Religion spielt in der Kunst wieder eine bedeutendere Rolle - und das werde auch so bleiben. Denn beide Bereiche seien mit den "großen Themen des Menschseins" wie Leben und Tod, Glück und tragische Vergeblichkeit, Frieden und Krieg, Schönheit und Schrecken befasst, so der Grazer Bischof Egon Kapellari bei der Verleihung des "Otto-Mauer-Kunst-Preises" am Mittwoch, 30. November 2011, im Erzbischöflichen Palais in Wien.
Der Namensgeber des Preises, der Wiener Priester und Mäzen Monsignore Otto Mauer (1907-1973), habe erkunden wollen, "was eine jeweils neue Kunst als Seismograph der epochalen Situation zu sagen hatte". Dafür habe er - nicht ohne Konflikte - die "Türen der Kirche nach außen geöffnet", erinnerte Bischof Kapellari, der in der Bischofskonferenz für Kunst- und Kulturfragen zuständig ist. Aber immer noch gelte der Auftrag an die Kirche, der Kunst zu begegnen, um "mehr und besser zu erfahren, was im Menschen, was in der Epoche ist".
Begegnung jenseits von "Einbahnstraßen"
Eine solche Begegnung sollte "freilich keine Einbahnstraße sein", fügte Kapellari hinzu. Er forderte dabei eine "Haltung des Respekts, die die Schwellen des jeweils anderen achtet", ein. Ein lebendiger Dialog sei nicht bloß ein Austausch von Standpunkten, mit dem Ziel, den anderen vom eigenen zu überzeugen.
Kunst und Religion, Politik und Transport
Der mit 11.000 Euro dotierte Preis des Otto Mauer Fonds geht heuer an den in Wien und Sofia lebenden Künstler Kamen Stoyanov. Dem Künstler, der in seinem Werk Themen wie Kunst, Religion, Politik, Transport, Nahrungsaufnahme und Konsum aufgreift, wünschte Kapellari, diese Bereiche mögen durch seine Arbeit "eine verstärkte öffentliche Reflexion erfahren".
Kulturunterschiede sind Hauptthema
Stoyanov wurde 1977 in Rousse (Bulgarien) geboren, studierte von 2000 bis 2005 Fotografie an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Die Entscheidung für die künstlerische Ausbildung in Österreich habe den Grundstein für sein Hauptthema gelegt - die Unterschiede zwischen Kulturen und die verschiedenen Auffassungen von Kultur. Dabei nimmt Stoyanov die Rolle des Beobachters und des Protagonisten ein. Seine bevorzugten Medien sind Fotografie und Video, oft werden dabei "vermeintliche Nebensächlichkeiten, unscheinbare Personen, Handlungen und Orte zu 'Hauptakteuren'".
Auch mit seinen Performances, Installationen, Texten und Zeichnungen habe Stoyanov die diesjährige Jury, der unter anderem der Rektor der Jesuitenkirche Gustav Schörghofer SJ angehört. In Arbeiten wie "Cultural Moussaka" (2010), "Formula" (2011) oder "Bringing Cultura" (2011) greife Stoyanov Themen wie Migration, Globalisierung, Ökonomisierung des kulturellen Feldes, Identitätsbildung oder Sprachbarrieren auf, hieß es. Besonders hob die Jury die "Umsetzung dieser komplexen Themenfelder in eine unverkennbare künstlerische Sprache" hervor; sie erscheine "gleichermaßen konzeptuell-reflektiert wie humorvoll und ironisch-leichtfüßig". Kennzeichnend für Stoyanovs Werk sei auch die subtile Verschränkung aus hochkulturellen und subkulturellen Phänomenen: Massenmediale Formate wie SMS-Texte, Aufkleber, Rap oder Kochshows finden in seine Arbeit ebenso Eingang wie "klassische" Positionen der Avantgardekunst.
Ausstellung im JesuitenFoyer
Vom 4. Dezember bis 15. Jänner 2012 sind ausgewählte Arbeiten im Rahmen der Ausstellung "Kamen Stoyanov: Impossible Stories" im "JesuitenFoyer" in der Wiener Bäckerstraße 18 zu sehen. Eröffnet wird die Werkschau am Freitag, 2. Dezember, um 19.30 Uhr, bei freiem Eintritt.