solche Macht des Bösen furchtbares Unheil anrichten". Rühringer erinnerte an die "zeitlose Mahnung" Jesu Christi: "Hütet euch vor den falschen Propheten."
Wer glaubt, muss auch Widerstand leisten
"Es ist eine alte jüdisch-christliche Tradition, dass zu einem Leben im Glauben und aus dem Glauben auch der Widerstand gehört." In der Geschichte habe sich daher immer wieder eine "Kultur der Verweigerung und des Widerstandes" etabliert. Die Begründer seien die Propheten Israels gewesen, etwa Micha, Amos, Jeremia oder Ezechiel. Sie zeichneten sich durch Mut und Unerschrockenheit aus. "Die Propheten mischten sich in die Geschehnisse der Zeit und in die Politik des Landes ein. Eine prophetische Widerstandskultur entstand. Mit mutigem Auftreten haben sie nicht zuletzt auch ihr Leben aufs Spiel gesetzt."
"Menschen mit wachem Gewissen"
Prophetischer Widerstand gegen das NS-Regime wurde von unterschiedlichen Menschen geleistet. "Es waren Menschen mit einem wachen Gewissen, die frühzeitig die Gefahr dieser Ideologie geahnt haben." Viele Opfer seien auch aus den Reihen der katholischen Korporationen, Verbände und Organisationen gekommen, so Rühringer. Sie hätten sich nicht für die Ideologie sondern für die Christus-Nachfolge entschieden. In diesem Zusammenhang erinnerte Rühringer an den Vorarlberger Pater Carl Lampert, der "für sein Zeugnis für Christus hingerichtet wurde". Seine Kraft habe er sich aus den Verheißungen des Evangeliums ("Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich") geholt.
Sehnsucht des Menschen nach Frieden
Der Wunsch der vielen Zeugen war ein Leben in Gerechtigkeit und Friede. Auch der Prophet Micha habe die unstillbare Sehnsucht des Menschen nach Frieden angesprochen ("Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern…"). Diesen Frieden habe der auferstandene Christus verheißen, so Karl Rühringer.
Gedenktag 8. Mai als Handlungsauftrag
Das Gedenken am 8. Mai sei nicht nur Erinnerung und Mahnung, sondern "gleichermaßen auch Handlungsauftrag, wachsam zu sein", betonte Rühringer abschließend. In Österreich und auf europäischer Ebene müsse jede Form von Rassismus und Verhetzung bereits in den Wurzeln bekämpfen werden. "Ein aktives Eintreten für Demokratie und Menschenrecht als Fundament eines Zusammenlebens in friedlicher Gemeinschaft" sei notwendig.