Sonntag 19. Mai 2024
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Den überflüssigen Ballast abwerfen

(23.02.2014) Der deutsche Ökonomen Niko Paech über Wirtschaftswachstum und Konsum.

 

„Die Wachstumsparty ist vorbei“, davon ist der deutsche Ökonom und Nachhaltigkeitsforscher Niko Paech überzeugt. Er sieht im ökonomischen Wachstum keine Option für das 21. Jahrhundert. „Unser auf Wirtschaftswachstum aufbauendes Wohlstandsmodell, vor allem Konsum- und Mobilitätsmodell, ist unrettbar geworden. Alleine deshalb, weil es die Bewahrung der Schöpfung ad absurdum führt, regelrecht gefährdet“, sagte er bei seinem Vortrag beim Neujahrsempfang der Erzdiözese Bamberg vor ein paar Wochen. „Ich prognostiziere, dass eine Kulturwende zum Weniger, zur Genügsamkeit unabdingbar ist - entweder freiwillig oder unfreiwillig. Das Motto ‚Alles immer mehr’ als Lebensphilosophie wird irgendwann weichen.“ Das neue Motto sei „Befreiung vom Überfluss“. So lautet auch der Titel seines 2012 erschienenen Buches, mit dem Paech versucht, seine Überlegungen auch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.


Wachstumsgrenzen

Grenzenloses materielles Wachstum ist auf der Erde nicht möglich. Konsumgesellschaften stehen vor einer Verknappung der Ressourcen wie Erdöl, Metalle oder Seltene Erden und verlieren dadurch die Basis für das Wirtschaftswachstum. Aber es gibt nicht nur ökonomische Grenzen des Wachstums, sondern auch psychologische: Wachstum bewirkt in reichen Gesellschaften keinen Zuwachs an Zufriedenheit, mehr Wohlstand bedeutet nicht mehr individuelles Glück.  Die allseits gepriesenen Patentrezepte wie „grünes Wachstum“ oder „nachhaltiger Konsum“ hält der Wachstumskritiker für einen Mythos. Es gebe keine Lösungen, die gleichzeitig das Bruttoinlandsprodukt steigern und die Ökosphäre entlasten. Solar- und Windenergie seien nur zu verantworten, wenn sie keine neuen Flächen beanspruchen oder Landschaften zerstören. Im Gegenzug müssten konventionelle Kraftwerke vom Netz.


Anderer Lebensstil

Als Alternative zu einem Wirtschaftsmodell, das auf ständiges Wachstum ausgerichtet ist, sieht Niko Paech das Konzept der Postwachstumsökonomie. Er plädiert für den Rückbau des Industriesystems und die Überwindung der Geldabhängigkeit. Zwei Prinzipien sind dabei entscheidend: Suffizienz und Subsistenz. „Suffizienz ist ein anderes Wort für Genügsamkeit: gut leben statt viel haben. Es heißt, die Ansprüche an die materielle Selbstverwirklichung zu reduzieren auf das Maß, das in Einklang zu bringen ist mit globaler Gerechtigkeit bei gleichzeitiger Wahrung der Schöpfung“, so Niko Paech. Klimaschutz sei die dringlichste Herausforderung, um die Schöpfung zu bewahren. Dabei komme es aber nicht darauf an, welches Auto jemand fahre oder ob man Ökostrom benutze, der gesamte Lebensstil sei entscheidend. Für eine globale Gerechtigkeit dürfte jeder Bürger pro Jahr nicht mehr als 2,7 Tonnen CO2 verursachen.


Der Verzicht auf Konsum und Mobilität könne nicht nur eine Befreiung vom Überfluss sein, sondern auch Selbstschutz vor Reizüberflutung und Konsum-Burnout. Genügsamkeit bedeute Entrümpelung von all den Dingen, die nur Zeit, Geld, Raum und ökologische Ressourcen kosten. Übrig bleibe dann, was wirklich von Wert sei.


Unabhängigkeit

Subsistenz ist laut Paech die moderne Form von Eigenarbeit und Selbstversorgung.  Wenn die konventionelle, arbeitsteilige  Wirtschaft reduziert würde, ergäbe sich eine Abnahme der Produktion und verkürzte Arbeitszeiten. Neben der entlohnten Erwerbsarbeit bleibt den Menschen Zeit, Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände selbst zu produzieren. Konsumgüter wie Auto oder Maschinen werden gemeinschaftlich genutzt. Die Nutzungsdauer der Produkte könnte erhöht werden, „indem wir wieder lernen, Dinge selbst zu reparieren“, erklärt Niko Paech und fordert neben einer weiterbestehenden globalen Arbeitsteilung eine Stärkung der Regionalökonomie. Viele Bedürfnisse ließen sich durch regionale Märkte befriedigen. Regionalwährungen könnten Kaufkraft an die Region binden. Alles nach der Formel „So lokal bzw. regional wie möglich, so global wie nötig“.

M. Langer

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