Mittwoch 24. Dezember 2025
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Das „Geheimnis" der Rundkirchen

(4.8.2013) Baudirektor Harald Gnilsen über diese ungewöhnlichen Zentralbauten.

 

„Eine Rundkirche ist ein Zentralbau, im Unterschied zu einem Längsbau, etwa einer Basilika. Ein Zentralbau ist ein Bauwerk, dessen Hauptachsen meist gleich lang“, sagt Bauamtsdirektor Harald Gnilsen. Einen einheitlichen Typus von Kirche gebe es nicht.

 

Teilweise kommen Kirchen von Tempelanlagen, teilweise von Versammlungsräumen. Gnilsen: „Ein klassischer Vorläufer der Rundkirche ist das Pantheon in Rom. Hier ist erstmals der zugängliche Raum für die Gläubigen innen“, sonst waren die Leute beim antiken Tempel immer nur „vor“ dem Heiligtum = „Pro fanum“. Das „Fanum“ war den Priestern vorbehalten.
„Der Kreis als Grundriss steht wohl für das Unendliche“, unterstreicht der Bauamtsdirektor. Das Konzept einer Rund- oder Ovalkirche sei „ein liturgisches: Mehr Ort der Versammlung, mehr Zentralbau, weniger Weg-Kirche“.


Gebaut in den 50ern

„Die Rundkirche in Liesing ist ein Bau von Architekt Robert Kramreiter, errichtet in den Jahren 1953 bis 1955. Die Kirche ist fast kreisförmig rund, letztlich aber doch ganz leicht oval“, erzählt Pfarrer Bernhard Pokorny, Dechant des Dekanats Wien 23.  Das Licht kommt großteils durch die Heiligenfenster herein, welche Heilige, Selige oder heiligmäßige Menschen mit österreichischem Bezug abbilden. Sie schauen zum Teil in die Mitte der Kirche, zum Teil Richtung Altar. „Das Kreuz kommt von der Kuppel herab, der Auferstandene ist bereits losgelöst vom Kreuz, um zu segnen“, sagt Pokorny: „Oben läuft von der Kuppel aus die Decke wellenförmig auseinander, so als wäre Christus ins Wasser heruntergekommen“.


Problem der Akustik

Die Kirche ist relativ hoch und nicht gut isoliert (Nachkriegsbau), d. h. „im Winter schnell kalt und im Sommer schnell warm“. Pokorny: „Die Achse ist leicht gebrochen: Die Kirche hat einen kleinen Winkel in sich, aus rein praktischen Gründen, um dem Grundstück, auf dem die Kirche steht, einen möglichst großen ungeteilten Garten zu ermöglichen. „Die Akustik ist eine Herausforderung, was den Nachhall betrifft“, sagt Pokorny: „Die Musik klingt lange nach – schön für die Choräle, für das Textverständnis allerdings ist die Akustik recht schwierig.“
Es können viele Menschen sitzen und sie sitzen halb kreisförmig zum Altar. „Nach hinten hin werden die der Kirche rundförmig angepassten Sitzbänke sehr lange, sodass sich nur ungern Menschen hinten in die Mitte einer Bank setzen“, weiß Pokorny. Der Vorraum der Kirche ist von 8 bis 20 Uhr offen, durch eine Glaswand kann man hineinschauen. Wegen wiederholtem Vandalismus ist die Kirche sonst nur bei Gottesdiensten ganz zugänglich.

 

Infos für eine Besichtigung während der Kanzleistunden der Pfarre: Tel: 01/869 03 65.


Ei-förmiger Grundriss

Eine Rundkirche im strengen Sinn ist die Filialkirche Oberrohrbach nicht: „Es geht eher vom Zugang her gesehen um eine Spirale“, sagt Pfarrer Franz Forsthuber (Pfarren Spillern und Kleinwilfersdorf): Der Grundriss ist „ein asymetrisches Ovoid, das noch dazu eine Öffnung hat. Die Wand an der Stelle der Öffnung neigt sich leicht nach außen, diese Öffnung wird durch eine Glaswand verschlossen.“ Dennoch entstehe damit „ein klares Zeichen für die Auferstehung Jesu“, sagt Forsthuber: „Wie das kleine Kücken sich aus eigener Kraft ins Leben dieser Welt hinauspickt, ist Christus aus göttlicher Macht auferstanden.“ Ein absoluter Rundbau setze Altar und Ambo total ins Zentrum. „Solche Lösungen wurden nach dem Konzil auch gebaut; damit ist aber fast die Hälfte der feiernden Gemeinde immer im Rücken der Rollenträger“, betont Forsthuber.


