Dienstag 16. April 2024
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Es geht um eine Reform des Steuersystems

(11.9.2011) Interview mit P. Alois Riedlsperger SJ

Was eine Vermögenssteuer bringen würde. Und warum das bedingungslose Grundeinkommen keine Utopie ist. P. Alois Riedlsperger SJ, Leiter der Katholischen Sozialakademie Österreichs (KSÖ), im Gespräch.


 

Was würde eine gerade jetzt viel diskutierte Vermögenssteuer bringen? Ist sie der „Stein der Weisen“, der die heimische Finanzpolitik rettet?

Riedlsperger: Dass eine Vermögenssteuer in Österreich aktuell als eine Art „Stein der Weisen“ diskutiert wird, um die Spätfolgen der Finanzkrise (z. B. die erhöhten Staatsschulden) in den Griff zu bekommen, ist sehr verzerrend. Seit der Abschaffung der Vermögenssteuern gab es ständig Initiativen von Gruppen und Organisationen; zahlreiche Vorschläge von Wirtschaftsexpertinnen und -experten, die alle die Wiedereinführung von vermögensbezogenen Steuern zum Ziel hatten.

 

Steuergerechtigkeit kann nur dann glaubhaft als Kriterium des öffentlichen Steuerwesens behauptet werden, wenn jeder und jede tatsächlich nach seinem bzw. ihrem Vermögen und Einkommen zum Gemeinwohl beiträgt. Eine ausgewogene Besteuerung aller Vermögen und Einkommen ist daher „höchste Vernunft“ eines Steuersystems, das das Vertrauen aller Bürgerinnen und Bürger hat.  

Welche alternativen Besteuerungsmodelle hat die Katholische Sozialakademie Österreichs? Wie realistisch ist die Verwirklichung dieser Alternativen?

Riedlsperger: Die Katholische Sozialakademie Österreichs setzt sich schon seit vielen Jahren für eine Reform des Steuersystems ein, die die Belastung der Erwerbsarbeit durch Steuern und Abgaben verringert und dafür andere Faktoren (wie den Verbrauch natürlicher Ressourcen) stärker belastet. Ein in diesem Sinn gerechteres Steuersystem wird auch im Sozialwort der christlichen Kirchen verlangt.

 

Wichtiger als ein konkretes Modell ist der KSÖ aber das Eintreten für einen möglichst breiten Aushandlungsprozess über die bestehende steuerliche Situation und mögliche Alternativen dazu. Dabei geht es darum, dass alle Beteiligten die weiterführenden Ziele ihres Modells transparent machen. Steuern sind ein zentrales Element, um das Hauptziel von Politik erreichen zu können: Gerechte Strukturen und Rahmenbedingungen als Voraussetzung für menschenwürdiges Leben und Basis für gesellschaftliche Teilhabe. Es ist wichtig zu betonen, dass Steuern Leistungen für die Allgemeinheit ermöglichen.

Ist das bedingungslose Grundeinkommen (noch) ein Thema der Innenpolitik?

Riedlsperger: Jedenfalls. Der „Jahrestag“ der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung jetzt im September zeigt das wieder. Erste Analysen, etwa von der Armutskonferenz,  machen bereits deutlich, dass Fragen sozialer Sicherheit in Österreich weiter diskutiert werden müssen. Es sind viele lebendige Gruppen der Zivilgesellschaft – und die KSÖ versucht nach wie vor, zu deren Aktivitäten einen Beitrag zu leisten – die sich gerade in Krisenzeiten für soziale Sicherheit einsetzen und dafür sorgen, dass sich die Politik nicht auf den mageren Ergebnissen ihrer Armutsverwaltung ausruhen kann.

Wie entkommt die europäische Finanzpolitik dem Druck, ständige neue Rettungsschirme (Griechenland, ...) aufspannen zu müssen?

Riedlsperger: Das ist eine Frage, wo wohl auch viele Finanzexpertinnen und -experten nach besseren Antworten suchen als sie bis jetzt gegeben wurden. Es geht aber ganz klar darum, die Ursachen der Finanzkrise herauszuarbeiten und diese zu beheben.

 

D. h. die Regeln für die Finanzmärkte sind neu festzulegen. Wilfried Stadler, ehemaliger Spitzenbanker, hat es so auf den Punkt gebracht: „Wenn es wieder darauf hinauslaufen soll, dass Gewinne aus der Aufschwungphase den Spielern gehören und für die Verluste im Abschwung zur Abwehr einer noch größeren Katastrophe die Gesellschaft haften soll, wird es dafür nicht nur kein Geld mehr geben. Die Bürgerinnen und Bürger würden der Wiederholung (...) zu Recht ihre Zustimmung verweigern.“
    

Interview: Stefan Kronthaler

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