Im Jüngerschaftstraining „Follow me“ werden immer wieder unerwartete Methoden angewandt.
Im Jüngerschaftstraining „Follow me“ werden immer wieder unerwartete Methoden angewandt.
Kann man Menschen zu Jüngern schulen? Was macht eine lebendige Pfarrgemeinde aus? Und wie kann man Jugendliche für Jesus begeistern? Diese Fragen richten wir an Bruce Clewett, Impulsgeber beim diözesanen „Inspirationstag für eine wachsende Kirche“ am 20. April.
Unsere Erzdiözese Wien steht mit ihren 1,2 Millionen Mitgliedern in der Stadt Wien und im östlichen Niederösterreich mitten in einem Veränderungsprozess. Oberstes Ziel ist es, mehr Menschen für Jesus Christus zu begeistern. Dabei wird der inhaltliche Fokus verstärkt auf Nachfolge und Jüngerschaft gelegt.
Heutzutage haben gläubige Menschen oftmals – so hört man immer wieder – ein Problem mit dem Begriff „Jüngerschaft“.
„Als die Evangelien verfasst wurden, war Jüngerschaft ein gängiger Begriff. Es war eine Art Schulung“, erklärt Bruce Clewett. Der gebürtige Kalifornier war jahrelang der Leiter des interkonfessionellen Missionswerks „Jugend mit einer Mission“ in Österreich und einer der Gründer der Abteilung „Kerygma”, die sich besonders im Feld der Ausbildung junger Katholiken für einen missionarischen Dienst engagiert.
„Ein Rabbi oder Lehrer hat Jünger zu sich geholt und ausgebildet. Es war Aufgabe der Jünger, die Lehre und sogar die Gewohnheiten des Lehrmeisters zu verinnerlichen und ihr Leben nach dem Vorbild des Meisters zu führen. Danach wurden sie beauftragt, die Botschaft und die Werte des Meisters anderen weiterzugeben.“
Im christlichen Verständnis heißt Jüngerschaft: Menschen nehmen die Einladung Jesu an, ihm in ähnlicher Weise nachzufolgen. Bruce Clewett sieht in der Bibel den Schlüssel für unser heutiges Jüngerschaftsverständnis: „Die ersten Jünger waren Fischer und haben ihre Netze fallen gelassen, um Jesus nachzufolgen. Die Netze stehen symbolisch für ihre Lebensexistenz und Identität. Das ist der Beginn der Laufbahn eines Jüngers. Sie haben verstanden, dass es darum geht, dass wir unser Leben dem Herrn übergeben. Das ist nicht der Schritt am Ende eines erfolgreichen Christenlebens, sondern unserer Meinung nach ist das der Beginn eines Jüngerschaftsprozesses.“
Für Clewett ist ganz klar: „Als Jünger Jesu gehört es dazu, dass wir Lehrlinge werden. Wir sind bereit, von Jesus zu lernen, und sind sogar hungrig danach. Die Art, wie wir von ihm lernen, ist nicht bloß eine Ansammlung von Theorie. Jesus hat sogar davor gewarnt, etwas zu hören und es nicht in die Tat umzusetzen. Seine Lehre muss in die Praxis umgesetzt werden. Eben wie ein Lehrling und weniger wie ein Student.“
Kardinal Christoph Schönborn betont immer wieder, dass eine Säule des diözesanen Entwicklungsprozesses die Jüngerschaftsschulung ist. „Menschen zu Jüngern Jesu zu machen, muss mit Absicht geschehen“, sagt Clewett, der selbst als junger Erwachsener 14 Monate lang in der Schweiz eine Jüngerschule besuchte.
„Jesus hatte eine Strategie. Er hat etwas gemacht, was auch wir tun können. Er hat eine Handvoll von Männern ausgesucht und sich mit ihnen besonders intensiv beschäftigt. In einem Zeitraum von eineinhalb bis zweieinhalb Jahren hat er sie gelehrt, korrigiert, ermutigt. Diese Intensität, die er mit den Zwölf hatte, wäre mit einer riesigen Menge nicht möglich gewesen.“
Wenn Bruce Clewett Jüngerschaftsschulung macht, dann ebenfalls mit einer kleinen Gruppe, um mit ihnen intensiver einen Weg zu gehen. „Es ist stets eine Verbindung von Theorie und Praxis. Und Feedback ist unglaublich wichtig. Die Schulung bietet die Möglichkeit, gemeinschaftliches Leben zu bilden. Während einer gewissen Zeit, sei es an acht Wochenenden – wie bei der Jüngerschule ‚Follow me‘. Oder sechs Monate lang beim Schulungsprogramm von ‚Jugend mit einer Mission‘. Jüngerschaft kann leichter im Rahmen von gemeinschaftlichen Beziehungen gelernt werden. In vertrauter Umgebung ist man offen dafür, etwas Neues auszuprobieren und Fehler zu machen.“
Am 20. April findet in der Erzdiözese ein „Inspirationstag für eine wachsende Kirche“ statt. Dabei geht es um die Weitergabe von Anregungen und Tipps, wie unsere Gemeinden wachsen – und noch mehr Menschen mit Jesus in Berührung kommen können. Bei dieser Veranstaltung wird Bruce Clewett ein Impulsreferat halten. Wir fragen ihn im Vorfeld, was für ihn Merkmale einer lebendigen Gemeinde sind.
