Die Novelle des Asylrechts würde die Rechte von schutzsuchenden Menschen massiv einschränken, warnt Generalsekretär Bernd Wachter und nennt in der juristischen Einschätzung der Caritas gewichtige Kritikpunkte.
Die Novelle des Asylrechts würde die Rechte von schutzsuchenden Menschen massiv einschränken, warnt Generalsekretär Bernd Wachter und nennt in der juristischen Einschätzung der Caritas gewichtige Kritikpunkte.
Vor Ende der Begutachtungsfrist brachte Caritas Stellungnahme ein: Novelle "beschneidet Menschenrechte, hemmt Integration, fördert Schlepperwesen".
"Die Novelle des Asylrechts beschneidet Menschenrechte, hemmt die Integration und fördert das Schlepperwesen. Parlamentarier und Parlamentarierinnen sollten dem nicht zustimmen": Diese geharnischte Kritik an den von der Bundesregierung angekündigten Asylverschärfungen hat die Caritas Österreich am Donnerstag, 21. April 2016 in einer Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf eingebracht - am letzten Tag der nur auf sieben Tagen anberaumten Begutachtungsfrist.
Die Novelle würde die Rechte von schutzsuchenden Menschen massiv einschränken, warnte Generalsekretär Bernd Wachter in einer Aussendung und nannte in der juristischen Einschätzung der Caritas gewichtige Kritikpunkte.
Ein erster davon bezieht sich auf den verweigerten Zugang zu Asylverfahren, der einen "Abschied von der humanitärer Tradition" Österreichs bedeute. In Zukunft sollen laut Regierungsplänen Asylanträge nur noch in Ausnahmefällen angenommen werden. Um sich nicht mehr an das geltende Asylrecht halten zu müssen, berufe sich die Bundesregierung auf eine "angebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit". Um das Asylrecht jedoch weitgehend außer Kraft zu setzen, müssten laut Caritas außergewöhnliche Umstände vorliegen. "Der Gesetzesentwurf liefert keine stichhaltige Begründung für das Vorliegen einer derartigen Gefährdung", stellte Bernd Wachter fest.
Das Asyl- und Grundversorgungssystem in Österreich sei zwar "sicherlich gefordert", aber: "Solange etwa ein Drittel der Gemeinden keine Flüchtlinge unterbringt, kann nicht von einer Gefährdung gesprochen werden." Die geplanten Schnellverfahren an der Grenze würden zudem verfassungs- und menschenrechtliche Vorgaben wie etwa die Europäische Grundrechtecharta verletzen, so Wachter weiter. Schutzsuchende Menschen hätten keinen effektiven Rechtsschutz gegen die Zurückweisung an der Grenze. "Das widerspricht klar der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Rechtsstaatsprinzip, einem der Baugesetze der österreichischen Bundesverfassung", gab der Caritas-Generalsekretär zu bedenken.
Ein weiterer Kritikpunkt ist das geplante "Asyl auf Zeit", das letztlich ein "Integrationshemmnis ohne Mehrwert" darstelle und nur zusätzlichen bürokratischen Aufwand bedeute. Aufenthaltssicherheit sei ein wesentlicher Faktor für den Zugang zu Arbeit und Wohnraum und ermögliche es den Schutzsuchenden, schneller in Österreich Fuß zu fassen. Außerdem könne schon nach den bisher geltenden Bestimmungen der Asylstatus aberkannt werden, wenn der Asylgrund wegfällt.
Auch von einer Einschränkung der Familienzusammenführung hält die Caritas wenig. Subsidiär Schutzberechtigte könnten - sollten die Regierungspläne umgesetzt werden - ihre Familien erst drei Jahre nach Anerkennung nach Österreich bringen, und nur dann, wenn sie hohe ökonomische Voraussetzungen erfüllen. "Das ist in der Praxis nicht mit dem Recht auf Familienleben vereinbar", hielt die Caritas fest. Und fügte die Warnung hinzu: "Werden die legalen Möglichkeiten der Familienzusammenführung eingeschränkt, vertrauen sich die Angehörigen auf ihrem lebensgefährlichen Weg nach Europa eher Schleppern an."
Mit Unverständnis reagierte die Caritas auf den Umstand, dass es ohne die Proteste der Zivilgesellschaft nicht einmal die kurze Begutachtungsfrist "dieser so weitreichenden Gesetzesnovelle" gegeben hätte. Generalsekretär Wachter appellierte an die Nationalrats-Abgeordneten, dem Gesetzesentwurf nicht zuzustimmen, und an die Bundesregierung, "sich auf europäischer Ebene entschieden für eine gemeinsame, strategische Vorgehensweise einzusetzen".
Diakonie-Direktor Michael Chalupka warnte am Donnerstag in einer Aussendung. Er sprach nicht nur von einer Verschärfung des Asylrechts, sondern von dessen "Abschaffung für den Großteil der Schutzbedürftigen". Trete die Verordnungsermächtigung in Kraft, könne damit nämlich das Asylrecht in Österreich für neuankommende Flüchtlinge unabhängig von deren Schutzbedürftigkeit de facto außer Kraft gesetzt werden, argumentierte der Diakonie-Direktor.
Kritik übte die Diakonie auch am Passus über die Notstandsverordnung. Der Entwurf schweige zur Frage, ab wann die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates den Notstand ausrufen könne. Wörtlich sprach Chalupka von einer "Notstandsverordnung ohne Notstand".
"Besonders dramatisch" sei das Inkrafttreten eines Notstandes für alleine reisende Flüchtlingskinder: "Ihnen wird keine Vertretung mehr beigestellt, sie können sich ohne Hilfe - noch weniger als Erwachsene - nicht selbst vertreten. Sie werden buchstäblich völlig schutz- und hilflos an der Grenze im Regen stehen gelassen", so Chalupka.
Im Falle von direkten Zurückweisungen an der Grenze werde es aber generell keinen Zugang zu einem effektiven Rechtsschutz mehr geben. Dieser sei jedoch ein zentrales Menschenrecht der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit auch des österreichischen Verfassungsgesetzes, betonte der Diakonie-Direktor.
Vor einer "negativen Vorbildwirkung" Österreichs, die eine "mögliche Kettenreaktion" auslösen könne, warnte auch das UNHCR. "Wenn Teile des EU-Asylrechts mit der geplanten Gesetzesnovelle ausgesetzt werden und andere Staaten diesem Beispiel folgen, könnte es für Flüchtlinge in Europa immer schwieriger werden, Schutz vor Verfolgung und Krieg zu finden", heißt es in einer Aussendung am Donnerstag.
Österreich habe bisher stets "die Tradition des Flüchtlingsschutzes hochgehalten", verwies Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich, auf die knapp 90.000 Asylsuchenden, die Österreich im letzten Jahr aufgenommen hatte. Mit der Gesetzesnovelle stehe die Alpenrepublik nun "vor einer maßgeblichen Richtungsentscheidung". Geht das Gesetz so durch, "wäre dies eine Abkehr einer jahrzehntelang gelebten Praxis mit massiven Auswirkungen auf den Flüchtlingsschutz".
Ein eingeschränkter Zugang zu Asylverfahren und die "geplante Haft" für Schutzsuchende vor einer Rückführung seien "alarmierende Entwicklungen", schreibt das Flüchtlings-Hochkommissariat der Vereinten Nationen. Außerdem seien "einzelstaatliche Maßnahmen, die auf eine Abwehr von Flüchtlingen zielen, wie etwa Grenzschließungen oder die Errichtung von Zäunen" nicht sinnvoll. Alle Staaten müssten gemeinsam und solidarisch am Flüchtlingsschutz arbeiten.