Von Verfolgung und Vertreibung ist die Geschichte der Juden in Europa im 15. Jahrhundert gekennzeichnet. Die Wiener Judenstadt endete allerdings auf besonders grausame Weise: Über 200 jüdische Männer und Frauen wurden auf der Erdberger Lände verbrannt, weil sie die Taufe verweigerten, 800 Menschen wurden vertrieben, die Synagoge geschleift. Dieser Justizmord ging als "Wiener Gesera", als "katastrophales Verhängnis" in die jüdische Geschichtsschreibung ein.
Auch Theologen und Priester heizten damals die allgemein judenfeindliche Stimmung auf. Aus diesem Grund geht derzeit die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien der kritischen Erforschung ihrer Wurzeln nach. Es wird die Frage gestellt, inwiefern die Gründungsväter - die so genannte "Wiener Schule der Pastoraltheologie", darunter Thomas Ebendorfer (1388-1464) und Nikolaus von Dinkelsbühl (cirka 1360-1433) - durch ihre Schriften zu einem geistigen Klima beitrugen, das schließlich zur Vernichtung der Wiener Judenstadt führte.
Anlässlich des Jahrestages der "Wiener Gesera" befasst sich eine Tagung der Katholisch-Theologischen Fakultät mit der Vernichtung der Wiener Judenstadt "im Spannungsfeld von Politik und Religion". Veranstaltet wird die Tagung in Zusammenarbeit mit dem Institut für jüdische Geschichte Österreichs und dem Koordinierungsausschuss für christlichjüdische Zusammenarbeit.
Die Tagung untersucht, "welche Faktoren in Politik, Wirtschaft und Mentalität diesen sogar für das Mittelalter ungewöhnlich grausamen Pogrom verursachten", so die Veranstalter. Dabei werde den "Gedächtnisspuren in christlichen und jüdischen Quellen" nachgegangen. Außerdem werden im Rahmen einer Führung die Ausgrabungen der mittelalterlichen Synagoge am Judenplatz besichtigt.
Vortragende sind der Theologe Karl-Heinz Steinmetz von der Katholisch-Theologischen Fakultät in Wien, Eveline Brugger, Martha Keil und Birgit Wiedl vom St. Pöltener Institut für Jüdische Geschichte in Österreich, und Christian Lackner vom Institut für Geschichte der Universität Wien. Außerdem sprechen Johannes Heil von der Hochschule für jüdische Studien in Trier, Simon Neuberg vom Jiddistik-Institut in Trier und der Theologe Klaus Wolf von der Universität Heidelberg.
"Taufe oder Tod?"
Die Vernichtung der Wiener Judenstadt 1420/21 im Spannungsfeld zwischen Theologie und Politik.
Fakultätssitzungssaal der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Hauptgebäude, Stiege 8, 2. Stock
Das Programm der Tagung finden Sie hier.