„Wir merken weltweit: Da, wo der Heilige Geist am Werk ist, gibt es oft Kleingruppen oder Hauskreise. Eine kleine Schar von Menschen trifft sich regelmäßig und baut eine gemeinschaftliche Beziehung auf. Normalerweise gibt es in einer lebendigen Gemeinde mehrere solcher Kleingruppen“, sagt Bruce Clewett.
„Es ist auch eine tolle Möglichkeit, Leiterschaft zu lernen. Im Zweiten Vatikanischen Konzil wurde Laien zwar die Möglichkeit gegeben, eine Art geistliche Verantwortung zu tragen, aber man hat es oft nicht getan. Auch wenn es erlaubt ist, bedeutet dies noch lange nicht, dass man es auch will. Um Leute anzuziehen, die Verantwortung tragen und Leute ausbilden wollen, braucht es Gruppen, in denen sie das ausprobieren können“, sagt Clewett und nennt ein weiteres Merkmal einer lebendigen Gemeinde: „Als Gemeindemitglied ist man herausgefordert, aktiv zu sein, nicht bloß Konsument zu bleiben, sondern tatsächlich einen Dienst für Gott und die Mitmenschen zu übernehmen. Man ist nicht dazu gezwungen, aber man wird ermutigt und es gibt Möglichkeiten, die von Gott gegebenen Gaben zu entdecken und auszuüben.“
Welche Chancen sieht Bruce Clewett, bei jungen Menschen das Feuer zu entfachen und für Jesus zu begeistern? Clewett stellt fest, dass die junge Generation der heutigen Zeit sehr abgelenkt ist, sie erhält eine Überzahl an Eindrücken in der digitalen Welt. Um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, muss man sich neue Ideen überlegen, was vor 20 Jahren in diesem Ausmaß nicht notwendig war.
„Wir haben in unseren Programmen viele Überraschungen eingebaut, das Unerwartete muss seinen Platz haben. Wenn alles vorhersehbar ist, dann schalten die Jungen ab. Es muss Spaß geben, aber im Vordergrund steht nicht die Unterhaltung.“
Bruce Clewett, der jahrzehntelang in der Jugendarbeit tätig ist, ist überzeugt, dass Erwachsene Jugendlichen mehr zutrauen sollen. „Ein 16-Jähriger ist durchaus fähig, bestimmte Leitungsaufgaben zu übernehmen.“ Und nach seiner Meinung brauchen Jugendliche christliche Freunde.
„Ab einem Alter von 13 Jahren nabeln sie sich langsam von ihren Eltern ab, um ihre Identität zu finden. Man muss im christlichen Raum einen christlichen Freundeskreis errichten, wo sie ihre Identität durch diese Gruppe entwickeln können.“
Bruce Clewett setzt sich für Aufwertung von Jugendgruppen und die Bildung größerer Jugendkreise ein und bringt es klar auf den Punkt: „Eine Jugendgruppe für drei Leute wird eher schwer eine Identität für die Jugendlichen schaffen. Es muss nicht alles in der einzelnen Pfarre geschehen, wir müssen darüber hinaus denken. Bewegungen und Gemeinschaften tun das schon und organisieren größere Veranstaltungen für Jugendliche.“
In vertrauter Umgebung ist man offen dafür, etwas Neues auszuprobieren und Fehler zu machen.
Das „Forum Erneuerungsbewegungen“ der Erzdiözese Wien lädt Pfarren und Bewegungen ein, sich über Ideen auszutauschen, wie Jüngerschaft und Mission neu oder anders in der eigenen Pfarre beziehungsweise in Gemeinschaft lebendig werden kann.
Die Veranstaltung am 20. April im Erzbischöflichen Palais ist aufgrund sehr starken Interesses ausgebucht. Es ist geplant, dass Interessierte den Event via Livestream im Internet mitverfolgen können.
Weitere Informationen demnächst.
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