Um Süchten ganzheitlich entgegenzuwirken, sind auch präventive Angebote von großer Bedeutung.
Um Süchten ganzheitlich entgegenzuwirken, sind auch präventive Angebote von großer Bedeutung.
Viele Menschen fallen in Krisen-bedingten Stresssituationen in alte Muster der Bewältigung zurück. Mediziner und Experten raten zum rechtzeitigen Einholen von Unterstützung.
Die Corona-Krise stellt für die psychische Gesundheit vielfach eine Herausforderung dar. Dass Menschen mit bestehender Suchterkrankung besonders darunter leiden - daran haben Fachleute aus Medizin, Psychologie und kirchlichen Hilfsinitiativen wie etwa der Telefonseelsorge 142 am Montag, 5. Oktober 2020, in einer Pressekonferenz in Linz erinnert.
Im Vorfeld des Welttags der seelischen Gesundheit (10. Oktober) und einer Tagung zum Thema in Schloss Puchberg am Tag davor mahnten die Experten, Suchtmittel seien "schlechte Ratgeber bei Sorgen", zumal sie nur kurzfristig Stress verringerten, mittel- und langfristig jedoch zu noch größeren Problemen führten. Betroffene wie auch Angehörige sollten besser rechtzeitig Hilfe bei den zahlreichen verfügbaren Angeboten in Anspruch nehmen.
Der 50-jährige Mann, der seit 20 Jahren trockener Alkoholiker ist und während des Lockdowns einen Rückfall erlebte; der 50-jährige Vater, der wütend auf seinen jugendlichen Sohn ist, weil dieser Drogen nimmt und sich auch im Lockdown nicht an die geltenden Maßnahmen gehalten hat; oder auch die 60-jährige Frau, deren Tochter alkoholabhängig ist und die sich Sorgen macht um ihre Enkelkinder, die sie seit dem Lockdown nicht mehr gesehen hat: "Anfragen wie diese, wo das Thema Sucht mitspielt, häufen sich seit März bei uns", berichtete Silvia Breitwieser, die Leiterin der Telefonseelsorge OÖ vor den Journalisten. Hintergrund solcher Situationen sei oft, dass Menschen mit dem Suchtmittel Reduktion von Stress und negativen Emotionen verbinden.
Der Griff zu Alkohol, Medikamenten und Drogen oder aber die Flucht in exzessives Spiel oder Kaufen eigneten sich jedoch nicht, um die Herausforderungen gut zu meistern. Der oder die Betroffene selbst, in den allermeisten Fällen aber auch das ganze soziale Umfeld und die Familie würden durch eine unbehandelte Suchterkrankung enorm belastet, verdeutlichte die Telefonseelsorgerin: Nachweislich sinke die Lebenszufriedenheit und Szenen häuslicher Gewalt oder finanzielle Probleme würden häufiger. Es sei daher wichtig, "eigene Risiko- aber auch Schutzfaktoren gut zu kennen", so laut Breitwieser eine Lehre der Krise.
Dass die Wege in eine Suchterkrankung höchst unterschiedlich sind, verdeutlichte der Psychiater Kurosch Yazdi. Stress wie etwa durch massive Anspannung in Familie, drohenden Arbeitsplatzverlust oder auch durch Einsamkeit, Depression und Ängste spielt laut dem Mediziner in der Corona-Zeit oft mit, während Jugendliche mit Suchtmitteln oft Aufregung verstärken wollen oder am Handy oder den Sozialen Medien in den Bann des Internets gezogen werden und suchtartige Verhaltensweisen entwickeln, oft infolge von Langeweile. Wichtig für eine Früherkennung sei es, "das Thema wertschätzend aber konkret anzusprechen", riet der Vorstand der Klinik für Psychiatrie am Kepler Universitätsklinikum Linz. Sinnvoll sei es, dazu Informationen von Beratungs- und Anlaufstellen einzuholen und Hilfsangebote zu nutzen.
Vor Alkohol als "Entschuldigung" von häuslicher Gewalt warnte Josef Hölzl von der an 25 Standorten präsenten diözesanen Beratungsstelle "Beziehungleben.at". "Übergriffiges Verhalten wird oft dem Alkohol zugeschoben und die eigene Verantwortung für Gewalt abgegeben" - was Opfer wie Täter betrifft, so der auch bei der Männerberatung der Diözese Linz tätige Experte. Klar sei jedoch: "Durch den Einfluss von Alkohol oder anderen Substanzen verlieren Menschen zwar die Kontrolle, aber die Verantwortung bleibt immer bei demjenigen, der z.B. zuschlägt." In der Beratung versuche man daher, Menschen in ihre Verantwortung für ihr Tun zu bringen, gemeinsam Veränderungsschritte zu erarbeiten und abzuklären, welche Unterstützung sie brauchen.
Um Süchten ganzheitlich entgegenzuwirken, sind auch präventive Angebote von Bedeutung. Als solche verstehen sich die bei der Pressekonferenz vom Katholischen Bildungswerk angebotene "Spiegel"-Elternbildung. Bei den in über 200 Pfarren und Gemeinden präsenten Gruppen geht es darum, durch Austausch, Spiel und Vertrauensaufbau "spielend für das Leben zu lernen", insbesondere positive Beziehungserfahrungen und eine "sichere Bindung" zu den Bezugspersonen, wie "Spiegel"-Leiterin Ulrike Kneidinger-Peherstorfer berichtete. Bei den angebotenen Seminaren, Workshops und Ausbildungen würden das Selbstwertgefühl, die Selbstwirksamkeit und das Selbstvertrauen gestärkt.
Hilfe und Informationen