Designierter Wiener Erzbischof im Interview mit neuem Kirchenzeitungsmagazin über Kirchenmitgliedsbindung und Bringschuld der Kirche: Müssen Schätze der Kirche heben und den Menschen anbieten.
Der künftige Bischof von Wien sieht ungenütztes Potenzial in der Kirchenmitgliedsbindung: So dürfe sich die Kommunikation mit den Kirchenmitgliedern nicht auf das Kirchenbeitragsschreiben beschränken und auch das wissenschaftlich nachgewiesene Interesse für religiöse und spirituelle Themen in Österreich dürfe nicht brachliegen gelassen werden, betonte Josef Grünwidl im Interview mit dem neuen Kirchenzeitungsmagazin der Erzdiözesen Wien ("Himmel & Erde") und Salzburg ("gott sei dank"). In der Erzdiözese habe man sich entschieden, neue Wege in der Mitgliederkommunikation einzuschlagen. "Bis jetzt war vieles selbstverständlich, dass Leute gekommen sind und sich als Mitglieder der Kirche gefühlt und auch engagiert haben. Jetzt liegt es an uns, offensiv auf Menschen zuzugehen."
Die große Studie "Was glaubt Österreich" habe gezeigt, dass ein sehr hoher Prozentsatz in der österreichischen Bevölkerung sich selbst als spirituell oder religiös oder suchend bezeichnet. Die Kirche müsse dieses Interesse mit all ihren Angeboten als Chance nutzen. Die Kirche habe viele Schätze, die es zu heben gelte: Bauten, Kunst, Kultur, Symbole, Rituale, Sakramente und das Wort Gottes. "Man erlebt bei uns ein Glaubensnetz, ein soziales Netz und ein Gemeinschaftsnetz, das Geborgenheit schenkt", hob der designierte Wiener Erzbischof hervor. Auch den beitragszahlenden Kirchenmitgliedern gegenüber habe die Kirche eine Bringschuld. Es müsse kommuniziert werden: "Was passiert mit dem Geld, was leistet die Kirche - auch für unsere Gesellschaft."
Auf persönlicher Ebene seien Christinnen und Christen gefragt, den Glauben ins Gespräch zu bringen und so zu leben, dass sie nach ihrer Haltung gefragt werden: "Es gibt dieses schöne Wort, rede über deinen Glauben, wenn du gefragt wirst, aber lebe so, dass man dich fragt", erklärte Grünwidl. Christinnen und Christen könnten Versöhnung, den Dienst an den Armen oder Schöpfungsverantwortung vorleben. Wenn eine KI die wichtigsten seiner Wesenszüge zusammentragen sollte, wünsche er sich folgendes Ergebnis: "Das ist ein Kirchenmann, der versucht, Hoffnung zu verbreiten, auch in schwierigen und herausfordernden Zeiten. Das ist ein Mensch, der mit all seinen Schwächen und Grenzen versucht, als Christ gut und glaubwürdig zu leben und der gerne einen Dienst in der Kirche übernimmt."