Entsetzliches Leid sei über hunderttausende Menschen gekommen, meint ein betroffener Caritas-Präsident Franz Küberl zu Beginn des Gesprächs mit Radio-Stephansdom-Chefredakteur Anton Gatnar und Programmdirektor Christoph Wellner am Samstag, 19. März 2011. Die atomare Katastrophe in Japan sei eine "Abrechnung mit einer bestimmten technologischen Logik", so Küberl. Das Drama bestehe darin, dass die Rechnung immer "die Menschen zu zahlen haben, die gar nichts dafür können".
In einer Katastrophe solchen Ausmaßes müssten "Menschen zu Menschen stehen", betont Küberl. Aus Erfahrung wisse er, dass Menschen, "denen alles davongeschwommen ist", denen "das Liebste und vor allem die Liebsten genommen wurden", andere brauchen, "die in der Lage sind, ihnen zu zuhören". Küberl spricht von der "Stummheit des Tröstens, der Stummheit des Nicht-Verlassen-Werdens". Für die Menschen in Europa sei es wichtig "ein Grundmaß an Mitgefühl" zu haben.
Die "Talente-Freischaufler"
Die Hilfe der Caritas müsse immer dort ansetzen, wo "Menschen selber nicht mehr weiter können und im besonderen der Hilfe anderer bedürfen", erklärt Küberl. Die Aufgabenfeldern betreffen Armut im materiellen Sinn, Obdachlosigkeit, Menschen in schwierigen Familiensituationen, Gebrechlichkeit des Alters, Menschen mit Behinderung sowie Menschen ohne Beschäftigung. Dabei sei es wichtig zu erkennen, dass "Menschen nie nur ein Problem sind, sondern Talente und Fähigkeiten haben", betont Küberl. "Unsere Caritasleute sind Talente-Freischaufler", damit jene Menschen wieder "selber ein Stück ihres Weges gehen können".
"Damit Gerechtigkeit Einzug halte"
Franz Küberl wurde 1995 Caritas-Präsident von Österreich, er sieht seine Aufgabe auch darin, "mitzuhelfen, dass die Stimme jener Menschen, die sich der Caritas anvertrauen, eine öffentliche Stimme bleibt". Weiters müsse er die Gesellschaft daran erinnern, was sie tun kann und muss, "damit Gerechtigkeit und ein Grundmaß an sozialer Stabilität in dieser Gesellschaft Einzug halten kann".
"Ganz unten und ganz oben musst du sein"
Sozial engagiert ist Küberl seit seiner Jugend in der Grazer Stadtpfarre St. Leonhart. Die Stationen seiner kirchlichen Laufbahn brachten ihn von der katholischen Arbeiterjugend unter anderem zum Bundessekretär der Arbeitsgemeinschaft katholischer Jugend Österreichs und zum Generalsekretär der Katholischen Aktion in der Steiermark. Seit 1994 ist Küberl Caritas-Direktor der Steiermark. Er sei viel unterwegs - sowohl in der Steiermark als auch österreichweit sowie bei den Auslandsprojekten der Caritas, meint Küberl, denn es sei wichtig, unter den Leuten zu sein. Der ehemalige Grazer Bischof Johann Weber habe zu ihm einmal gesagt, "ganz unten und ganz oben musst du sein!", erzählt Küberl und stellt fest: "Ich habe viel Not gesehen, aber ich habe auch ungeheuer viel von dem sehen dürfen, was man an Hilfe zusammenbringen kann."
Immer heikle Themen
Die Arbeitsbereiche der Caritas seien allesamt "heikel", weiß Küberl und nennt ein Beispiel "Stichwort: Zuwanderung." Dabei gehe es nicht bloß um das Ausmaß der Zuwanderung - das sei ein politisches Thema - sondern darum, "dass jeder die gleiche menschliche Würde hat, egal ob er bei uns bleiben darf oder nicht."
Auf die Frage, wie er mit dem Vorwurf umgehe, dass die Caritas die Not der Menschen "überzeichne", sagt Küberl: "Diese Menschen sollen einmal einen Tag in einer Caritaseinrichtung verbringen." Reiche Menschen wissen oft nichts von der Armut ihrer Mitmenschen, weil sie Arme nie als Freude hätten, denn "arme Menschen verstecken sich", sagt Küberl: "Meine Aufgabe ist es, mitzuhelfen, dass arme Menschen in den Blick der anderen kommen."