"Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf…" (Jes 9,1). Diese Worte des Propheten Jesaja sind jedes Jahr am Heiligen Abend in der Christmette zu hören. Aber auch im Advent werden in den Gottesdiensten besonders viele Texte aus dem Prophetenbuch des Jesaja gelesen. "Jesaja wird immer dann gelesen, wenn der Anbruch einer neuen Zeit anzukündigen ist. Wenn es gilt, das Ende einer Zeit anzusagen. Oder aus der Not heraus eine bessere Zukunft zu versprechen", sagt Toni Kalkbrenner, Theologe und Bibelreferent des Katholischen Bildungswerks.
Das 66 Kapitel umfassende Prophetenbuch ist über mehrere Jahrhunderte einstanden. Die bekannten Worte "Tröstet, tröstet mein Volk" (Jes 40,1) eröffnen den zweiten Teil des Buches, sie stammen wahrscheinlich aus der Zeit des babylonischen Exils im 6. Jahrhundert vor Christus. "Der Prophet Jesaja selbst hat mindestens vier Könige überlebt - Usia, Jotam, Ahas, Hiskia. Es war immer eine Notzeit", so Toni Kalkbrenner. Von allen Seiten drohte dem Land Juda Krieg, es lag die Versuchung nahe, zweifelhafte Bündnisse mit den umliegenden Völkern einzugehen. Inmitten dieser Bedrohung gibt es Hoffnung, "die Frau des Königs erwartet ein Kind, der Prophet deutet das als Hoffnungszeichen." Das Kind soll den Namen "Immanuel", also "Gott mit uns" bekommen. "Der Name ist Programm", erklärt Kalkbrenner, "man braucht keine Angst zu haben".
"Dazu gibt es einen sehr ausdrucksstarken Vers beim Propheten, der zum Volk sagt: Wenn ihr euch nicht in diesem Gott festmacht, wenn ihr nicht auf Gott vertraut, dann habt ihr keinen Bestand: 'Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht' heißt es in Jesaja 7,9." Im hebräischen Text steckt in den Worten "glauben" und "bleiben" die Wurzel "amen", und das meint wörtlich "sich anhalten, festmachen".
"Übrigens in späterer Zeit, in der neutestamentlichen Zeit, wird man diesen "Immanuel" dann Jesus von Nazareth nennen", so Toni Kalkbrenner weiter. "In der Urkirche hat die Jesaja-Schriftrolle eine wichtige Rolle gespielt - man hatte ja noch kein Neues Testament." Entscheidende Themen, die das Christentum aus Jesaja aufgegriffen hat, waren: der Aufruf zur Umkehr, die Erwartung einer Friedenszeit, ein Freudenbote, der eine gute Nachricht bringt, aber auch die Vorstellung aus dem dritten Teil des Jesaja, dass zum Heilsplan Gottes nicht nur Jerusalem sondern alle Völker gehören - "vorausgesetzt, dass sie sich dem Gott Israels anvertrauen".
Radiotipp
Zur Einstimmung auf Weihnachten stellt Toni Kalkbrenner die schönsten Weihnachtstexte des Propheten Jesaja vor: zu hören am Mittwoch, 21. Dezember 2011, um 19.00 Uhr in den "Perspektiven" auf Radio Stephansdom. Eine Sendung von Stefanie Jeller.