Dkfm. Dr. Ernst Waldstein-Wartenberg, geboren 1925 in Hirschberg bei Böhmen, gilt als österreichischer „Doyen“ des Laienapostolats. Von 1972 bis 1985 war er Präsident der Katholischen Aktion der Diözese Gurk, von 1986 bis 1990 Präsident des Katholischen Laienrates Österreichs. Von 1988 bis 1992 fungierte er überdies als Präsident des Europäischen Laienforums.
Wie sieht Ihre Bilanz im Rückblick auf 60 Jahre Engagement im Laienapostolat aus? Ohne die Vergangenheit zu glorifizieren: Was ist gelungen?
Waldstein-Wartenberg: Vor 60 Jahren war die Mitwirkung von Laien in Österreich in manchem der allgemeinen Situation der Kirche voraus und ist durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) Allgemeingut geworden. Entgegen mancher Behauptungen sind wir nicht hinter das Konzil zurückgekehrt. Die Mitwirkung der Laien ist heute vielfach institutionalisiert, und diese nützen ihre Möglichkeiten weitgehend. Allerdings gibt es da im Vergleich der Diözesen Unterschiede, weil das Engagement von Laien manchmal als „störend“ empfunden wird; dadurch kommt es auch zu Rückschritten.
Wo muss noch mehr getan werden?
Waldstein-Wartenberg: Das Bewusstsein, dass Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien gemeinsam Verantwortung für ihre Kirche tragen, muss immer wieder neu geweckt werden. Dabei ist dem Brücken-Bauen (Pontifex maximus ist ein Titel des Papstes, wir sind pontifices minores) eindeutig der Vorzug vor dem Polarisieren zu geben.
Wir sollen Wegweiser für unsere Mitmenschen zur Mitte, zu Gott sein; aber die Wegweiser von ganz rechts oder links, für die Vorausgepreschten oder die „Fußmaroden“ müssen ganz verschieden aussehen – und da müssen wir unter noch viel an gegenseitigem Verständnis lernen.
Wie gehen wir richtig mit den gegenwärtigen Spannungen um?
Waldstein-Wartenberg: Viele aktuelle Spannungen sind Folgen echter Notlagen, aber zu ihrer wirklichen Lösung müsste weit tiefer angesetzt werden. Was hat sich denn in der Gesellschaft so gründlich verändert und wie, wenn überhaupt, hat die Kirche darauf reagiert? Spannungen entstehen vor allem wegen des ständig steigenden Reformstaues: Manche Hüter der Staudämme haben Angst vor dem Öffnen der Schleusen, weil sie fürchten, diese nicht beherrschen zu können. Aber der Stau könnte doch zu Turbinen geleitet werden, die ihn in Energie umwandeln.
Stichwort Zweites Vatikanisches Konzil: Was bedeutet Ihnen das Konzil? Haben wir die Konzils-Hausaufgaben schon gemacht?
Waldstein-Wartenberg: Das Zweite Vatikanische Konzil hat zu seiner Zeit einen gewaltigen Reformstau aufgelöst, aber manches ist auch damals nicht geschehen und uns zur Weiterarbeit anvertraut worden. Seither geht es wie bei der Echternacher Springprozession: drei Schritte vorwärts, zwei zurück – aber letztlich geht es doch weiter.
Unsere Kirche ist heute gefordert, den Menschen wieder eine tragfähige Wertorientierung zu bieten. Aber im derzeitigen Zustand ist sie dazu zu schwach. Wir alle müssen daher gemeinsam an der Zukunft unserer Kirche arbeiten. Es wird aber auch dringend notwendig sein, den Heiligen Geist um seinen Beistand zu bitten.
Interview: Stefan Kronthaler