Dienstag 7. Mai 2024
Artikel aus dem Archiv

Die Dynamik des Papstes

(09.03.2014) Interview mit P. Bernd Hagenkord SJ (Radio Vatikan) über Papst Franziskus

Das von Kardinal Bergoglio 2007 mitgeschriebene Dokument der lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Aparecida verrät viel über Papst Franziskus: P. Bernd Hagenkord SJ (Radio Vatikan) im Gespräch. 


 

 

Meine These lautet, dass man Papst Franziskus besser versteht, wenn man auch das Aparecida-Schlussdokument (2007) liest. Ist meine Vermutung richtig?
 
Hagenkord: Auf jeden Fall. Zu Beginn des Pontifikates – ich weiß nicht, ob das heute noch so ist – bekam jeder besuchende Staatschef eine Kopie des Dokumentes vom Papst in die Hand gedrückt. Wenn man es liest, findet man dort viele Themen, die dem Papst am Herzen liegen, eben weil er selber als Redaktor an der Erstellung beteiligt war. Oder hören wir einfach nur auf das, was er als Papst in Aparecida selbst bei seinem Besuch dort im Sommer gesagt hat, da stehen Dinge drin, die für ihn bis heute prägend sind.
 
Warum werden die Stimmen der Weltkirche (Aparecida,...) im deutschen Sprachraum so wenig gewürdigt? Wird das Dokument in Lateinamerika vom Volk Gottes gelesen?
 
Hagenkord: Vor meiner Arbeit hier bei Radio Vatikan hatte ich die Gelegenheit, einige Monate in Chile Pastoral zu machen, in einer einfachen Landgemeinde. Und die hatten dieses Dokument präsent. Vielleicht nicht in allen Details, der Text ist ziemlich umfangreich, aber er wurde in Gremien und Austauschgruppen gelesen und ist ein fester Bezugspunkt. Mehr jedenfalls, als wir das von kirchlichen Dokumenten im deutschsprachigen Raum sagen können. Die Sprache ist ja auch direkter und weniger von Kompromissen geprägt, sie ist dynamisch und das kommt an, wie eben der Papst auch.
 
Die Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik würdigen das (auch in Europa gern gehörte ) Thema Befreiung. Warum entgeht es unserer Aufmerksamkeit, dass Aparecida auch von notwendiger Umkehr, Mission, Jüngerschaft, von der Dynamik des barmherzigen Samariters spricht?
 
Hagenkord: Mein Verdacht ist, dass wir zu sehr gefangen sind in den immer gleichen Themen der letzten Jahrzehnte. Mission, Umkehr, Jüngerschaft und so weiter – oder nehmen wir nur das viel geschmähte Wort von der „Neuevangelisierung“ – fallen da aus dem Rahmen. Dabei ist das urchristlich: Jesus beginnt seine Botschaft mit der Aufforderung, umzukehren. Was uns aber begegnet, ist der Vorwurf, mit „geistlichen“ Lesarten von den „wirklichen“ Themen ablenken zu wollen, also von Strukturfragen und so weiter. Diese sind wichtig, sehr wichtig sogar, aber sie dürfen nicht den Blick verstellen auf das, was uns im Glauben und im Glaubensleben prägen soll.


Der Anspruch ist schon hoch: Wir haben vollentwickelte Kirchen, Strukturen, Verwaltungen, Abläufe, Gremien und das alles aus sehr guten Gründen. Jetzt von Umkehr zu sprechen, würde uns selber in Frage stellen, und das ist nicht einfach.
 
Was ist das „Lateinamerikanische“ an der Theologie von Papst Franziskus?
 
Hagenkord: Da bin ich vorsichtig. Es wäre zu schade, da das „Exotische“ zu betonen, denn das würde ihn von uns zu weit wegrücken. Er selber kommt aus der Kultur, er selber ist durch Diktatur und Wirtschaftschaos in seiner Pastoral geprägt, aber das ist nicht auf diesen Kontinent beschränkt. Das und auch die Wertschätzung etwa der Volksfrömmigkeit auf eine Art und Weise, die bei uns etwas fremd klingt, findet man etwa auch in Afrika oder weiten Teilen Ostasiens. Es kann sein, dass das wenig „europäisch“ klingt, aber es ist auf jeden Fall mehr als nur lateinamerikanisch.
 
Was ist das typisch Jesuitische an Papst Franziskus?
 
Hagenkord: Da müsste man ein Buch schreiben. Ich selber bin ja Jesuit und da gibt es unzählige kleine Dinge, die mir auffallen, aber die ganz schwer zu erklären sind. Seine Art zu predigen, die drei Punkte, die aus dem Exerzitienbuch des Ignatius hervorgehen, seine Wertschätzung für Thomas von Aquin als Theologen und für Franziskus als Heiligen, das alles ist nicht nur den Jesuiten eigen, aber er hat das eben durch den Orden. Überhaupt seine Denkweise als Ordensmann, das hatten wir Jahrhunderte lang nicht auf dem Papstthron.
Auch seine Regierungsweise bringt Erfahrungen aus dem Orden ein, so ist etwa der Kardinalsrat der acht Kardinäle an ein Beratungsgremium der Jesuiten angelehnt, das wir „Konsult“ nennen. Und schließlich – und das freut mich natürlich persönlich sehr – spricht er ab und zu von „uns Jesuiten“ oder „meine Brüder“. Das schließt niemanden aus, da ist er sehr klar, aber er verleugnet auch nicht, aus welcher „Familie“ er geistlich kommt.

Interview: Stefan Kronthaler

 

 

„Aparecida“ und „Radio Vatikan"

 

„Aparecida 2007. Schlussdokument der 5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik“ kann man als „Stimmen der Weltkirche Nr. 41“ bei der Deutschen Bischofskonferenz (www.dbk.de) oder beim „Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz“, Kaiserstr. 161, 53113 Bonn, bestellen.


„Radio Vatikan“ können Sie von Montag bis Freitag auf „Radio Stephansdom“ (107,3) um 19.40 Uhr hören.

Gottesdienste
Finden Sie Gottesdienste in Ihrer Umgebung
Radio Vatikan
ERZDIÖZESE WIEN
Wollzeile 2
1010 Wien
Tel.: +43 1 51552 - 0

webredaktion@edw.or.at

Impressum
Datenschutzerklärung
Cookie-Einstellungen
https://www.erzdioezese-wien.at/
Darstellung: Desktop - Mobil