Immer mehr junge Europäerinnen und Europäer stehen der Religion distanziert gegenüber. So ein Ergebnis der Europäischen Wertestudie (ESV) 2008-2010, dass die Pastoraltheologin und Religionssoziologin Regina Polak am Donnerstag, 4. November 2010, im Rahmen eines Symposions über "Werte in Österreich und Europa" in Wien, präsentierte.
Deklariert Religiöse sind bei den Österreichern unter 30 Jahren mit 45 Prozent ebenso Minderheit wie in den Nachbarländern Ungarn mit 40 Prozent, Schweiz mit 39 Prozent, Westdeutschland mit 37 Prozent oder Tschechien mit 23 Prozent. Damit liegt diese Altersgruppe durchwegs unter der Selbsteinstufung der Gesamtbevölkerung als "religiös" - in Österreich nahezu zwei Drittel.
Am frömmsten seien nach der ersten Auswertung der religiösen Aspekte der EVS die Polen, Griechen und Rumänen; als "religiöse Wüste" stellt sich laut Polak wie schon bei den vorangegangenen Studien das Gebiet der früheren DDR dar: nur 17 Prozent der Bevölkerung bezeichnet sich dort als religiös (13 Prozent der Unter-30-Jährigen).
Atheisten bleiben trotz der voranschreitenden Entfremdung von Religion jedoch weiterhin eine Randgröße in Europa: Lediglich vier Prozent aller Österreicher und sieben Prozent der Jungen lehnen den Gottesglauben ausdrücklich ab. Auch in den meisten anderen bisher untersuchten europäischen Ländern erreicht der Atheisten-Anteil nicht einmal die Zehn-Prozent-Marke; Ausnahmen sind auch hier Ostdeutschland, das laizistische Frankreich und Tschechien.
Wie Regina Polak anhand des Datenmaterials aufzeigte, ist "religiös" nicht gleichzusetzen mit "Glaube an Gott": Sechs von zehn Österreichern glauben an Gott, dieser Wert liegt somit um 15 Prozent höher als die Selbsteinstufung als religiös, was laut Polak mit kirchlicher Praxis wie Messbesuch oder Gebet assoziiert wird. Außer in Dänemark ist das Ungleichgewicht zwischen religiös und gottgläubig überall in Europa feststellbar.
Als große Entwicklungslinie in Europa bezeichnete die Religionssoziologin das "Ende der Konstantinischen Ära", die von einer wechselseitigen Stützung von Kirche und Staat gekennzeichnet war. Heute sei sowohl ein Niedergang der traditionellen kirchlichen Strukturen feststellbar wie auch das überall in Europa existierende Phänomen, dass sich unter den konfessionell Gebundenen ein hoher Anteil an deklariert "Nichtreligiösen" befindet.
Polak unterscheidet somit unter den Kirchenmitgliedern "religiös motivierte" von "ethisch motivierten". Letztere seien nicht nur durch die Reste eines "Kulturchristentums" - man ist Christ, weil es eben dazugehört - charakterisiert, sondern auch durch Erwartungen an die Kirchen zum Beispiel im sozialen Bereich beziehungsweise durch Anerkennung von deren Bedeutung für das Wertefundament einer Gesellschaft.