Sonntag 16. Juni 2024
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Im Glauben gestärkt

(2.10.2011) Benedikt XVI. absolvierte „Mammutprogramm“ in seiner Heimat.

Es war ein „Mammutprogramm“, das Benedikt XVI. vom 22. bis 25. September in seiner Heimat absolvierte. In Berlin, Erfurt und Freiburg traf er mit deutschen Politikern, Bischöfen, Priestern und Ordensleuten zusammen, sprach mit Vertretern anderer Konfessionen und Religionen und äußerte sich dabei zu aktuellen Themen und Zukunftsfragen. Vor allem aber war seine Reise davon geprägt, dass der Papst „den Menschen begegnen und mit ihnen über Gott sprechen“ wollte, wie er es auch bei seiner Ankunft in Berlin formuliert hatte.

Mehr Konsequenz

Bei den großen Gottesdiensten in Berlin, in Erfurt und Freiburg sprach er Lob und Anerkennung aus – etwa für den sozialen und karitativen Einsatz der deutschen Katholiken. Allerdings warnte der Papst zugleich vor kirchlicher Routine. Hauptanliegen jedes Christen müsse es sein, die persönliche Gottesbeziehung zu intensiveren, durch Gebet, Messbesuch und Bibel-Lektüre. Mit Nachdruck rief er die Kirche zur Einheit und zu christlicher Demut auf. Die Entwicklung von Strukturen müsse Hand in Hand mit der Stärkung der geistigen Kraft gehen.

 

Der Papst ermahnte die katholische Kirche in Deutschland, nicht auf weltliche Privilegien zu setzen und ihren Auftrag in der Welt konsequenter zu erfüllen. Zugleich wandte er sich gegen Forderungen nach einer oberflächlichen innerkirchlichen Reform und einer Anpassung an die Welt. Er rief die Gläubigen auf, sich selbst in ihrem Inneren zu ändern und Christus konsequenter nachzufolgen.


Bei der Messe mit 70.000 Gläubigen im Berliner Olympiastadion betonte er, dass „in unserer Zeit der Rastlosigkeit und Beliebigkeit, wo so viele Menschen Orientierung und Halt verlieren, wo die Treue der Liebe in Ehe und Freundschaft so zerbrechlich und kurzlebig geworden ist“, der Auferstandene in der Kirche eine Bleibe schenke, „einen Ort des Lichtes, der Hoffnung und Zuversicht, der Ruhe und Geborgenheit“.

Wichtiger Verbündeter

Im deutschen Bundestag sprach der Papst zur Überraschung vieler Beobachter nicht zu Kirchenfragen oder Moral, nicht zu Ökumene oder Missbrauchsskandal. Vielmehr hielt er eine Rede über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats, über Vernunft und Natur, über die Voraussetzungen von Recht und Demokratie.


Im Anschluss an die Rede sagte der deutsche Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) er sehe in Benedikt XVI. einen wichtigen Verbündeten für eine verantwortungsvolle und gerechte Politik. „Ich teile seine Meinung, dass die Welt nicht durch Märkte und Börsen zusammen gehalten wird, sondern durch fundamentale Vorstellungen über Werte, Würde und Solidarität“, sagte der sozialdemokratische Politiker.

Respekt voreinander

Bei einer Begegnung mit Repräsentanten der deutschen Juden hat Papst Benedikt XVI. das Verhältnis von katholischer Kirche und Juden in Deutschland gelobt und die große Nähe zwischen beiden Glaubensgemeinschaften hervorgehoben. Christen und Juden hätten eine gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung der Gesellschaft; sie müssten die „gemeinsame Hoffnung auf Gott in einer zunehmend säkularen Gesellschaft“ bezeugen.

 

Auf die gute Chancen für eine „Zusammenarbeit“ zwischen Christen und Muslimen in Deutschland hat Papst Benedikt XVI. bei einem Treffen mit islamischen Vertretern hingewiesen. Christen und Muslime könnten aus ihrem Glauben heraus ein wichtiges gemeinsames Zeugnis „in vielen entscheidenden Bereichen des gesellschaftlichen Lebens geben. Ich denke hier z. B. an den Schutz der Familie auf der Grundlage der Ehegemeinschaft, an die Ehrfurcht vor dem Leben in jeder Phase seines natürlichen Verlaufs oder an die Förderung einer größeren sozialen Gerechtigkeit“.

Gemeinsames Zeugnis

Eines der großen Themen der Reise war die Ökumene. Benedikt XVI. besuchte in Erfurt die Stätte, an der Martin Luther die Priesterweihe empfing. In einem Vortrag würdigte er die Gottessuche des späteren Reformators auf eine Weise, wie es bislang noch nicht von einem Papst zu hören war. Auf Streitfragen und Differenzen in der Ökumene ging Benedikt XVI. nicht direkt ein. Nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame und bereits Erreichte sollten im Vordergrund stehen – so sein Appell.


Damit verband Benedikt XVI. freilich eine klare Absage an eine Ökumene der Kompromisse. Er komme ohne Gastgeschenk, meinte er mit Blick auf Forderungen nach einer Abendmahlgemeinschaft von Katholiken und Lutheranern. Einheit könne man nicht durch diplomatische Verhandlungen erreichen, sondern nur durch eine Vertiefung des Glaubens. Zugleich mahnte er einen ethischen Grundkonsens an und ein gemeinsames Vorgehen der Christen zu Lebensschutz, PID und Sterbehilfe.


Nach der Begegnung in Erfurt zogen der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer – er ist in der Österreichischen Bischofskonferenz für ökumenische Fragen zuständig – und der lutherische Bischof von Österreich, Michael Bünker eine vorsichtig positive Bilanz der Begegnung. Benedikt XVI. habe in seinen grundsätzlichen Ausführungen zur Ökumene bekräftigt, was die Kirchen eint und somit Räume für weitere Entwicklungen eröffnet, so Scheuer. Das „Ereignis selbst ist Botschaft“, betonte Bischof Bünker mit Blick auf die Gespräche und Gottesdienstfeier des Papstes an einer „Lutherstätte“. Wichtig sei, dass „die Christen ein gemeinsames Zeugnis in der Welt ablegen“.

Menschlich und offen

Papst Benedikt XVI. ist in Deutschland auch mit Missbrauchsopfern zusammengetroffen. Er sei „bewegt und erschüttert“ gewesen über das, was den Opfern und ihren Familien angetan worden sei, habe den Opfern aufmerksam zugehört, und diese hätten bei ihren Vorwürfen „kein Blatt vor den Mund genommen“, so der Bischof von Trier Stephan Ackermann.      

kap/ aha

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