Mittwoch 31. Dezember 2025
Artikel aus dem Archiv

US-Holocaust-Archiv kooperiert mit Wiener Diözesanarchiv

(17.08.2011) Die Bestände zur "Hilfsstelle für nichtarische Katholiken" von Kardinal Innitzer werden digitalisiert. Es sei ein "Akt der Gerechtigkeit für Innitzer", so Diözesanarchivarin Fenzl.

Eine Kooperation zwischen dem "United States Holocaust Memorial Museum" und der Erzdiözese Wien soll dazu beitragen, ein dunkles Kapitel in der österreichischen Kirchengeschichte weiter aufzuarbeiten: die NS-Zeit. Genauer gesagt ist es die Rolle des umstrittenen Kardinals Theodor Innitzer (1932-55), der als "Kardinal des 'Heil Hitler'" in die Geschichte eingegangen ist. Konkret sieht die Kooperation vor, die Archivbestände zur von Kardinal Innitzer 1940 eingerichteten "Hilfsstelle für nichtarische Katholiken" zu digitalisieren und dem Archiv des US-Holocaust Memorial Museums zur Verfügung zu stellen. Dies teilte die Wiener Diözesanarchivarin Annemarie Fenzl am Mittwoch, 17. August 2011, mit.

 

Kooperationsvertrag am 8. September

Der Kooperationsvertrag wird laut Fenzl am 8. September in Wien im Rahmen eines Festaktes von der Museumsdirektion und von Kardinal Christoph Schönborn unterzeichnet. Das Washingtoner Museum sei von sich aus an die Erzdiözese Wien herangetreten. Ziel der Kooperation sei es, die Bestände einer breiteren Forschergemeinschaft zugänglich zu machen, um so "ein differenzierteres Bild der Person Theodor Innitzers" zu gewinnen, so Fenzl. Die Wiener Bestände werden dazu in digitaler Form dem Museumsarchiv zugeführt, bei Anfragen zur Einsicht wird die Erzdiözese Wien informiert und auch weiterhin selbstständig über eine Freigabe der Dokumente entscheiden. Der Bestand zur Wiener Hilfsstelle umfasst Dokumente, Arbeits- und Tätigkeitsberichte und Namenslisten.

 

Hilfe zur Auswanderung

Zwischen 1940 und 1945 kümmerte sich die von dem Jesuitenpater Ludger Born geleitete Hilfsstelle um die vielen Wiener Katholiken jüdischer Herkunft, die plötzlich völlig entrechtet waren, später aber auch um jüdische Menschen unterschiedlicher Konfession. Den Umständen entsprechend erstreckte sich die Arbeit der Hilfsstelle zunächst auf Auswanderungshilfe, dann auf Hilfeleistungen verschiedenster Art im Zuge der Deportationen und darüber hinaus auf die allgemeine Fürsorge. Bis zur zweiten Hälfte des Jahres 1941 war eine Auswanderung noch möglich. In bis zu 60 Fällen täglich konnte die Hilfsstelle in dieser Zeit durch Kontaktnahme mit ausländischen Organisationen Hilfe zur Auswanderung leisten. Enge Kontakte unterhielt die Hilfsstelle auch mit dem ersten Deportationsziel österreichischer Juden, dem KZ Theresienstadt.

 

"Akt der Gerechtigkeit für Innitzer"

Fenzl zeigte sich froh über die Kooperation: Sie trage dazu bei, ein ausgewogeneres Bild Innitzers zu zeichnen, der sich persönlich stark für die Hilfsstelle eingesetzt und somit zahlreichen Menschen geholfen habe. "Lange galt Innitzer nur als 'Kardinal des Heil Hitler', mit Bekanntwerden der Hilfsstelle hat es einen großen Aha-Effekt gegeben", so Fenzl. Dabei sei er nie ein Antisemit gewesen. Ihr gehe es nicht darum, "Innitzer in Schutz zu nehmen oder zu entschuldigen", dennoch sei die Kooperation "letztlich ein Akt der Gerechtigkeit für Kardinal Innitzer".

Nach dem "Anschluss" und dem deutschen Einmarsch im Jahr 1938 hatte Kardinal Innitzer zunächst die Hoffnung auf einen Ausgleich zwischen Kirche und NS-Regime. Dazu stattete er am 15. März 1938 Adolf Hitler einen Höflichkeitsbesuch im Wiener Hotel Imperial ab. Hitler hatte Innitzer dabei versichert, die Kirche in Österreich werde Loyalität zum neuen Staat nicht bereuen - eine Finte, so das Urteil von Kirchenhistorikern.

 

"Unser Führer ist Jesus Christus!"

Wenige Tage später unterzeichneten Innitzer und der Episkopat eine "Feierliche Erklärung", in der die Bischöfe die "Verdienste" der NS-Politik würdigten. Den Österreichern wurde zur "nationalen Pflicht" gemacht, bei der anstehenden Volksabstimmung für den Anschluss zu votieren. "Beraten" wurde Innitzer dabei durch NS-Gauleiter Josef Bürckel und vom katholischen NS-Aktivist Josef Himmelreich, der ihm die Unterzeichnung mit "Heil Hitler" empfahl.

 

Die Hoffnung auf einen kirchenfreundlichen Kurs des neuen Regimes erfüllte sich jedoch nicht. Bald wurden kirchliche Zeitungen und Vereine verboten. Auch das Konkordat wurde aufgehoben. Spätestens mit den antikatholischen Ausschreitungen vom Oktober 1938 war die "Appeasement-Phase" von Seiten der Kirche zu Ende. Innitzer sprach vor Tausenden Jugendlichen im Wiener Stephansdom den durchaus politisch gemeinten Satz: "Unser Führer ist Jesus Christus!" Verfolgung und Widerstand bestimmten die folgenden Jahre.

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