Vorteil der Ellipse

„Für Oberrohrbach war die sogenannte Communio-Aufstellung von Altar und Ambo vorgesehen“: In den zwei fiktiven Brennpunkten der Quasi-  Ellipse ist der Ort der Verkündigung und der Tisch des eucharistischen Mahles. Forsthuber: „Dennoch ist die jetzige Anordnung der Gemeindeplätze und der liturgischen Orte einer klar strukturierten Feier weitaus dienlicher als die Anordnung in den alten Wegkirchen.“ Die Kirche in Oberrohrbach „ist seit 28. September 2008 offen“, von ca. 8 Uhr morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit. Der Vorraum ist vom Kirchenraum nur durch großflächige Glaswände getrennt. Dadurch ist der Blick völlig frei. Eine totale Öffnung ist wegen des Einflugs von Vögeln und des „Besuches“ von Haustieren nicht möglich.


Noch aus der Romanik

Eine faszinierende Geschichte bietet die wohl älteste Rundkirche der Erzdiözese Wien, die Pfarrkirche Scheiblingkirchen, „deren kreisrunder, scheibenförmiger Grundriss dem Ort seinen Namen gegeben hat“, sagt Moderator Thomas Rörig CanReg. Zunächst war Scheiblingkirchen – historisch bedingt – eine Herrschaftskirche. Diese romanische Rundkirche diente jedoch auch den Siedlungsbewohnern als Zufluchtsstätte während der Ungarneinfälle. 1656 wurde die Kirche in Scheiblingkirchen zur Wehrkirche um-, das Dachgeschoss zu einem Wehrgeschoss ausgebaut.


Rörig: „Der Bautyp ist ein Zentralbau. Der Grundriss ist kreisrund, im Osten schließt eine halbförmige Apsis an.“ Das älteste christliche Vorbild für einen Zentralbau ist die Grabeskirche in Jerusalem aus dem 4. Jahrhundert. „Wir finden diesen Bautyp des Zentralbaus in Österreich oft bei Karnerbauten („Beinhäusern“).“ In Niederösterreich sind nur wenige Rundkirchenbauten aus der Zeit des 12./ 13. Jahrhunderts erhalten: Petronell, Markersdorf, Scheiblingkirchen, unterstreicht der Augustiner Chorherr aus Reichersberg: „Bemerkenswert: „Keine dieser Kirchen war damals eine Pfarrkirche.“


Der romanische Kernbau mit einem inneren Durchmesser von elf Metern und einer Apsis ist aus mächtigen geschichteten Quadern gefertigt; mit Kegeldächern gedeckt. Rörig: „Beim Betreten des Gotteshauses erweckt der runde Bau wegen seiner Gewölbeform Interesse: im Halbkreis geschlagene Diagonalgurte. Durch breite kreuzförmige Bandrippen, in je vier Gewölbekappen geteilt. Die breiten Bandrippen in querrechteckiger Form schneiden einander im rechten Winkel und enden in einer Höhe von 4 Metern in breit nach vorne gewölbten Konsolen.“ Die Vorteile des Rundbaus in Scheiblingkirchen: Gute Akustik, die Feiernden fühlen sich „wie in einem Nest“ mehr zusammengehörig, zählt Rörig auf: „Im Presbyteriumbereich steht viel Raum zur Verfügung: für Gesangsgruppen, bei Kindermessen, für Jugend, Musizierende.“


Ein Ort der Zuflucht

Die Kirche sei auch heute noch „ein Ort der Zuflucht, besonders  für betende und suchende fragende Menschen. Das Gotteshaus vermittelt das Gefühl der Geborgenheit für die, die aus dem ungeschützten Bereich der Welt hereinkommen“. Einer der baulichen Nachteile: Die dicken Mauern speichern lange die Wärme, aber auch die Kälte. Die ungewohnte runde Form des Baus sei „anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, bis man mit ihr mehr und mehr vertraut wird“. Die Rundkirche von Scheiblingkirchen ist eine wirklich „offene Kirche“, unterstreicht Rörig: „Täglich von 7 bis 19 Uhr – dank Herrn und Frau Jordan, die treu ihren Dienst tun.“

Stefan Kronthaler

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