In den Bereichen Religionsdialog, Weltfrieden und Klimaerwärmung habe der Papst unbestreitbare "Meilensteine" gesetzt.
In den Bereichen Religionsdialog, Weltfrieden und Klimaerwärmung habe der Papst unbestreitbare "Meilensteine" gesetzt.
Jesuit und Publizist zeichnet differenziertes Bild über 10 Jahre Papst Franziskus: "Unterm Strich ist die Bilanz positiv."
Das zehnjährige Pontifikat des ersten Lateinamerikaners auf dem Stuhl Petri, Papst Franziskus, ist gekennzeichnet von "Meilensteinen", Überraschungen, aber auch von manchen verbalen Ausrutschern sowie Fehleinschätzungen: Darauf hat der Papst-Kenner Andreas Batlogg im Interview der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen hingewiesen. Die Papstwahl 2013 sei mit einem "unglaublichen Aufbruch" verbunden gewesen, die Dynamik des Anfangs allerdings "etwas verlorengegangen". Für den aus Österreich stammenden, in München lebenden Publizisten aus dem Jesuitenorden steht das Franziskus-Jahrzehnt für "mehr als einen Stilwechsel". Zugleich warnte Batlogg: "Wir sehen ihn sehr durch die Brille unserer europäischen Reform-Erwartungen." Unterm Strich sei die Bilanz jedenfalls positiv.
In den Bereichen Religionsdialog, Weltfrieden und Klimaerwärmung habe der Papst unbestreitbare "Meilensteine" gesetzt. Diese globalen Themen seien das, "was ihn interessiert", erklärte Batlogg. "Das katholische 'Klein-Klein', dieser klerikale Mief, das widert ihn an." Der Jesuit erinnerte an das heuer in Abu Dhabi eröffnete "Haus der abrahamitischen Familie" als direkte Frucht des Dokuments über die Brüderlichkeit, das Franziskus mit Großimam Ahmad al-Tayyeb 2019 unterzeichnete: "Ein interreligiöses Zentrum aus Kirche, Moschee und Synagoge - das ist herausragend." Und auch mit der Enzyklika "Laudato si" habe Franziskus "lange vor Greta Thunberg" einen Markstein zu Klimafragen gesetzt.
Seine Reisen "an die Ränder", abseits der "klassischen Länder" für Besuche, seien politische Statements, erinnerte Batlogg an Besuche etwa in Myanmar oder Südsudan, wo es kaum Katholiken gibt. Auch in Europa habe der Papst mit Visiten auf Lampedusa oder auf Lesbos "den Finger in Wunden gelegt".
Der mittlerweile 86-Jährige sei "ein unglaublich spontaner, wacher Typ ... kein Sitzungstyp", so Batlogg. Wenn er auf dem leeren Petersplatz für das Ende der Corona-Pandemie bete oder nach der Chrisammesse in einem Jugendgefängnis den Insassen die Füße wasche - "das sind einfach Zeichen!"
Allerdings führe Spontaneität beim Papst auch zu "verunglückten Vergleichen", die Franziskus - für Batlogg unverständlich - auch nach zehn Jahren im Amt unterschätzte. Der Autor von Büchern wie "Der evangelische Papst" oder "Der Reformer" (gemeinsam mit Paul Zulehner) nannte als Beispiele für solche verbalen Pannen Aussagen wie "Frauen sind Erdbeeren auf der Torte", "Einem Papa kann schon die Hand ausrutschen" oder dass sich Katholiken "nicht wie Karnickel vermehren" müssen. Franziskus gehe "freizügig mit Worten um, da ist er Latino", sagte Batlogg. "Und in manchen Punkten Macho."
In seinem Blog kritisierte der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" auch die Position von Papst Franziskus zum Synodalen Weg in Deutschland, die er von "Vorurteilen" geprägt sehe und "nicht nachvollziehen" könne, wie Batlogg anmerkte: "Es scheint ihm nicht klar zu sein, dass die Ursache für den Synodalen Weg, den die Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken begonnen hat, die Missbrauchsstudie ist." Die deutschen Bischöfe hätten "eingesehen, dass es nicht nur individuelles Versagen ist, sondern auch systemische Gründe sind, die Missbrauch ermöglichen". Da sei er - Batlogg - "vom Papst etwas enttäuscht, weil ich mir mehr Differenzierung wünschen würde".
Er vermute, dass so mancher Wutausbruch des Papstes damit zu tun habe, "dass es mehr Widerstand gegen ihn gibt, als wir wahrnehmen", so Batlogg über vom Papst umgesetzte Reformen. Franziskus habe das Kirchenrecht geändert, "er hat Pflöcke eingeschlagen mit Konstitutionen". Die Frage sei, wie es strukturell weitergeht. "Aber ich glaube, wir werden noch einmal dankbar zurückschauen."
In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" hielt Batlogg fest, dass Papst Franziskus einer Kirche guttue, "die nicht um sich selbst kreist. Aus der Wärmestube der Sakristei schickt er klerikale Priester auf die Straßen." Franziskus werde mehr außerhalb als innerhalb der Kirche "geachtet, geliebt, ja verehrt", meinte der Jesuit. "Ich warte nicht auf weitere Negativschlagzeilen und Skandale. Aber auf Überraschungen. Und die kommen bestimmt!"