Wiener Theologin Gabriel in Grußwort für Hiroshima-Gedenken auf Wiener Stephansplatz: Noch nie sind die Rüstungsausgaben so stark angestiegen wie in den letzten Jahren.
Zum Einsatz für den Frieden gibt es keine Alternative. Das betont die Wiener Sozialethikerin Prof. Ingeborg Gabriel. Eine internationale Ordnung, die trotz aller Schwächen jahrzehntelang gute diplomatische Dienste geleistet hat, liege derzeit zwar "im Koma". Doch gelte es jetzt erst recht "gegen eine die internationalen Beziehungen vergiftende Kriegslüsternheit, einen zynischen Leichtsinn und eine faule Resignation Widerstand aufzubauen und für den Frieden zu kämpfen", so Gabriel. Sie äußerte sich in einem Grußwort anlässlich des Hiroshima-Gedenkens am Dienstagabend auf dem Wiener Stephansplatz.
Die geopolitische Lage sei explosiv, so Gabriel: "Hass und Angst in ehemals von der Sowjetunion oder den Kolonialmächten unterdrückten Staaten treiben Prozesse der Polarisierung an. Rüstungsproduzenten und -lobbyisten wissen es für sich zu nutzen." Niemals seien die Rüstungsausgaben so stark angestiegen wie in den letzten Jahren. Sie seien heute um 1.000 Mrd. US-Dollar höher als 2005, so Gabriel. In absoluten Zahlen seien sie von 1.443 auf 2.443 Mill. US-Dollar gestiegen, verwies die Ethikerin auf Angaben den in Schweden ansässigen Friedensforschungsinstituts "Sipri".
Es brauche dringend "eine neue Friedensbewegung, die differenziert argumentiert und sich mutig jenen entgegenstellt, die jede Art diplomatischer Vermittlung als defätistisch ablehnen und diplomatische und persönliche Kontakte diskreditieren".
Gabriel erinnerte daran, dass vor einigen Tagen der amerikanische Physiker Thomas Neff gestorben ist. Ihm sei es nach 1990 durch Verhandlungen gelungen, die Zahl der nuklearen Sprengköpfe der Sowjetunion um ein Drittel zu senken, mit der genialen Idee, das Uranium für zivile Nutzung umzuwandeln und an die USA zu verkaufen. "Solche Ideen braucht es auch heute und den Willen und die Beharrlichkeit, für den Frieden zu kämpfen", so Gabriel, und weiter: "Friedliche Demonstrationen, die Pflege jener Kontakte und Initiativen, die durch weltweite Vernetzungen entstanden sind, könnten und sollten für Friedensinitiativen genutzt werden!" Es gelte zudem, "die Diplomatie zu stärken und Druck auf die Politik auszuüben, was in Demokratien - Gott sei Dank! - möglich ist".
Der katholische Theologe und Präsident von "Pax Christi Österreich", Prof. Wolfgang Palaver, schlägt in seinem Grußwort angesichts der aktuellen Entwicklung ebenfalls Alarm. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe dazu geführt, dass jetzt in vielen öffentlichen Aussagen wieder der Krieg dem Frieden vorgezogen werde. "Kriegstüchtig" und "kriegsfähig" seien jene Begriffe, "die jetzt Hochkonjunktur haben und die Notwendigkeit vergessen lassen, dass wir den Krieg überwinden müssen, wollen wir nicht in unserer hochtechnisierten Welt die Selbstauslöschung der Menschheit vorantreiben".
Selbst manche Theologen würden wieder ganz selbstverständlich beginnen, die nukleare Abschreckung für bedenkenlos zu erklären, kritisiert Palaver. Die Aufforderung von Papst Franziskus, zur "vollkommenen Abschaffung der Atomwaffen" werde dagegen als naiv abgetan.
Solche Verharmlosungen der nuklearen Kriegsgefahr würden mit dem von Günther Anders so benannten "prometheischem Gefälle" zusammenhängen, führt Palaver weiter aus: "Wir können zwar technisch Waffen herstellen, die in ihrer Zerstörungskraft immer mächtiger werden, bleiben aber gleichzeitig unfähig, emotional und menschlich nachzuvollziehen, welche Folgen der Gebrauch solcher Waffen auslöst."
Klaus Heidegger, Vorsitzender der Katholischen Aktion der Diözese Innsbruck und von Pax Christi Tirol, spricht in seinem Grußwort von der "verbrecherischen atomaren Abschreckung". Die Katholische Kirche lehne nukleare Abschreckung klar ab. "Wer Atomwaffen besitzt, ist auch bereit zur Anwendung. Jede Kriegshandlung, die auf die Zerstörung ganzer Städte zielt, ist aber aus katholischer Sicht ein Verbrechen gegen Gott und die Menschheit", so Heidegger.
Zum Gedenken an die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vor 79 Jahren laden zahlreiche Friedensinitiativen am Dienstag (6. August) wieder zu einer Friedenskundgebung auf den Wiener Stephansplatz ein. Die Friedenskundgebung beginnt um 18.30 Uhr auf dem Wiener Stephansplatz und wird um ca. 20.30 Uhr mit einem Laternenmarsch vom Stephansplatz zum Teich vor der Wiener Karlskirche abgeschlossen.
Am Freitag, 9. August, wird um 20 Uhr mit einer traditionellen buddhistischen Lichterzeremonie bei der Wiener Friedenspagode der Opfer von Hiroshima und Nagasaki gedacht (Wien 2, Hafenzufahrtsstraße). Am Tag darauf findet am 10. August von 10 bis 13 Uhr eine Gedenkaktion zu Hiroshima und Nagasaki in der Fußgängerzone in Melk vor dem Rathaus statt.
Infos: www.hiroshima.at