Eine Wiener Großkirche wird zum "Last Shelter" (letzte Herberge) für 63 Flüchtlinge aus dem Lager Traiskirchen.
Eine Wiener Großkirche wird zum "Last Shelter" (letzte Herberge) für 63 Flüchtlinge aus dem Lager Traiskirchen.
Neuer Dokumentarfilm zeichnet Quartiernahme und Hungerstreik von 2012/2013 nach und rückt ins Bild, wie es für einige der Protagonisten weiterging.
Eine Wiener Großkirche wird zum "Last Shelter" (letzte Herberge) für 63 Flüchtlinge aus dem Lager Traiskirchen: Die Votivkirchen-Besetzung vom Dezember 2012 - Beobachtern der Asyldebatte durch das damalige monatelange Tauziehen mit Hungerstreiks, drohendem Polizeieinsatz und Caritas-Vermittlung auch gegenüber dem Innenministerium noch bestens in Erinnerung - hat Filmregisseur Gerald Igor Hauzenberger ("Der Prozess", 2011) zum Ausgangspunkt für eine 103-minütige Dokumentation gemacht, die bis in die jüngste Vergangenheit reicht. Er begleitete drei Jahre lang junge Männer bei ihrem Kampf um ein Leben in Frieden und Sicherheit, der Sukkus von Hunderten Stunden Rohmaterial ist ab 27. November im Kino zu sehen.
Bei der Filmpremiere im Wiener Künstlerhauskino, veranstaltet vom kofinanzierenden TV-Sender "Puls 4", waren neben einigen inzwischen in Österreich ansässigen Hauptdarstellern wie Mir Jahangir, Schahjahan Khan und Numan Mohammed u.a. auch der Generalsekretär der Wiener Caritas, Klaus Schwertner, Heinz Patzelt von Amnesty International Österreich sowie der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler anwesend.
"Last Shelter" setzt mit dem 25. Protesttag der "Refugee"-Bewegung ein, die im November 2012 mit dem "Protestmarsch" einer Gruppe junger vorwiegend pakistanischer und afghanischer Männer vom Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nach Wien begann und nach der Räumung des "Protestcamps" im Sigmund-Freud-Park am 18. Dezember zur Besetzung der Votivkirche führte. Mehr als zwei Monate verbrachten die 63 Akteure - geduldet von der Kirchenleitung - bei winterlichen Temperaturen im Gotteshaus, ehe sie ihren Kampf um legalen Aufenthalt im nahe gelegene Servitenkloster fortsetzten. Regisseur und Drehbuchautor Hauzenberger zeigt dabei auch Vermittlungsversuche der Caritas und von Kardinal Christoph Schönborn, mit dessen Bemerkung, die Protestaktion erfolge "ausgerechnet vor Weihnachten", auf Kinoplakaten und im Trailer geworben wird.
Der mehrmals in Gesprächen mit Flüchtlingen dargestellte Klaus Schwertner empfand den Film als "gute Chronologie" der Flüchtlingsproblematik bis in die jüngere Gegenwart, die mit Szenen in Traiskirchen und im ungarischen Flüchtlingslager Röszke illustriert wird. Das sei umso beachtlicher, als das Thema praktisch wöchentlich neue Facetten dazu bekomme. Der monatelange Protest in der Votivkirche habe viele irritiert - "auch mich" und die Caritas als um Hilfe gebetene Vermittlerin -, weil hier Flüchtlinge statt Politik passiv zu erdulden selbst zu Akteuren in eigener Sache wurden, so Schwertner im Interview mit "Kathpress".
"Last Shelter" veranschauliche, dass ein hochdifferenziertes Rechtssystem mit entsprechender Bürokratie oft über Einzelschicksale hinwegsehe. Nicht umsonst weise die Caritas immer wieder darauf hin, "dass der konkrete Mensch wichtiger ist als die Statistik".
Schwertner kritisierte, dass das Asylrecht in den vergangenen Jahren derart unübersichtlich geworden und um "eine Grauslichkeit nach der anderen" ausgeweitet worden sei. Auch unter Fachleuten herrsche oft Verwirrung, erst recht unter Flüchtlingen aus anderen Kulturkreisen mit sprachlichen Nachteilen.
Befragt nach der Darstellung der Kirche und ihren Vertretern im Film meinte Schwertner, dass diese sich "auf die Seite der Flüchtlinge gestellt" und eine Lösung in deren Sinn angestrebt hätten. Es sei seitens der Caritas auch bewusst nicht von einer "Besetzung" der Votivkirche gesprochen worden, vielmehr habe man die Asylwerber als "Gäste" bezeichnet. Dass es keine Pauschalamnestie für die sich zunehmend als Schicksalsgemeinschaft empfindenden Votivkirchenflüchtlinge geben könne, versuchte Schwertner den Betroffenen auch in gefilmten Gesprächssequenzen darzulegen.
Als prominentester Kirchenvertreter tritt im Film als "Stimme aus dem Off" Kardinal Christoph Schönborn auf, der Probleme mit der "illegalen Kirchenbesetzung" bekundet, später in einer Szene bei einem Besuch in der Votivkirche, in der er die Flüchtlinge von ihrem gesundheitsgefährdenden Hungerstreik abzubringen sucht. Er habe Mitverantwortung für deren Wohlbefinden, sagt er den Protestierenden. Werde er dieser nicht gerecht, drohe ihm eine Haftstrafe.
Regisseur Hauzenberger dazu in einem Interview des Stadtkino-Filmverleihs: "Ich schätze den Kardinal aufgrund seiner Geradlinigkeit sehr." Anfangs habe er sich schwer getan, mit der Situation umzugehen, "war enormem Druck ausgesetzt". Später habe er sich "aber sehr stark für diese Flüchtlinge eingesetzt, ihnen symbolischen Schutz gegeben und nach den ersten Abschiebungen das Innenministerium sehr stark angegriffen."
Nach Hauzenbergers Einschätzung ist Schönborn "als moralische Autorität wichtig", seine Appelle würden von der Politik gehört. Der Regisseur würdigte, dass der Kardinal heuer auch am Westbahnhof Flüchtlinge begrüßt habe: "Ich würde mir wünschen, dass dieses Engagement anhält und die Armen weiter in den Fokus der Kirche gerückt werden."
Am 27. November, wenn "Last Shelter" für österreichische Kinos freigegeben wird, ist um 19.30 Uhr im Stadtkino im Künstlerhaus Wien eine weitere Vorführung plus Gespräch mit Protagonisten und Regisseur Gerald Igor Hauzenberger geplant.
Film "Last Shelter":
www.filmfonds-wien.at/filme/last-shelter
Skip-Trailer:
www.skip.at/film/22349/trailer/
Caritas Wien: